36 forum kriminalprävention 4 2017 EXTREMISMUSFORSCHUNG 1 Aktueller gesellschaftlicher und politischer Bezug Kontextualisierung Die Präsenz extremistischer und menschenfeindlicher Inhalte im virtu ellen Raum hat innerhalb der letzten beiden Dekaden stetig zugenommen wobei sich das Internet parallel von ei nem reinen Rezeptions zu einem Interaktionsmedium entwickelt hat Früher mussten extremistische Grup pen erhebliche Ressourcen mobilisie ren um Propagandaerfolge zu erzie len Heute brauchen sie dazu nur wenige Klicks und kaum technische Kenntnisse um Facebook YouTube oder Twitter zu infiltrieren Diese hochfrequentierten sozialen Online netzwerke werden von einem Großteil der Kinder und Jugendlichen für ihr alltägliches Informations Bezie hungs und Identitätsmanagement genutzt Cortesi Gasser 2015 Wei mann 2015 Die Forschungsevidenz spricht für die These dass das Web 2 0 es Menschen leichter macht im Inter net auf radikale Milieus zu stoßen in sie einzutauchen und so möglicher weise in eine gewalttätige Szene zu geraten Conway 2012 S 293 Analyse extremistischer Bestrebungen in sozialen Netzwerken Nils Böckler Eva Groß Mirko Allwinn Günter Dörr Christoph Igel Stefan Jarolimek Annika Pflug Martin Steinebach Jens Hoffmann Kristin Weber Kerstin Eppert Viktoria Roth Andreas Zick Der Beitrag beschreibt den vom Bundesministerium für Bildung und For schung BMBF geförderten Forschungsverbund Analyse extremistischer Bestrebungen in sozialen Netzwerken X SONAR Der Verbund erforscht extremistische Interaktions und Eskalationsdynamiken in sozialen Online netzwerken und deren Bedeutung für strafrechtlich relevante Radikalisie rungsverläufe wie beispielsweise in der Planung und für die Durchführung von extremistischen Gewalttaten Ziel ist es unter anderem ein Modell zur Risikoeinschätzung und Gewaltprävention abzuleiten sowie einen Demons trator für ein softwaregestütztes Instrument zu entwickeln das von End nutzern innen aus Sicherheitsbehörden und Zivilgesellschaft zum anlassbe zogenen Monitoring extremistischer Agitation in virtuellen Kontexten genutzt werden kann Aus sicherheitspolitischer Perspek tive werden Fragen nach den Ursa chen und Determinanten von Radika lisierungsprozessen im Internet spätestens dann relevant wenn am Ende dieser Entwicklungen staats schutzrelevante Delikte stehen Dazu zählen unter anderem politisch moti vierte Attentate durch Einzeltäter in nen oder kleine Gruppen die Ausreise junger Menschen nach Syrien bzw in den Irak Konfrontationsgewalttaten oder Brandanschläge auf Flüchtlings heime Die Logik sozialer Onlinenetz werke harmoniert dabei mit dem Stra tegiewechsel einiger extremistischer Gruppierungen die dazu übergegan gen sind Gewalttaten nicht mehr selbst bis ins Detail vorzubereiten sondern vielmehr Individuen die sich lose mit der Ideologie identifizieren aus der Distanz zu eigenmächtigen Handlungen im Sinne der Gruppe zu bewegen Böckler Zick 2015 Derarti ge Kommunikationsprozesse konnten wiederkehrend in zeitlicher Nähe zu realweltlichen Gewalttaten beobach tet werden Solche Täter innen schei nen sich zunehmend aus polizeilich nicht auffälligen Milieus zu rekrutieren Nicht selten lässt sich nach Attenta ten egal ob aus dem rechtsextremen oder islamistischen Spektrum die Ge nese von Fan bzw Sympathisant in nengruppen im Internet beobachten Böckler et al 2013 a Letzteres ist auch ein Beispiel dafür wie mühelos sich Einzelpersonen in kürzester Zeit zu sog Bottom up Hategroups ver netzen können Auch Bewegungen wie PEGIDA und HoGeSa sind über das Internet ins Leben gerufen worden und nutzen es strategisch zur Rekru tierung und Mobilisierung ihrer Mit glieder wobei die Erhaltung und Aus bildung einer virtuellen sozialen Identität durch eine effektive Organi sation zu gelingen scheint Das Inter net ist der Kontext kollektiver Radika lisierung in dem sich Menschen unabhängig von Ort und Zeit entspre chend gemeinsamer Interessen Ein stellungen und Bedürfnisse zusam menfinden in dem sich Emotionen aufschaukeln und Meinungen polari sieren Gleichzeitig werden diese Diskurse damit anfällig für die Unter wanderung durch extremistische Bewegungsakteure innen oder Grup pen 2 Forschungsdesiderata In Anbetracht der herausfordern den Fragen möchte X SONAR einen Beitrag leisten durch 1 grundlagenwissenschaftlich be gründete Phasen bzw Eskalations modelle zur Verdichtung individuel ler bzw kollektiver Ra di ka li sie rungs prozesse und daraus abgeleitete praxisrelevante Indikatoren zur a Früherkennung sowie zur b dyna mischen Risikoeinschätzung von Radikalisierungsprozessen im virtu ellen Raum 2 ein softwaregestütztes Instrumen tarium zur a ressourcensparenden Analyse staatsschutz relevanter Netzwerkstrukturen und Diskurse sowie zur b strukturierten Ein schätzung und zum Management von individuellen wie kollektiven Ra dikalisierungsdynamiken

Vorschau DFK forum kp 04-2017 Seite 38
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