25forum kriminalprävention 4 2017 KRIMINALPOLITIK 3 Fehlende Aktualisierung der Erhebungsmerkmale in den Strafrechtspflegestatistiken Auch die Inhalte der Strafrechtspfle gestatistiken werden mangels bun desgesetzlicher Grundlage nicht durch Gesetz bzw Durchführungsver ordnung festgelegt Vielmehr werden sie in statistikspezifischen Ausschüs sen der Länder und des Bundes ausge handelt Dringend angesagte Anpassungen der Merkmalskataloge an neue Frage stellungen sowie der Aufberei tungsverfahren an die gewandelten technisch organisatorischen Rahmen bedingungen sind weitgehend unter blieben unter anderem infolge unter schiedlicher Interessenlagen in bzw zwischen den Ländern oder zwischen den Ländern und dem Bund Die Umsetzung der kriminalpoliti schen Reformen der letzten 50 Jahre kann mit den verfügbaren statisti schen Daten nur zu einem sehr klei nen Teil nachgewiesen werden Anschauliches Beispiel für die Fol gen Die Bundesregierung sah sich ge nötigt die Große Anfrage zum Ju gendstrafrecht im 21 Jahrhundert überwiegend dahingehend zu beant worten es lägen ihr keine empirischen Erkenntnisse vor weil keine entspre chenden statistischen Daten erhoben würden vgl BT Drs 16 13142 vom 26 5 2009 4 Lückenhaftes Datenmaterial zu kriminalpolitisch relevanten Eckdaten Das derzeit verfügbare Datenmate rial der amtlichen Kriminal und Straf rechtspflegestatistiken genügt den Anforderungen für eine auf Präventi on ausgerichtete evidenzbasierte Kri minalpolitik weitgehend nicht Pointiert führt diesen Mangel die in der Wissenschaft verbreitete Formu lierung von einer Kriminalpolitik im Blindflug vor Augen Viele Befunde fehlen die für die Beantwortung wich tiger Fragen unerlässlich sind So ist beispielsweise unbekannt ob der Anstieg der polizeilich regis trierten Kriminalität einen realen Kriminalitätsanstieg widerspiegelt oder ob lediglich mehr angezeigt wird wie die deliktspezifische Einstel lungspraxis der Staatsanwaltschaf ten in Abhängigkeit von Merkmalen der Beschuldigten wie z B Alter oder Vorbelastung ausgeprägt ist wie häufig Verurteilungen im Straf befehlsverfahren erfolgen oder nach Hauptverhandlung mit oder ohne Verständigung im Strafverfahren weshalb nur ein geringer Teil der Ge walttäter auch wegen solcher Delik te verurteilt wird derzeit z B nur in 20 der wegen eines vorsätzlichen Tötungsdelikts ermittelten Tatver dächtigen wie viele Geldstrafen notleidend werden und wie viele Personen jähr lich eine Ersatzfreiheitsstrafe verbü ßen wie lang die durchschnittliche Dauer von U Haft ist wie lang die durchschnittliche Dauer von lebenslanger Freiheitsstrafe ist bei wie vielen Gefangenen eine vor behaltene oder nachträgliche Siche rungsverwahrung vollstreckt wird wie hoch die Rückfallraten nach Ver urteilung ausfallen einerseits spe zifisch nach Delikten andererseits spezifisch nach Merkmalen der Verur teilten Bei den sehr verdienstvollen bisherigen bundesweiten Legalbe währungsstudien die im Auftrag des BMJV durchgeführt wurden handelt es sich um wissenschaftliche For schungsprojekte ohne sichere Grund lage für die Zukunft nicht aber um re gelmäßige amtliche Statistiken Vorschlag zur Abhilfe der festgestell ten Defizite Die inhaltlich und regional lücken haften sowie unverbunden nebenein anderstehenden Kriminal und Straf rechtsstatistiken sollten deshalb ergänzt werden insbesondere durch regelmäßig bundesweit durchge führte Dunkelfeldstudien zu Tätern und Opfern personenbezogene Beschuldigten und Rückfallstatistiken sowie eine verbesserte Strafvollzugsstatistik Ferner sollten die Erhebungsmerk male dem gegenwärtigen Stand der kriminalpolitischen Reformen ange passt und ihre Aktualisierung durch Durchführungsverordnungen verein facht werden Das wird durch ein Bundesgesetz d h durch ein vom Bundesministerium der Justiz und Verbraucherschutz vorzubereitendes Strafrechtspflegestatistikgesetz zu verwirklichen sein 5 Fehlende Verlaufsstatistik Infolge des dargestellten Umstan des dass die verfügbaren Statistiken unverbunden sind kann beispielswei se nicht ermittelt werden weshalb nur 20 der wegen eines vorsätzli chen Tötungsdeliktes ermittelten Tat verdächtigen auch wegen eines derar tigen Deliktes rechtskräftig verurteilt werden Um hier Aufklärung schaffen zu kön nen bedarf es einer Verlaufsstatistik Diese ist dergestalt umzusetzen dass ermittelt werden kann in welcher Ins tanz Staatsanwaltschaft Gericht und aus welchen Gründen der polizeiliche Tatverdacht geändert wird Im digitalen Zeitalter erfordert die Planung und Verwirklichung einer Ver laufsstatistik zwar organisatorischen und finanziellen Aufwand stellt je doch methodologisch und informati onstechnisch kein unüberwindbares Problem dar 6 Fehlende zusammenfassende Berichterstattung Das Bild der Kriminalität wird von den Daten der Polizeilichen Kriminal statistik geprägt also von der Situati on des Verdachts Die staatlichen Re aktionen die ihren Niederschlag in den Strafrechtspflegestatistiken fin den werden in der Öffentlichkeit zu meist nur bei Extremfällen beachtet Eine beachtliche Ausnahme von dieser Regel gab es in Deutschland bislang nur durch den Periodischen Sicherheitsbericht der Bundesregie rung Er war leider nur zweimal in den Jahren 2001 und 2006 unter gemeinsa mer Federführung von BMI und BMJV erarbeitet worden und wurde zu Recht verbreitet als umfassende und bewährte kriminalpolitische Bestands aufnahme betrachtet Die Ursachen bzw rechtspolitischen Gründe für den Abbruch der Periodizität wurden niemals öffentlich bekannt Da der Periodische Sicherheitsbe richt nur auf einer Koalitionsverein barung beruhte konnte ebenso wie bei den lediglich auf Verwaltungsan ordnungen beruhenden Strafrechts pflegestatistiken von seiner Fortfüh rung begründungslos abgesehen werden Vorschlag für eine Koalitions vereinbarung zur Optimierung der bestehenden Kriminal und Strafrechtspflegestatistiken in der 19 Wahlperiode Erste Schlussfolgerung Ein Periodischer Sicherheitsbericht sollte in der 19 und in jeder weiteren Wahlperiode vorgelegt werden Für

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