38 forum kriminalprävention 1 2018 JUGENDSTRAFRECHT Rechtsfolgen anzuordnen die im Ju gendgerichtsgesetz ausdrücklich vor gesehen sind Von diesem Leitgedan ken ausgehend werden insbesondere Verstöße gegen die richterliche Unab hängigkeit in Art 97 GG den verfas sungsrechtlichen Richtervorbehalt in Art 92 GG welcher eine verbindliche Letztentscheidungskompetenz über strafrechtliche Folgen beinhaltet und eine Verletzung von Art 104 GG debat tiert 4 Im Jahr 2006 hat das Amts gericht Eilenburg diese Frage dem Bundesverfassungsgericht zur Ent scheidung vorgelegt 5 Auch wenn der Antrag aus Zulässigkeitsgesichtspunk ten erfolglos blieb äußerte sich das Bundesverfassungsgericht auch zu Begründetheitsaspekten und ließ zu rückhaltend durchblicken dass es von der Verfassungsmäßigkeit der Norm ausgeht Die Entscheidung wurde wie derum in der Literatur scharf kriti siert 6 Ob die Norm tatsächlich im Wi derspruch zu dem Grundgesetz steht soll hier nicht weiter diskutiert wer den Dies kann nämlich jedenfalls dann dahinstehen wenn sie bereits nicht praktikabel ist Literaturstimmen zur Zweck und Gesetzmäßigkeit Die Praxistauglichkeit der Vorschrift spiegelt insbesondere die Fragen wie der wer fachlich geeignet ist die Leis tungen in Form von Auflagen und Wei sungen anzuordnen und wie die Anordnung in der jugendstrafrechtli chen Praxis tatsächlich vonstatten geht Von einigen Autoren wird dazu die These aufgestellt Jugendrichter seien fachlich nicht dazu geschult Auflagen und Weisungen optimal anzuordnen da ihnen die pädagogische Kompe tenz fehle sie seien schließlich Juris ten In diesem Sinne befürwortet Trenczek die Regelung des 36a SGB VIII JGG und SGB VIII ermöglichten eine geradezu optimale Kooperation zwi schen Justiz und Jugendgerichtshilfe sofern beide Seiten für ein Umdenken bereit seien 7 Dazu gehöre auch dem Jugendamt die fachgerechte Wahr nehmung seiner Aufgaben zu ermög lichen die Justiz müsse im Hinblick auf den Erziehungsgedanken lernen loszulassen Zu Konflikten mit der Strafjustiz komme es nur wenn diese einer justiziellen Sichtweise sozialpäd agogischer Aufgaben verhaftet bliebe und die Ziele und Aufgaben des Ju gendstrafrechts verkannt werden Vertreter dieser Meinung verken nen laut Wiesner dass die Frage der vermeintlich höheren fachlichen Kompetenz im Zusammenhang mit der richterlichen Entscheidungsfin dung irrelevant ist 8 So stellt er fest dass Richtern generell eine besondere Qualifikation die sie zu derartigen Entscheidungen befähigen würde fehlt Es gehöre zu dem Richterberuf auch nicht rechtliche fachspezifische Fragen zu entscheiden so zum Bei spiel auch bei den Patent und Finanz gerichtsbarkeiten Warum sollte also gerade im Bereich des Jugendstraf rechts die fehlende pädagogische Ausbildung zu einer Verlagerung der Kompetenzen führen Fehlt die eige ne Sachkunde muss der Richter sie durch Einschaltung eines Sachver ständigen hier eben eines Pädago gen erwerben Darüber hinaus darf nicht verges sen werden dass auch gerade die Sparpolitik Anlass zu dieser Gesetzes änderung gegeben hat In einigen Bundesländern hat die Neuregelung bereits dazu geführt dass Vertreter der Jugendgerichtshilfe in jugendge richtlichen Hauptverhandlungen kei ne Maßnahmen vorschlagen durch welche den Kommunen unerwünsch te Kosten entstehen 9 Es drängt sich die Frage auf inwie fern die pädagogische Kompetenz im Rahmen der Anordnung relevant ist wenn der Wunsch der Kostenersparnis der Kommunen mithin fiskalische Er wägungen letztendlich zu einem Kon flikt führen der im Widerspruch zu den Intentionen des JGG steht Kritischer Blick in die Praxis Bereits 2006 äußerte Sonnen die Be fürchtung dass sich unter dem Deck mantel der Steuerungsverantwortung ein Instrument zur Kostenersparnis verbirgt 10 Aus den Erfahrungen der jugendrichterlichen Praxis lässt sich feststellen Einige Jugendämter haben 4 Bareis 2006 S 12 5 Bundesverfassungsgericht Beschluss vom 11 1 2007 2 BvL 7 06 11 1 2007 6 Franzen 2008 S 17 7 7 Trenczek 2007 S 38 8 Wiesner 2006 9 Brandt 2007 S 190 10 Sonnen 2006 15 Auflagen Jugendgerichtsgesetz JGG 1 Der Richter kann dem Jugendli chen auferlegen 1 nach Kräften den durch die Tat verursachten Schaden wieder gutzumachen 2 sich persönlich bei dem Verletz ten zu entschuldigen 3 Arbeitsleistungen zu erbringen oder 4 einen Geldbetrag zugunsten ei ner gemeinnützigen Einrichtung zu zahlen Dabei dürfen an den Jugendlichen keine unzumutbaren Anforderun gen gestellt werden 2 3 10 Weisungen Jugendgerichtsgesetz JGG 1 Weisungen sind Gebote und Verbote welche die Lebensführung des Ju gendlichen regeln und dadurch seine Erziehung fördern und sichern sollen Dabei dürfen an die Lebensführung des Jugendlichen keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden Der Richter kann dem Jugendlichen insbe sondere auferlegen 1 Weisungen zu befolgen die sich auf den Aufenthaltsort beziehen 2 bei einer Familie oder in einem Heim zu wohnen 3 eine Ausbildungs oder Arbeitsstelle anzunehmen 4 Arbeitsleistungen zu erbringen 5 sich der Betreuung und Aufsicht einer bestimmten Person Betreuungshel fer zu unterstellen 6 an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen 7 sich zu bemühen einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen Täter Opfer Ausgleich 8 den Verkehr mit bestimmten Personen oder den Besuch von Gast oder Vergnügungsstätten zu unterlassen oder 9 an einem Verkehrsunterricht teilzunehmen 2 Der Richter kann dem Jugendlichen auch mit Zustimmung des Erziehungs berechtigten und des gesetzlichen Vertreters auferlegen sich einer heilerzie herischen Behandlung durch einen Sachverständigen oder einer Entzie hungskur zu unterziehen Hat der Jugendliche das sechzehnte Lebensjahr vollendet so soll dies nur mit seinem Einverständnis geschehen

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