11forum kriminalprävention 4 2017 KULTURELLE BILDUNG UND PRÄVENTION einen moralischen Aspekt mit ein und erweitert auf diese Weise den straf rechtlichen Schuldbegriff um eine Rechtfertigung 1 Trotz des Deliktes Mord einem Delikt mala per se und so mit zu jeder Zeit und Kultur als ver werflich geltend vgl Schwind 2013 S 4 werden Rechtfertigungsgründe von den Inhaftierten für Tells Tat geäu ßert Sie beziehen sich dabei meist auf einen situativen Moment beziehen den Kontext nicht ein und lassen das Einnehmen einer Metaebene seitens der Inhaftierten vermissen Inhaftierter Zuschauer Der hat dann den erschossen vom Gesetz her hat er Fehler gemacht oder mo ralisch hat er das Richtige getan Inhaftierter Zuschauer Ja wir ha ben schon darüber geredet Es ist ja im Prinzip darum gegangen ob Tell ein Verbrecher ist oder nicht Oder Und in der heutigen Sicht von der heutigen Justiz ist er ganz sicher ein Krimineller Und auf die andere Seite wenn du die ganze Geschichte gesehen hast musst du aber sagen Ich denke jeder Famili envater oder jede Mutter würde re agieren wenn ihr Kind irgendwie be droht wird mit Tod und so Teilweise sind die Befragten jedoch in der Lage Handlungsalternativen für Tells Verhalten anzuführen die die Meinung über die Unschuld Tells je doch nicht verändert Wurde das Ver halten als Selbstjustiz und oder Mord in Bezug zur heutigen Gesetzgebung als illegitim dargestellt verbleiben die meisten Befragten bei der Unschuld Tells Der moralische Aspekt über wiegt Dieser Bereich des Stückes bie tet sich für die Deliktarbeit an Bei der Deliktarbeit oder generell der rückfall präventiven Arbeit geht es darum dem Delinquenten Handlungsalterna tiven aufzuzeigen Bezogen auf Tell könnte folgendermaßen mit den In haftierten gearbeitet werden Tells Tat wird von den Inhaftierten moralisch gerechtfertigt Eine Handlungsalter native wäre jedoch gewesen dem Landvogt Respekt zu zollen und somit den eigenen Stolz zu umgehen Ähnli ches wird von der Arbeit mit Bezug zu den Delikten berichtet Delinquente tendieren dazu Rechtfertigungen einzubringen etwa den Tatanteil zu relativieren moralisch zu rechtferti gen oder aber dem Umfeld eine Teil schuld zuzuordnen Sozialarbeitende und Therapeuten hätten hier die Chance den Inhaftierten damit zu konfrontieren dass es immer auch Handlungsalternativen gibt und Tell eine Abwägung gemacht hat Der Wert Stolz wurde von Tell wichtiger er achtet als seinen Sohn zu beschützen Hier können Bezüge zur Delinquenz der Inhaftierten gezogen werden in dem die geringe Reichweite und Erklä rungskraft von deterministischen Handlungsweisen die zur Straftat ge führt haben entkräftet werden Die Handlungsalternative und Einsicht sich gegen eine Straftat zu entschei den trotz Gruppenzwang finanziellen Nöten Verletzung von Ehrgefühlen oder sonstigen Gründen und hierfür Handlungskompetenzen zu entwi ckeln ist das Ziel von rückfallpräventi ver Deliktarbeit Handlungsmuster aus dem Stück können im Nachgang mit den Teilnehmern diskutiert werden und auf die eigene Delinquenz über tragen werden Coco es geht so schnell mit ei nem Fehler den perfekten Raub gibt s den habe ich auch schon ge macht lacht Vor 20 Jahren Den gibt s den gibt s wirklich Interviewer Hätten Sie Handlungs optionen gehabt Hätten Sie da anders handeln können Coco Ja sicher Ich hätte können ich hätte nur nein sagen können Das Thema Rechtfertigung von De likten ist zentral bei Tell und auch bei den Inhaftierten mit Blick auf deren Resozialisierung Darüber hinaus bie tet das Theaterstück noch weitere An knüpfungspunkte wie etwa Reflexio nen zum Rechtsystem eines Landes der Judikative Einsicht in die Tatbetei ligung und die Akzeptanz von Schuld und Strafe All diese Aspekte werden im Theaterstück thematisiert und kön nen mit den Inhaftierten im Nachgang reflektiert werden Zusammenfassung und Ausblick Für die inhaftierten Schauspieler ist die Unterbrechung des Haftalltages eine Förderung des Selbstwertes neue Kontakte und das Zusammen wachsen in der Gruppe zentral wobei auch der Kontakt zur Welt draußen eine Rolle spielt Theaterpädagogik im Strafvollzug kann einen Beitrag zur Resozialisierung leisten wobei insbe sondere eine Nachbereitung durch geschulte Mitarbeiter im Bereich der deliktpräventiven Arbeit grundlegend sein sollte Die Anknüpfungspunkte für eine Auseinandersetzung mit den Bereichen Schuld Straffälligkeit Rechtfertigung von Schuld sind viel fältig und können zudem auf die eigenen Delikte übertragen werden Aktuell findet eine pädagogisch the rapeutische Nachbereitung die diese Auseinandersetzung fördern könnte zu diesem Theaterstück jedoch noch nicht statt Aufgrund der großen Nachfrage könnte die Anstaltsleitung nur diejenigen Inhaftierten als Zu schauer einladen die auch bereit wären im Nachgang bei einer Art Workshop im Sinne einer Auseinan dersetzung mit den strafrechtlich re levanten Aspekten des Stücks teilzu nehmen und auch begleitend Aspekte von Schuld und Strafe mit den Teilneh mern des Theaterstücks bearbeiten Im Rahmen der Interviews fand eine solche Reflektion statt Hier kann und sollte nicht von einer Wirkung gespro chen werden jedoch zeigen die Inter views dass die Inhaftierten in der Lage sind und auch gewillt sich mit ihrer Straftat auseinanderzusetzen In den meisten Settings des Strafvollzugs be steht hierfür kein Raum Viele Inhaf tierte haben keinen Therapeuten die Sozialarbeitenden haben ggf zu we nig Zeit und während der Arbeit und dem Sport ist die Auseinandersetzung mit diesen Bereichen nicht vorgese hen Theaterpädagogik kann nachhaltig wirken wenn diese nicht nur als Un terhaltung verstanden wird sondern thematisch gezielt ausgewählt und entsprechend professionell begleitet wird Dr Melanie Wegel ist Dozentin und Projektleiterin der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW Departement Soziale Arbeit Institut für Delinquenz und Kriminalprävention Kontakt wege zhaw ch Maria Kamenowski Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der ZHAW Kontakt kame zhaw ch Andrea Barbara Hartmann Wissenschaftliche Assistentin an der ZHAW Kontakt hata zhaw ch Roger Hofer Dozent an der ZHAW Kontakt hofo zhaw ch 1 Der strafrechtliche Verbrechensbegriff kennt ausschließlich eine Tatschuld und bezieht sich auf Handlungen die gegen das Gesetz verstoßen vgl Schwind 2013 3 ff Bildnachweis Theaterprojekt JVA Lenzburg
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