21forum kriminalprävention 1 2018 HÄUSLICHE GEWALT Ein Blick auf Opfer im Strafverfahren In verschiedenen Studien wurde untersucht welche Bedürfnisse und Erwartungen Opfer an ein Strafverfah ren haben So fasste die Europäische Kommission zusammen dass Opfer das Bedürfnis auf Anerkennung und respektvolle Behandlung haben das Bedürfnis nach Schutz vor weiteren Straftaten und Belastungen das Be dürfnis nach Unterstützung das Be dürfnis ihre Rechte in Anspruch zu nehmen und das Bedürfnis auf Ent schädigung und Schadensersatz 1 Baurmann und Schädler befragten 1991 unter anderem Gewaltopfer di rekt nach einer Anzeige bei der Polizei zu ihren Erwartungen und mussten feststellen das 72 der Befragten nicht wussten wie das Verfahren nach der Anzeige weitergeht und das ob wohl sich 43 9 durch die Polizei in formiert und 19 3 sogar gut infor miert fühlten 2 Die meisten Opfer beschreiben diese Unklarheiten als sehr belastend Sie wissen nicht was noch auf sie zu kommt wie lange es dauert bis irgend etwas passiert sie wissen nicht ob es zu einem Gerichtsverfahren kommt oder nicht sie wissen nicht ob sie dem Beschuldigten vor Gericht begegnen müssen oder nicht ob sie aussagen müssen oder nicht und vieles mehr Psychosoziale Prozessbegleitung Unterstützungsmöglichkeiten für Opfer häuslicher Gewalt Stefanie Walter Als Mitarbeiterin einer Frauenberatungsstelle bei häuslicher Gewalt und Stalking erlebe ich immer wieder mit welcher Unsicherheit und Angst die Opfer einem Strafverfahren begegnen Schon die Straftat führt bei den meisten Betroffenen zu Gefühlen der Ohnmacht Hilflosigkeit und Schutzlo sigkeit Sie erleiden Verletzungen Bedrohungen Grenzüberschreitungen und Fremdbestimmung Gefährdung oder Missachtung um nur einige Beispiele zu nennen Typischerweise gehen damit auch das Erleben von Selbstunwirksam keit Scham und Schuldgefühle Sprachlosigkeit ein Verlust des Vertrauens in die Welt oder das Gefühl erlittenen Unrechts einher In diesem Beitrag werden die Psychosoziale Prozessbegleitung die den Opfern im Strafverfahren Beistand leisten kann und ihre Voraussetzungen erläutert Baurmann und Schädler konnten drei Grundbedürfnisse der Opfer von Gewalttaten identifizieren psychische Unterstützung rechtliche Beratung und Unterstützung bei der Erledigung von Formalitäten sowie eine effektive Prävention um gegen erneute Vikti misierung geschützt zu sein Stärkung der Opferrechte im Strafverfahren Am 31 Dezember 2015 trat das Ge setz zur Stärkung der Opferrechte im Strafverfahren 3 Opferrechtsreform gesetz in Kraft Deutschland setzte hiermit die Richtlinie 2012 29 EU des Europäischen Parlaments und des Ra tes vom 25 Oktober 2012 über Min deststandards für die Rechte die Un terstützung und den Schutz von Opfern von Straftaten sowie zur Er setzung des Rahmenbeschlusses 2001 220 JI ABl L 315 vom 14 Novem ber 2012 S 57 in nationales Gesetz um 3 Durch dieses 3 Opferrechtereform gesetz wurde in der Strafprozessord nung StPO als neuer 406g StPO die Psychosoziale Prozessbegleitung in Strafverfahren eingeführt und darü ber hinaus das Gesetz über die psy chosoziale Prozessbegleitung im Straf verfahren PsychPbG beschlossen welches bundeseinheitlich die Grund sätze der Psychosozialen Prozessbe gleitung die Anforderungen an die Qualifikation Psychosozialer Prozess begleitpersonen sowie die Vergütung ihrer Tätigkeit regelt Seit 1 Januar 20174 haben Verletzte also Opfer einer Straftat das Recht sich des Beistands eines psychosozia len Prozessbegleiters zu bedienen Dem psychosozialen Prozessbegleiter ist es gestattet bei Vernehmungen des Verletzten und während der Hauptverhandlung gemeinsam mit dem Verletzten anwesend zu sein 5 Dieser grundsätzliche Rechtsan spruch ist aus Sicht der Opfer und auch der Opferunterstützungseinrich tungen ein wahrer Meilenstein Ver letzte einer Straftat werden nicht mehr als bloßes Beweismittel be trachtet sie werden als Verfahrensbe teiligte mit eigenen Bedürfnissen und Rechten begriffen 406g Abs 3 StPO regelt auch für welche Opfer und bei welchen Straftatbeständen die Beiordnung ei ner Psychosozialen Prozessbegleitung infrage kommt Grundsätzlich unter scheidet das Gesetz bei den Verletzten zwischen zum Tatzeitpunkt Minder jährigen und Volljährigen Minderjährigen ist bei bestimmten Straftaten Katalogtaten nach 397a Abs 1 Nr 4 StPO und 397a Abs 1 Nr 5 StPO z B sexueller Missbrauch Miss handlung von Schutzbefohlenen schwere Körperverletzung u a auf Antrag eine Psychosoziale Prozessbe gleitung schon aufgrund ihres Alters beizuordnen Volljährigen wird hier nur dann Beistand gewährt wenn sie ihre Interessen nicht ausreichend selbst wahrnehmen können 6 1 Vgl Mitteilung der Europäischen Kommission Stärkung der Opferrechte 18 Mai 2011 KOM 2011 274 endgültig 2 Vgl Baurmann Schädler Das Opfer nach der Straftat seine Erwartungen und Perspektiven Bd 22 1999 3 Vgl Bundesgesetzblatt Jahrgang 2015 Teil I Nr 55 ausgegeben zu Bonn am 30 Dezember 2015 2525 4 PsychPbG und 406g StPO sind abweichend von den anderen Bestimmungen des 3 Opferrechtsreformgeset zes erst zum 1 Januar 2017 in Kraft gesetzt worden 5 Bundesgesetzblatt Jahrgang 2015 Teil I Nr 55 ausgegeben zu Bonn am 30 Dezember 2015 2526 6 Bundesgesetzblatt Jahrgang 2015 Teil I Nr 55 ausgegeben zu Bonn am 30 Dezember 2015 2526

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