23forum kriminalprävention 3 2017 EXTREMISMUSPRÄVENTION Radikalisierung im Zeitalter von Social Media und Web 2 0 Arid Uka verübte am 2 März 2011 den ersten Terroranschlag mit islamis tischem Hintergrund in Deutschland in dessen Folge Menschen starben und schwer verletzt wurden Die Auf arbeitung des Falles beendete aus Sicht einiger Autorinnen und Autoren die Diskussion darüber ob extremisti sche Propaganda im Internet für Radi kalisierungsprozesse relevant ist Uka war kein Mitglied einer Terrorzelle und er hatte vor der Tat nach bisherigem Erkenntnisstand auch keine direkte Verbindung zum radikalen Milieu Schmidt 2012 In seinen Vernehmun gen behauptete er Uka dass er sich in nur wenigen Monaten über das In ternet und soziale Netzwerke radikali siert habe Steinberg 2012 Sicher ist dass auf Ukas Computern und mobilen Endgeräten zahlreiche Audiodateien und Filme gefunden wurden in denen religiöse Extremisten ihre Weltan schauung vertreten und zum bewaff neten Kampf gegen Andersdenkende aufrufen Im letzten Jahr kamen wei tere Fälle hinzu in denen die Attentä ter kurz vor ihren Taten noch mit Auftraggebern oder Unterstützern chatteten Dies gilt für die Attentäter Riaz Khan Ahmadzai Würzburg und Mohammed Daleel Ansbach im Juli 2016 und ebenso für den Berlin Atten Radikalisierung im digitalen Zeitalter Risiken Verläufe und Strategien der Prävention Dominic Kudlacek Nadine Jukschat Andreas Beelmann Nicole Bögelein Bernd Geng Edzard Glitsch Thomas Görgen Stefan Harrendorf Katrin Höffler Diana Kietzmann Bernd Dieter Meier Frank Neubacher Silke Schmidt Thomas Bliesener Der Beitrag beschreibt das vom Bundesministerium für Bildung und For schung geförderte Forschungsprojekt Radikalisierung im digitalen Zeitalter RadigZ in dessen Rahmen Radikalisierungsverläufe untersucht und Risiken für Radikalisierungsprozesse ermittelt werden Ein weiteres Ziel des Projektes besteht zudem in der Erarbeitung von neuen Präventionsansätzen und Handlungsempfehlungen die sich auf Radikalisierungsprozesse beziehen und Gefähr dungs potenziale des Internets als zentrales Verbreitungsmedium extremistischer Ideologien berücksichtigen täter Anis Amri im Dezember 2016 Weitere Beispiele finden sich im inter nationalen Kontext z B mit Blick auf die Attentate in Boston 2013 Orlando oder Nizza beide 2016 Doch nicht nur religiöse Extremisten radikalisie ren sich im Vorfeld von Anschlägen über das Internet So ist hier auch an den Fall des rechtsextremen Attentä ters Anders Behring Breivik aus Nor wegen zu denken der 2011 in Oslo und insbesondere auf der Insel Utøya An schläge verübte Sie alle bedienen sich des Internets als Medium von Propa ganda Auch die Geschwindigkeit mit der sich Teile der Bevölkerung im Zuge der sogenannten Flüchtlingskrise seit dem vorletzten Jahr über einschlägige Foren sowie Social Media Gruppen selbst bzw wechselseitig radikalisier ten ist bemerkenswert Die Zahl der rechtsextremen Gewalttaten ist in dem Zusammenhang stark angestie gen 1 Erst recht gilt dies für die Zahl der Angriffe auf Asylbewerberunter künfte 2 Dabei geraten als bisher un übliches Klientel für Radikalisierung auch ältere Personen jenseits der 25 erstmals mit Radikalisierungsmilieus in Kontakt Das verdeutlicht dass gerade die Verbreitung extremistischer Propa ganda über das Internet mit erhebli chen Gefahren für die zivile Sicherheit verbunden ist Das Internet ermög licht die unabhängige schnelle und kostengünstige Informationsübertra gung an eine Vielzahl von Adressaten und erlaubt extremistischen Organisa tionen die Durchbrechung der frühe ren medialen Isolation Freter und Zimpelmann 2015 Darüber hinaus dient das Internet nicht nur der einsei tigen Informationsübermittlung und Selbstdarstellung sondern es ermög licht auch die Interaktion und Kommu nikation sowie Vernetzung und hierar chiefreie Zusammenarbeit wodurch sich Radikalisierungsprozesse verstär ken und beschleunigen können Die sozialen Medien spielen insoweit eine herausgehobene Rolle nicht nur weil eine soziale Kontrolle des Kommunika tionsverhaltens durch das jeweilige soziale Umfeld Familie Schule Beruf hier nicht stattfindet sondern auch weil die soziale Korrektur durch exter ne Kontrollinstanzen erschwert ist Die aktuellen Bemühungen des Bun desjustizministeriums um die Entfer nung von Hassbotschaften auf Face book verdeutlichen das Gemeinte Entwurf eines Gesetzes zur Verbesse rung der Rechtsdurchsetzung in sozi alen Netzwerken NetzDG vom 5 April 2017 Verschiedene Übersichtsarbeiten zu bestehenden Präventionsmaßnah men zeigen bereits eine rege Aktivität im Feld der Extremismusprävention in Deutschland Gruber et al 2016 Traut mann et al 2017 El Mafaalani et al 2016 Die Qualität der Maßnahmen und ihre Verbreitung erweist sich je doch als heterogen insbesondere so die übereinstimmende Kritik fehlt es 1 Laut Verfassungsschutzbericht 2015 ereigneten sich 2015 918 fremdenfeindlich motivierte Gewalttaten mit rechtsextremistischem Hintergrund gegenüber 512 im Jahr 2014 2 Nach dem Verfassungsschutzbericht 2015 stieg die Zahl der rechtsextremistisch motivierten Angriffe auf Asylbewerberunterkünfte von 170 im Jahr 2014 auf 894 die Zahl der Gewalttaten darunter von 25 auf 153 die der Brandanschläge von 5 auf 75

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