27forum kriminalprävention 3 2017 EXTREMISMUSPRÄVENTION al 2006 Frindte und Neumann 2002 Maresch und Bliesener 2015 Derarti ge Einstellungs und Identitätsmuster entstehen psychologisch auf Basis von sozialen Kategorisierungsprozes sen Aus Sicht der Theorie der sozialen Identität streben Individuen nach ei ner positiven sozialen Identität über eine als positiv erlebte Gruppenzuge hörigkeit In dem Maße in dem posi tive Identifikation misslingt oder schwierig verläuft z B durch Aus schlusserfahrungen Desorientierung Fehlein schätzung von Gruppenzielen oder unflexible Identitätsbildung4 nehmen die Selbstunsicherheit und die Suche nach Möglichkeiten der Identitätsfindung in normativen und nicht normativen Bereichen zu vgl hierzu Tajfel und Turner 1986 Unsi cher oder instabil identifizierte Indivi duen stabilisieren ihren Selbstwert durch Herstellen einer als positiv er lebten Selbstwert förderlichen Dis tinktheit Abgrenzung oder gar Ab wertung von sozialen Fremdgruppen Radikale Ideologien bieten dabei den idealen Hintergrund für Ingroup Out group Kategorisierungen indem sie die dafür nötigen Stereotype zur Ver fügung stellen Sie begünstigen die Herausbildung einer positiven siche ren und stabilen sozialen Identität Vor allem dann wenn die eigenen Le bensumstände im Übrigen eher un günstig sind Staub 2001 Kommen nun reale oder gedachte gesellschaft liche Konflikte zwischen sozialen Gruppen im Entwicklungskontext empfundene Ungerechtigkeiten und die Bereitstellung von politischen Ideologien durch extremistische Gruppen hinzu sind die psychologi schen Voraussetzungen für Radika lisierungstendenzen gegeben Somit stellen auf personaler Ebene die Entwicklung von Vorurteilen und problematische Identifikationsprozes se sowie auf sozialer Ebene die Ver fügbarkeit von Ideologien und Glau benssystemen einen wichtigen Nähr boden für Radikalisierungsprozesse in der Adoleszenz dar Entsprechende Ideologien und Glaubenssysteme werden zumeist über deviante Grup pen Parteien extremistische Organi sationen bereitgestellt und über Me dien insbesondere das Internet verbreitet Die leichte und unkontrol lierte Verbreitung ist somit für junge Menschen bei denen sich in beson derer Weise Identitätsfragen stellen ein Risikofaktor der vor allem bei aus geprägten Vorurteilsstrukturen und ungünstiger Identitätsentwicklung 4 Hiermit ist gemeint dass Identifikationsprozesse nur anhand weniger und nicht oder nur sehr schwer zu ändernden Gruppenmerkmale geschieht z B nur anhand von Geschlecht oder Ethnie oder Nationalität seine Wirkungen entfalten kann In haltlich sollten Präventionsmaß nahmen gruppenbezogenen Vorur teilsmustern entgegenwirken um intergruppale Toleranz und sozial ak zeptierte Identitätsprozesse zu för dern Beelmann und Heinemann 2014 Darüber hinaus sollte über die Internetpropaganda extremistischer Gruppen mit ihren problematischen identitätsstiftenden Absichten aufge klärt werden um auf Risiken Absich ten und Hintergründe derartiger Por tale hinzuweisen Auch hier zeigen erste Studien dass entsprechende In ternetseiten bereits in der frühen Adoleszenz besucht und exploriert werden Beelmann und Karing 2015 Maresch und Bliesener 2015 Darüber hinaus gilt es jedoch auch Gegen maßnahmen mit Blick auf die Radikali sierung Älterer z B direkt im Internet durch die gezielte Ver breitung von counter narratives zu entwickeln Arbeitsplan Die im Projekt vorgesehenen Arbei ten lassen sich in acht Teilvorhaben unterteilen die in der Abbildung 1 schematisch dargestellt sind Im ersten Arbeitsschritt werden Szenarien der Radikalisierung sowie der Deradikalisierung nach gezeichnet Teilvorhaben TV I Im Fokus stehen dabei die Mechanismen welche die Übergänge zwischen Online und Offlinewelt sowie zwischen kognitivem und gewaltbereitem Ex tremismus be einflussen Geplant ist eine längsschnittliche Bio grafie und Netzwerkanalyse zu De Radikalisie rungsverläufen durchzuführen Hierfür sollen qualitative Interviews mit drei Gruppen von Be troffenen geführt werden 1 mit Nicht Ausstei gern Aktiven die bereits straffällig geworden sind 2 mit Aussteigern aus der Szene und 3 mit Rückkehrern aus Syrien und Personen die der salafistischen dschihadistischen Szene angehö ren oder angehörten Anhand einer qualitativen egozentrierten Netzwerkanalyse soll darüber hin aus untersucht werden welche Eigenschaften der Beziehungen zwischen Radikalisierten und deren Referenzpersonen relevant sind und welche Ei genschaften der Referenzpersonen in einem Ra dikalisierungsprozess von Bedeutung sind Zudem wird die Bedeutung von realweltlichen im Vergleich zu Onlinenetzwerken analysiert Auf die sem Weg soll auch ermittelt werden welche Be deutung den bereits existierenden Aussteigerpro grammen beigemessen wird Die Ergebnisse sollen auch der Überprüfung der inhaltlichen Vali dität von einschlägigen Prognoseinstrumenten zur Abschätzung von Gefährlichkeit dienen Alle erreichbaren Personen werden nach zwölf Mona ten erneut befragt um Veränderungen dokumen tieren zu können Im Rahmen von RadigZ soll zudem das Gefähr dungspotenzial von extremistischer Internetpro paganda in quantitativer Hinsicht ermittelt wer den TV II Im Fokus steht hier die Frage wie viele junge Menschen für extremistische Propaganda in Deutschland empfänglich sein könnten und was diese vulnerablen Personen kennzeichnet Radika lisierung wird im Rahmen des Projektes als Pro zess verstanden der von einer Vielzahl von psy chologischen und sozialen Faktoren bestimmt wird Folglich lassen sich belastbare Kennzahlen zum Ausmaß der Gefährdung am besten durch eine quantitative Mehrthemenbefragung erzielen Geplant ist daher die Akzeptanz ideologisch fun dierter Gruppengewalt und mögliche autoritäre Einstellungen zu erfassen sowie zugleich das sozi ale Umfeld der Befragten zu beleuchten Die in haltliche Gestaltung der Befragung wird dabei teil weise auf den Ergebnissen der Biografie und Netzwerkanalyse TV I basieren Die Kombination der Ergebnisse von TV I und TV II wird die Identifi kation von Vulnerabilitätsfaktoren sowie von Risi kogruppen ermöglichen Die Wirkungen radikaler computervermittelter Kommunikation in Foren und sozialen Netzwerken stehen im Mittelpunkt der qualitativen und quanti tativen Analyse internetbasierter Propaganda die in TV III geplant ist Basierend u a auf Annahmen des Social Identity Model of Deindividuation Effects Spears und Lea 1994 Spears und Postmes 2015 und des Social Identity Approach Tajfel und Turner 1986 Turner et al 1987 aber auch der wissensso ziologischen Diskursanalyse z B Keller 2011 sollen Kommunikationsprozesse im Internet beleuchtet und analysiert werden Ziel ist es zu klären in wel chem Ausmaß diese zur Annahme radikaler sozia ler Identitäten beitragen und einem weiteren Fortschreiten der Radikalisierung Vorschub leisten können Zudem sollen diesbezüglich besonders re levante Denk und Argumentationsfiguren identifi ziert sowie die einflussreichsten Akteure im Rah men der untersuchten Foren Chats und Gruppen ermittelt werden Um dies zu erreichen soll Text material und soweit relevant auch Bild und Vi deomaterial aus einschlägigen Foren Chats sowie Gruppen innerhalb sozialer Netzwerke ausgewer tet werden Methodisch wird auf eine qualitative und quantitative Inhalts Diskurs und Netzwerk analyse gesetzt Aus dem Teilvorhaben sollen zu dem Folgerungen für Präventionsmaßnahmen di rekt in Foren Chats und Social Media insbesondere durch sogenannte counter speech bzw counter narratives abgeleitet werden Im Rahmen von TV IV wird eine Analyse von Aufrufen zu extremistischen Gewalthandlungen und Straftaten über das Internet bzw über Social Media vorgenommen Explizite Aufrufe zu Strafta ten sind sowohl Indikatoren für eine fortgeschrit tene Stufe der Radikalisierung der Verfasser als auch Einflussfaktoren auf Radikalisierungsprozes se der Adressaten Das Teilvorhaben nimmt eine über Extremismen links rechts dschihadistisch hinweg vergleichende Analyse der Inhalte von Straftatenaufrufen im Hinblick auf Merkmale wie Verfasser Delikte Adressaten Tatanlässe und Legi timationsmuster oder die Einbindung handlungs praktischer Informationen in Angriff Darüber hin aus wird mittels einer Aktenanalyse untersucht welchen Niederschlag derartige Appelle in straf justiziellen Verfahren finden die unmittelbar Auf rufe zu Straftaten zum Gegenstand haben oder wegen extremistisch motivierter Gewalttaten ge führt werden bei deren Genese entsprechende Aufrufe von Bedeutung gewesen sein können Im Zuge von TV V soll die relative Wirksamkeit von potenziell radikalisierenden Botschaften mit einander verglichen werden z B vorgefertigte Internet Propaganda im Vergleich zu persönlicher Kommunikation in sozialen Netzwerken Hierzu ist vorgesehen mithilfe eines experimentellen Forschungsdesigns unterschiedliche radikale Hin weisreize Forentexte Bildmaterial persönliche Kommunikation einer Gruppe von Probanden auf dem Computer systematisch darzubieten Die Aufmerksamkeitsfokussierung auf sogenannte

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