39forum kriminalprävention 1 2018 JUGENDSTRAFRECHT dieses Instrument entdeckt Die geäu ßerte Befürchtung realisiert sich Kos tenträchtige Maßnahmen wie Soziale Trainingskurse oder Anti Gewalt Trai ningskurse werden zurückgefahren Insbesondere die Umsetzung einer Betreuungsweisung nach 10 Abs 1 Nr 5 JGG wird verweigert eine Maß nahme bei der eine intensive Betreu ung durch einen Betreuungshelfer mit mehreren Stunden pro Woche stattfindet und die deshalb sicherlich teuer aber auch besonders erfolgver sprechend ist Vollkommen unproblematisch ist die Mehrzahl der Fälle in denen sich Jugendgerichtshilfe und Jugendge richt ins Benehmen setzen und über einstimmend eine pädagogisch sinn volle Maßnahme finden Dies gelingt indes nicht immer Zunehmend kommt es vor dass die Jugendge richtshilfe entgegen 38 JGG im Ju gendstrafverfahren nicht präsent ist In manchen Fällen gibt es weder einen schriftlichen Bericht über den Ange klagten noch erscheint ein Vertreter der Jugendgerichtshilfe zur mündli chen Verhandlung Die Gründe dafür sind aus Sicht des Jugendgerichts zumindest auch im Zwang der kom munalen Verwaltung zum Sparen zu suchen Die Jugendgerichtshilfe er scheint personell unterbesetzt Zu wenige Personen müssen zu viele Fäl le bearbeiten Terminkollisionen kön nen nicht aufgefangen werden Frei werdende Stellen werden nicht oder nicht zeitnah neu besetzt Diese Probleme lassen sich in grö ßeren Kommunalverwaltungen eini germaßen auffangen Sie treten unse rer Erfahrung nach allerdings verstärkt in kleineren Kommunen auf in denen die Aufgaben der Jugendgerichtshilfe nicht von dafür speziell zuständigen Bediensteten wahrgenommen son dern als Annex zu allgemeinen Auf gaben des Jugendamtes gesehen werden Hier verliert die Jugendge richtshilfe neben den anderen Aufga ben die den jeweiligen Mitarbeitern obliegen die ihr zustehende Bedeu tung All dies führt dazu dass ein Ein vernehmen über anzuordnende Maß nahmen schlicht deshalb nicht erreicht wird weil niemand da ist mit dem der Jugendrichter dieses Einver nehmen erzielen kann Negativ beeinflusst wird dieser Be fund zusätzlich durch das Verhalten der Jugendlichen und Heranwachsen den Da sie dazu gezwungen werden erscheinen sie zwar zu der anberaum ten Gerichtsverhandlung jede weitere Zusammenarbeit vor der Verhandlung lehnen sie indes ab Die Einladung zu einem Gespräch bei der Jugendge richtshilfe wird schlicht ignoriert So lässt sich im Vorfeld der Verhandlung nicht klären welche Erziehungsmaß nahmen angemessen sind Dies wie derum veranlasst immer häufiger das Jugendamt zu der Mitteilung der Ju gendliche sei der Einladung zu einem Gespräch nicht gefolgt man könne keinen Bericht erstellen und werde dann auch nicht zur mündlichen Ver handlung erscheinen Es gibt Jugend ämter bei denen diese Vorgehenswei se inzwischen der Regelfall zu sein scheint Da der Jugendrichter die Mit arbeiter des Jugendamtes nicht ver pflichten kann an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen ist er bei der Festlegung sinnvoller Erziehungs maßnahmen vollkommen auf sich al leine gestellt Er ist zudem an das Beschleunigungsgebot und in der Hauptverhandlung an das Prinzip der Mündlichkeit als elementare Grund prinzipien des Strafprozesses gebun den und hat daher auch nicht die Mög lichkeit seine Entscheidung am Ende der Hauptverhandlung noch hinaus zuzögern und danach mit dem Ju gendamt Kontakt aufzunehmen Der fehlende Wille Geld für den an geklagten Jugendlichen auszugeben wird sogar hin und wieder ausdrück lich durch die Jugendgerichtshilfe an geführt Freilich kaschiert mit dem Argument man habe für diesen spezi ellen Jugendlichen schon so viele Maß nahmen finanziert dass man es auch im Verhältnis zu anderen Jugendli chen nicht rechtfertigen könne wei tere kostenintensive Mittel zu befür worten Am häufigsten tauchen derartige Probleme bei Heranwach senden auf Einerseits befürwortet die Jugendgerichtshilfe ganz überwie gend die Anwendung von Jugend strafrecht andererseits weigert sie sich anschließend ambulante Maß nahmen insbesondere eine häufig sinnvolle Betreuung durch einen Be treuungshelfer für den Heranwach senden anzubieten insbesondere dann wenn das Ende einer möglichen Maßnahme über den 21 Geburtstag des Betroffenen hinausführen kann Diese Inkonsequenz mag den Jugend richter zum Ausweichen verführen Wenn er keine Erziehungsmaßregeln anordnen kann wählt er eine Maßnah me wie den Arrest die die Justiz selbst finanziert oder er gelangt zur Anwen dung von Erwachsenenrecht und ver hängt eine Strafe Fazit und Lösungsansätze Die praktischen Probleme zeigen Die Regelung des 36a SGB VIII lässt in Hinblick auf ihre Tauglichkeit zu wün schen übrig Ob die Norm bereits so gar verfassungswidrig ist kann dabei dahinstehen Unabhängig davon zei gen bereits die dargestellten Praxis probleme dass eine Neuregelung durch den Gesetzgeber unumgänglich ist Eine solche muss derart ausgestal tet sein dass zwar auf die angespann te Haushaltssituation und den damit einhergehenden Spardruck der Kom munen Rücksicht genommen wird gleichzeitig aber der Erziehungsge danke zugunsten des jugendlichen bzw heranwachsenden Straftäters im Vordergrund steht Auf einer ersten Stufe muss dem nach eine Lösung gefunden werden bei der die pädagogischen Kompeten zen der Jugendgerichtshilfe für die Entscheidungsfindung genutzt und gleichzeitig sachfremde fiskalische Interessen minimiert oder sogar aus geschlossen werden Am Ende der Gerichtsverhandlung muss eine Rechtsfolge stehen die auf der einen Seite erzieherisch sinnvoll ist und die auf der anderen Seite nicht nachträg lich noch einmal infrage gestellt wer den kann Dies lässt sich nur dann rea lisieren wenn das Erscheinen eines Mitarbeiters der Jugendgerichtshilfe in der Hauptverhandlung durch eine zwingende Anordnung sichergestellt wird Darüber hinaus sollte in jedem Schritt des Verfahrens durch alle Beteiligten auf ein Einvernehmen hin gewirkt werden Sollte aber eine kon sensuale Lösung nicht möglich sein da nur einer der Beteiligten einen entsprechenden Maßnahmenbedarf sieht muss die Letztentscheidungs kompetenz beim Jugendrichter lie gen Auf einer zweiten Stufe steht nun die Kostenfrage Die Rechtslage vor der Einführung des 36a SGB VIII hat auch gerade deswegen zu einem Kon flikt geführt weil von der einen Seite eine verbindliche Anordnung getrof fen wurde welche für die andere Seite anschließend eine Kostentragungs pflicht zur Folge hatte Hier zeigt sich nun also die eigentliche Schwäche der Regelung der Justiz fehlen die Mittel um entsprechende Maßnah men finanzieren zu können Die Ju gendgerichtshilfe getragen von den Kommunen kann und will nicht ledig lich als Zahlstelle fungieren Über alle

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