10 forum kriminalprävention 1 2017 EXTREMISMUS UND PRÄVENTION Analyse der aktuell verfügbaren wissenschaftlichen Literatur Bisher wurden rund 60 englisch deutsch und französischsprachige Zeitschriftenartikel Beiträge in Sam melbänden Forschungsberichte und Bücher ausgewertet und dazugehöri ge Abstracts erstellt Nach Projekten de werden diese in die frei im Internet zugängliche hauseigene kriminologi sche Datenbank KrimLit 1 eingespeist Der Abschlussbericht wird neben die sen Abstracts eine synoptische Dar stellung der gewonnenen Erkenntnis se umfassen unter anderem zu Terminologie Ansätzen zur Erklärung von Radikalisierung im Gefängnis Radikalisierungsprävention und Dera dikalisierung Risikoeinschätzung Ge fängnisseelsorge und Religionsaus übung sowie Anforderungen an den Strafvollzug Außerdem wird über Er kenntnisse aus den europäischen Nachbarländern berichtet die auf grund der spezifischen politischen und gesellschaftlichen Hintergründe teilweise über vergleichsweise um fangreiche Erfahrungswerte verfü gen Der überwiegende Teil der bear beiteten Literatur befasst sich mit ra dikalem Islamismus Im Zuge der bisherigen Auswertun gen konnten keine einheitlichen und Religiös und politisch motivierter Extremismus und Justizvollzug Pilotstudie zu Aspekten der Sicherheit und der Prävention Christian Illgner Fredericke Leuschner Martin Rettenberger Seit Juni 2016 wird an der Kriminologischen Zentralstelle KrimZ in Wiesbaden ein Projekt zu religiös und politisch motiviertem Extremismus im Justizvollzug durchgeführt Zentrale Aspekte dieser Pilotstudie stellen Sicherheitsfragen des Justizvollzugs intramurale Möglichkeiten der Prävention sowie Fragen zur Erfassung von Gefährdung und Gefährlichkeit Das Projekt wird kofinanziert aus Mitteln des Fonds für die Innere Sicherheit durch die Europäische Kom mission Neben einer Recherche und Analyse der einschlägigen Fachliteratur werden ergänzende qualitative und quantitative Erhebungen durchgeführt Der Abschlussbericht wird voraussichtlich ab Juni 2017 als Teil der hauseigenen Reihe BM Online auf der Website der KrimZ abrufbar sein zugleich trennscharfen Ursachen für Radikalisierung identifiziert werden 2 Es erscheint jedoch plausibel dass Häftlinge für Radikalisierung beson ders anfällig sind So legt Neumann beispielsweise dar dass dschihadisti sche Narrative sehr gut Bedürfnisse von Kriminellen entweder nach Legiti mation krimineller Aktivitäten oder nach Vergebung vergangener Sün den erfüllen wobei die Unterstüt zung des Dschihad etwa durch Dro genhandel keine Verhaltensänderung erfordert 3 Häftlinge die sich zudem mit Autonomieverlust Unsicherheit und Gewalt Ablehnung durch die Mehrheitsgesellschaft und Bedrohung ihrer Identität konfrontiert sehen sind schließlich besonders vulnerabel So kann durch das krisenhafte Erle ben ausgelöst eine sog kognitive Öff nung den Raum für Veränderung schaffen der von islamistischen Rek rutierern ausgenutzt werden kann 4 Im Gegensatz zu den bisherigen europäischen Erfahrungen mit extre mistischen Häftlingen wie irische und baskische Separatisten aber auch Linksextreme die sich als ideo logische Elite bzw politische Gefan gene verstehen und von gewöhn lichen Kriminellen abgrenzen sehen Dschihadisten das Gefängnis als Rekrutierungs pool für neue Mit glieder 5 Inwiefern sich diese Gefahr in Deutschland tatsächlich manifestiert hat bestehen bisher jedoch keine si cheren Erkenntnisse Unter den von Neumann untersuchten 15 deutschen Dschihadisten mit vorheriger krimi neller Karriere waren sechs inhaftiert nur einer hatte sich davon allerdings in Haft radikalisiert 6 Jedoch kann die zu erwartende steigende Zahl von Rückkehrern aus dem Krisengebiet in Syrien und dem Irak zu einer Verschär fung der Sicherheitslage im Justiz vollzug beitragen und in Bezug auf Radikalisierung besondere Herausfor derungen verursachen In diesem Zusammenhang werden Haftregime bei denen Terroristen wie in Frankreich und den Niederlanden gemeinsam in Hochsicherheitsabtei lungen abgesondert werden in der Li teratur weitgehend kritisch beurteilt Erforderlich sind in jedem Fall eine ge naue Beobachtung und ein gutes Ge fängnismanagement 7 Interessante Behandlungsansätze zeigen sich ins besondere in Großbritannien Die hier entwickelte Healthy Identity Inter vention bietet einen psychologi schen Ansatz der in zwei Versionen auf unterschiedlich stark radikalisierte Personen zielt Im Programm Al Fur qan wird Grundwissen über den Islam vermittelt ausgehend von der Annah me dass viele Dschihadisten religiöse Analphabeten sind 8 1 Herrmann Kriminalistik 2016 766 KrimLit ist abrufbar unter http www krimz de dokumentation krimlit datenbank 2 Pisoiu Journal Exit Deutschland 2013 41 44 ff 3 Basra Neumann Brunner Criminal Pasts Terrorist Futures European Jihadists and the New Crime Terror Nexus 4 Basra Neumann Brunner Criminal Pasts Terrorist Futures European Jihadists and the New Crime Terror Nexus Hannah Clutterbeck Rubin Radicalization or Rehabilitation 5 Wilner Dubouloz Global Change Peace Security 2010 33 45 ff 6 Basra Neumann Brunner Criminal Pasts Terrorist Futures European Jihadists and the New Crime Terror Nexus 7 Hannah Clutterbeck Rubin Radicalization or Rehabilita tion 8 Dean Prison Service Journal 2013 31

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