6 forum kriminalprävention 2 2017 INTEGRATION UND PRÄVENTION Geflüchtete Menschen in Deutschland Präventionsansätze bei der Integration von Migranten Rita Haverkamp Die Aufnahme Unterbringung Erstversorgung und Integration nach Deutsch land geflüchteter Menschen ist während der ersten unübersichtlichen Phase 2015 2016 mit großem Engagement erheblicher Kreativität und Flexibilität von den Kommunen sowie der Zivilgesellschaft geleistet und gestaltet worden Mittlerweile ist die Zuwanderung von Geflüchteten zurückgegangen und die behördlichen Handlungsabläufe wurden verbessert Die Befürchtungen die Aufnahmegesellschaft sowie ihre Institutionen seien überfordert und die Handlungsfähigkeit des Staates gerate außer Kontrolle haben sich nicht bestätigt Vielmehr entspannt sich die Problemwahrnehmung Die Integra tionsaufgaben bleiben allerdings eine große Herausforderung für Staat und Gesellschaft Auch die unvermeidlichen Auswirkungen auf die Kriminalitätsent wicklung bis hin zu Terrorismusgefahren können nicht außer Acht gelassen werden Die Akteure insbesondere kommunaler Präventionsarbeit sind weiter hin gefordert ihren Beitrag beim Integrationsmanagement zu leisten aber auch spezifische kriminalpräventive Ansätze zu entwickeln Der folgende Beitrag diskutiert Präventionsansätze bei der Integration von Migranten Spezifische Kriminalprävention in Bezug auf Migranten Die Aussage Integration ist Präven tion scheinen Studien zu bestätigen in denen sich Devianz von Migranten als Folge misslungener Integration darstellt 1 Abgesehen von kulturell verwurzelter Kriminalität z B Ver stümmelung weiblicher Genitalien Zwangsheirat Bigamie wird die Straf fälligkeit von Einwanderern vielfach auf prekäre soziale Lebenslagen und familiäre Belastungen zurückgeführt 2 Zwar begünstigt soziale Desintegrati on delinquente Entwicklungen doch verhalten sich die meisten Menschen in schwierigen Lebenssituationen ge setzeskonform und nur ein kleiner Teil neigt zur Begehung von Straftaten 3 Missglückte Integration von Migran ten ist also nicht mit Kriminalität gleichzusetzen Umgekehrt setzt er folgreiche Integration nicht notwen dig ein Leben ohne Straftaten voraus bzw 4 schützt nicht immer vor Straffäl ligkeit Die Frage ob überhaupt spezifische kriminalpräventive Maßnahmen ge genüber Personen mit Migrationshin tergrund erforderlich sind sollte mit einem klaren Ja beantwortet wer den Ergebnisse aus Schülerbefragun gen machen deutlich dass manche ju gendlichen Migrantengruppen eine höhere Kriminalitätsbelastung insbe sondere mit Gewalt als junge Deut sche aufweisen Maßgeblich für diese Höherbelastung ist aber nicht der Mi grationshintergrund sondern eine Häufung von individuellen Problem faktoren wie prekäre soziale Lebens verhältnisse zerrüttete Familien und Eltern mit schwierigem Erziehungs verhalten 5 Es kommen Benachteili gungen und Stigmatisierungen in vie len Lebensbereichen hinzu die eine Desintegration begünstigen und zu vörderst die Initiierung von sozial integrativen Programmen erfordert Spezifische kriminalpräventive Pro gramme sind jedoch geboten wenn es um die Verhinderung von Straftaten durch jugendliche Migranten geht Als Risikofaktoren von Gewalt gelten vor allem Perspektivlosigkeit einge schränkte soziale und kognitive Fähig keiten das einseitige Wahrnehmen ag gressiver Aspekte und eine tradierte Männerrolle die Gewalt als Mittel der Konfliktaustragung als legitim aner kennt 6 Bei Flüchtlingen ist zusätzlich zu bedenken dass etwa die zugewan derten Afghanen Eritreer Iraker und Syrer aus Kriegs oder Bürgerkriegsre gionen stammen In ihren Heimatlän dern ist das Gewaltmonopol erheblich beschädigt oder die Funktionsträger des Staates selbst wenden sich gegen Teile der Bevölkerung Die dort ge machten Gewalterfahrungen hinter lassen Traumata und unter Umständen eine höhere Gewaltaffinität zur Lösung von Konflikten 7 Im Folgenden stellt sich die Frage nach kriminalpräventi ven Maßnahmen und Ansatzpunkten angesichts der gegenwärtigen Zuwan derung für Flüchtlinge Kriminalprävention für Geflüchtete Kriminalpräventive Strategien8 müs sen die demografische Zusammenset zung der Flüchtlinge im Blick haben da 1 Schepker Renate Beiträge aus der Kinder und Jugendpsychiatrie zur Prävention und Integration bei Kindern in Zuwandererfamilien Praxis Kinderpsychologie Kinderpsychiatrie Prax Kinderpsychol Kinderpsychiat 2009 58 Jahrgang S 263 274 f 2 Holthusen Bernd Straffällige männliche Jugendliche mit Migrationshintergrund eine pädagogische Herausfor derung in Bundesministerium der Justiz Hrsg Jenaer Symposium Das Jugendkriminalrecht vor neuen Herausforderungen Mönchengladbach 2009 Forum Verlag Godesberg S 214 3 Uslucan Haci Halil Kriminogene Entwicklungsrisiken von Jugendlichen mit Zuwanderungsgeschichte und Möglichkeiten der Prävention und Intervention Forensische Psychiatrie Psychologie Kriminologie Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2012 6 Jahrgang S 193 4 Hierunter fällt auch die hier nicht weiter interessierende Wirtschaftskriminalität mit White Collar Crime 5 Schepker Prax Kinderpsychol Kinderpsychiat 2009 S 265 Spötter Elvira Straffälliges Verhalten junger russischsprachiger Zuwanderer in Deutschland Köln 2006 S 3 6 Kriminologisches Forschungsinstitut Gewalterfahrungen von Kindern und Jugendlichen Ergebnisse von Schülerbefragungen im Jahr 2005 und Möglichkeiten Erfolg versprechender Prävention Stuttgart 2005 Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes zit KFN S 42 Toprak Ahmet Nowacki Katja Gewaltphänomene bei männlichen muslimischen Jugendlichen mit Migrationshintergrund und Präventionsstrategien Expertise im Auftrag des Bundesministeriums für Familie Senioren Frauen und Jugend Berlin 2010 Bundesministerium für Familie Senioren Frauen und Jugend S 5 7 KFN 2005 S 42 Spindler Susanne Mythos und Realität von Kriminalität und Gewalt in Landesstelle Jugend schutz Hrsg Dokumentation der Fachtagung Jugendgewalt mit Migrationshintergrund Zusammen hänge Perspektiven Handlungsstrategien Hannover 2009 S 34 8 Aus ethischer Perspektive Gabel Friedrich d Sicherheit und Gerechtigkeit Kriminalprävention vor dem Hintergrund des Anstiegs der Zahlen von Asylbewerbern innen im Jahr 2015 in DPT Hrsg Prävention und Freiheit Zur Notwendigkeit eines Ethik Diskurses Gutachten für den 21 Deutschen Präventionstag am 6 7 Juni 2016 in Magdeburg S 100 ff

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