4 forum kriminalprävention 3 2017 GEWALT AM ARBEITSPLATZ Bedrohung mit einer Waffe oder ei nem gefährlichen Gegenstand i S d 224 StGB bis zum Angriff damit spie len eine Rolle Auffällig ist hier die her ausgehobene Präsenz des gezielten Bewerfens mit Feuerwerkskörpern 60 8 aller Befragten haben das schon während ihrer Dienstzeit erlebt allein im Jahr 2014 waren es 20 8 siehe Abb 2 Auch Beschädigungen von Ausrüstungsgegenständen sowie Dienst KfZ werden regelmäßig ver zeichnet Unter den Prämissen dass erstens außer den Teilnehmern keine weiteren Einsatzkräfte der beteiligten Organisa tionen Viktimisierungserfahrungen im Befragungszeitraum gemacht haben und zweitens innerhalb der Cluster eine Normalverteilung gegeben ist ergeben sich aus den Angaben der Teilnehmer für die vier Städte die in der Abbildung 4 dargestellten Fallzah len Für den Vergleichszeitraum 2014 berichteten die Befragten dieser Stu die somit insgesamt von 4388 potenzi ell strafrechtlich relevanten Handlun gen die gegen sie im Jahr 2014 verübt worden sind ohne Beleidigungen und rein verbale Bedrohungen Davon entfielen 2107 Fälle auf Straftaten ein facher körperlicher Gewalt 1198 Fälle von Gewalt unter Beteiligung von Waf fen Feuerwerkskörpern oder Steinen und 896 Eigentumsdelikte Darüber hi naus wurden 168 Fälle von Freiheits beraubungen errechnet in denen Rettungskräften der Fluchtweg abge schnitten wurde oder sie eingesperrt worden sind Daraus ergibt sich eine Zahl von im Schnitt 3 3 Vorfällen pro befragter Per son in den Städten Hamburg und Ber lin in Köln 2 7 Vorfälle und in München 1 8 Vorfälle Die Befragten in München erlitten demnach im Schnitt fast 50 weniger Übergriffe und sonstige Straf taten als ihre Kollegen in Berlin und Hamburg in Köln immer noch 20 weniger als Berlin und Hamburg Insgesamt ist etwas mehr als jeder zweite Befragte 55 5 im Jahr 2014 Opfer irgendeiner Form von körperli cher Gewalt geworden Im Städtever gleich ergeben sich unterschiedliche Viktimisierungsraten vgl Abb 3 Bereits das Dunkelfeld der vier be leuchteten Städte übersteigt die offi ziellen Hellfelddaten um ein Vielfa ches Bei der Interpretation ist indes zu berücksichtigen dass durch die schwächere Beteiligung Berlins die Fallzahlen der Bundeshauptstadt im Verhältnis wahrscheinlich zu gering ausfallen Es ist anhand der übrigen Forschungsergebnisse davon auszu gehen dass Berlin und Hamburg in etwa ähnlich stark belastet sind Wie hoch die tatsächlichen Zahlen bundes weit sein könnten lässt sich nach wie vor nur erahnen Schon innerhalb der Feuerwehren selbst wird nur ein Bruchteil der Vorfälle überhaupt ge meldet Der Grund für die ausgeprägt geringe Anzeigebereitschaft ist in zwei Faktoren zu sehen Zum einen sorgen unklare oder verhältnismäßig aufwendige Meldewege für eine hohe Hemmschwelle insbesondere auf Wa chen mit einer hohen Einsatztaktung bleibt für Formalitäten wenig Zeit Zum anderen ist aber auch das Ver trauen der Einsatzkräfte darauf dass ihre Meldung oder Anzeige für den Tä ter Konsequenzen hat niedrig Diese Annahme wird durch die aktuelle Ein stellungspraxis der Staatsanwaltschaf ten weiter befeuert Über 60 der untersuchten Fälle bei denen Strafan zeige gestellt wurde wurden durch die Staatsanwaltschaft eingestellt auch wenn es sich dabei augenschein lich keineswegs um Bagatelldelikte handelte Als problematisch hat sich dabei die extensive Auslegung des un bestimmten Rechtsbegriffes des mangelnden öffentlichen Interesses zulasten der Rettungskräfte darge stellt Für die Einsatzkräfte entsteht so der fatale Eindruck an einer Strafver folgung des Täters sei die Justiz nicht interessiert mit der Folge erheblicher Frustration und Resignation Aus dieser kleinen Auswahl der Stu dienergebnisse ergeben sich bereits die zentralen weiterführenden Fra gen Was veranlasst Menschen dazu Feuerwehrleute und Notfallsanitäter anzugreifen und wie können wir Ein satzkräfte nicht nur vor Übergriffen sondern ggf auch vor psychischen und physischen Folgebelastungen be wahren Eine spezifische Form der Hasskriminalität Zunächst einmal muss man sich be wusst machen dass das Phänomen der Gewalt gegenüber Rettungskräf ten aus einer komplexen Struktur denkbarer Fallkonstellationen be steht deren unterschiedliche Motivla gen an die Präventionsmöglichkeiten unterschiedliche Anforderungen stel len Der Wurf von Steinen und Pyro technik auf einer Demonstration hat ebenso wie das Zerstechen von Reifen eines Notarztwagens einen anderen Tathintergrund als der spontane Faustschlag einer alkoholisierten Per son im Rettungswagen Grundsätzlich muss daher unter schieden werden zwischen Übergrif fen die vorsätzlich geplant und unab hängig vom Vorverhalten der Rettungskräfte verübt werden hier sind Bezüge zur sogenannten Hasskri minalität denkbar und solchen denen eher ein affekthafter Charakter zuzu schreiben ist und die durch eine vor herige Eskalation entstanden sind Denn ebenjene zweite Kategorie ist unter bestimmten Umständen einer gezielten Deeskalation noch zugäng lich Durch Körpersprache und profes sionelle Kommunikationsstrategien lassen sich einige brenzlige Situatio nen entweder wieder herunterfahren Abbildung 3 Erhobene Fallzahlen für das Vergleichsjahr 2014 Janina Lara Dressler Gewalt gegen Rettungskräfte Eine kriminologische Großstadtanalyse Reihe Kriminalwissenschaftliche Schriften Bd 54 2017 332 S 39 90 Euro br ISBN 978 3 643 13681 7
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