37forum kriminalprävention 1 2018 JUGENDSTRAFRECHT Einleitung und Problemdarstellung Die Frage wer die Kompetenz und die Steuerungsverantwortung für die Anordnung ambulanter Maßnahmen im Rahmen eines Jugendstrafverfah rens innehat ist ein scheinbar altes Problem das schon seit vielen Jahren diskutiert wird Bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Kinder und Jugendhilfe KICK im Jahr 2005 waren Anordnungskompe tenz und Kostentragungspflicht für Auflagen und Weisungen gemäß 10 15 JGG ungeregelt Nach gängiger wenn auch nicht unumstrittener Pra xis lag die Anordnungskompetenz beim Jugendrichter während die fi nanziellen Folgen nicht dem Verurteil ten auferlegt sondern von den Trä Probleme bei der Anordnung ambulanter jugendstraf rechtlicher Maßnahmen Der Kompetenzkonflikt zwischen Jugendgericht und Jugendamt in 36a SGB VIII Sophie Christine Hebbinghaus Volker Kunkel Das Jugendstrafverfahren wird durch den Erziehungsgedanken dominiert Er bestimmt vorrangig die Auswahl der Sanktionen Der Katalog an ambulanten Einwirkungsmöglichkeiten ist groß und soll diesem Gedanken bestmöglich Rechnung tragen Wer die Letztentscheidungskompetenz zur Anordnung solcher Maßnahmen innehat bestimmt seit der Neuregelung im Jahr 2005 36a SGB VIII der äußerlich im Gewand einer Kostentragungsregel daher kommt Die Regelung führt in der Praxis insbesondere bei Nichterscheinen der Jugendgerichtshilfe in der Hauptverhandlung zu einem Konflikt der im Widerspruch zu dem Grundgedanken des JGG steht und dringend einer korrigierenden Neuregelung durch den Gesetzgeber bedarf gern der Jugendgerichtshilfe den Kommunen übernommen wurden Der durch die Gesetzesänderung im Jahr 2005 eingeführte 36a SGB VIII re gelt nun in Abs 1 dass das Jugendamt die Kosten solcher Maßnahmen nur dann trägt wenn es sich selbst zu de ren Durchführung entschlossen hat Unabhängig von der Frage ob es sich dabei um eine rein deklaratorische Kostentragungsregelung handelt hat sie einen erheblichen Steuerungsef fekt auf die mit der Finanzierungsver antwortung eng verknüpfte Frage der Anordnungskompetenz Der Gesetz geber hat dabei ausdrücklich darauf hingewiesen dass die Verantwortung des Jugendamtes gerade auch dann gelten soll wenn Jugendliche und jun ge Volljährige vom Jugendrichter zur Inanspruchnahme von Hilfen ver pflichtet werden Diese Neuregelung hat Wellen in der Literatur geschlagen und im Jahr 2006 auch das Bundesverfassungsge richt erreicht 1 Dabei bildet das Meinungsspektrum sowohl die Frage der Verfassungsmä ßigkeit der Regelung insbesondere gemessen am Grundsatz der in Art 97 GG garantierten richterlichen Unab hängigkeit als auch allgemeine Prak tikabilitätserwägungen ab 2 Beleuchtet man allgemeine nicht verfassungsrechtlich motivierte As pekte so zeigt sich dass 36a SGB VIII mehr als nur eine reine Kostentra gungsregelung ist Sie ist die zentrale Vorschrift die sich im Bereich des Ju gendstrafrechts mit dem Verhältnis zwischen Justiz und Jugendhilfe be schäftigt Die folgenden Gedanken sol len aufzeigen dass die Anwendung der Norm in der justiziellen Praxis Pro bleme aufwirft Dies soll eine Diskussi on befördern an deren Ende die Er kenntnis stehen sollte dass eine Neuregelung dieser gewichtigen Re gelung erforderlich ist Literaturmeinungen und Praktikabilitätserwägungen Verfassungsrechtliche Erwägungen Die Frage ob die Neuregelung des 36a SGB VIII aufgrund eines Verstoßes gegen Verfassungsrecht einer Berech tigung bereits entbehrt wird in der Literatur rege diskutiert 3 Für eine sol che Einschätzung spricht jedenfalls dass in die Entscheidungskompetenz des Jugendrichters eingegriffen und ihm die Möglichkeit genommen wird 36a Steuerungsverantwortung Selbstbeschaffung Sozialgesetzbuch SGB Achtes Buch VIII Kinder und Jugendhilfe 1 Der Träger der öffentlichen Jugendhilfe trägt die Kosten der Hilfe grund sätzlich nur dann wenn sie auf der Grundlage seiner Entscheidung nach Maß gabe des Hilfeplans unter Beachtung des Wunsch und Wahlrechts erbracht wird dies gilt auch in den Fällen in denen Eltern durch das Familiengericht oder Jugendliche und junge Volljährige durch den Jugendrichter zur Inan spruchnahme von Hilfen verpflichtet werden Die Vorschriften über die Her anziehung zu den Kosten der Hilfe bleiben unberührt 2 3 1 Bundesverfassungsgericht Beschluss vom 11 1 2007 2 BvL 7 06 11 1 2007 AG Eilenburg Beschluss vom 23 2 2006 2 Franzen 2008 S 17 Bareis 2006 S 12 3 Möller Schütz 2007 S 282

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