17forum kriminalprävention 2 2018 EXTREMISMUSPRÄVENTION Der Überblick zu Evaluationen von Projekten zur Vorbeugung von religiö sem Extremismus in Deutschland fällt damit im Vergleich zu anderen Prä ventionsfeldern ernüchternd aus Be zogen auf die Anzahl von über 100 Projekten in diesem jungen Präventi onsfeld ist das vorhandene empirische Wissen als rudimentär zu bezeichnen Ein solches Defizit an empirischem Wissen ist unter verschiedenen Ge sichtspunkten bedauerlich Für eine Vielzahl von Präventions maßnahmen gilt dass zu deren Cha rakteristika zu theoretischen und konzeptionellen Grundlagen me thodischen Vorgehensweisen ein gesetzten Ressourcen Erfolgen oder Problemstellungen vor allem aber in Hinblick auf deren Zielerrei chung weitgehende Unkenntnis herrscht Eine Professionalisierung und Wei terentwicklung in diesem Arbeitsge biet wird dadurch erschwert dass es kaum zugängliche Informationen über Gelingensbedingungen Pro blemlösungsansätze und erprobte Konzepte der Radikalisierungsprä vention gibt die eine fachöffentli che Diskussion nähren könnten Ge rade in der aktuellen Phase in der sich viele der entstandenen Präven tionsangebote konzeptionell und methodisch erproben wäre ein er fahrungsbasierter fachlicher Aus tausch besonders geboten An die Integrität Transparenz und Qualität von Maßnahmen der Prä vention und Intervention sind im Bereich religiöser Radikalisierung besondere Anforderungen zu stel len Diese ergeben sich vor allem aus potenziellen Sicherheitsrisiken im Bereich der indizierten Prävention also in Bezug auf Ausstiegsarbeit und Deradikalisierung Fehleinschät zungen involvierter Akteure im Hin blick auf das Gefährderpotenzial von Klienten oder Mängel in der Kommu nikation und Koordination der betei ligten Professionen untereinander bergen in diesem Bereich hohe Si cherheitsrisiken in sich Köhler 2016 189 Inwieweit dies in der Projekt praxis gewährleistet ist kann auf grund fehlender Transparenz kaum eingeschätzt werden Der Gedanke dass Präventions und Deradikalisierungsmaßnahmen empi risch überprüft und bewertet werden sollten findet im Grundsatz breite Zu stimmung So stellt sich die Frage nach den Gründen dafür dass dies in der Praxis selten geschieht Eine erste maßgebliche Ursache kann darin gesehen werden dass sich das Handlungsfeld in einer vergleichs weise frühen Entwicklungsphase be findet Präventionsprojekte verfolgen in lokalen Kontexten vielfach explora tive erkundende methodische Ansät ze Häufig stehen dabei zunächst Fra gen des Zielgruppenzugangs oder der Projektimplementierung im Vorder grund Daneben gibt es im Bereich der indizierten Prävention der eigentli chen De Radikalisierungsarbeit also etablierte zum Teil überregional täti ge Akteure Eine zweite wesentliche Vorausset zung für eine größere Verbreitung von Evaluationen im Bereich der Radi kalisierungsprävention ist die Etablie rung einer ausgeprägteren Fehlerkul tur El Mafaalani et al 2016 27 Mit Blick etwa auf Deradikalisierungs und Aussteigerprojekte ist eine reflexive Fehlerkultur bisher kaum ersichtlich Es gibt praktisch keine Analysen über Problemverläufe und Prozesse des Scheiterns Es bleibt infolgedessen weitgehend unklar welche Ausstiegs willigen die Deradikalisierungs und Distanzierungsmaßnahmen abbre chen und aus welchen Gründen sie dies tun Es stellt sich zudem die Fra ge welche Konsequenzen die Projek te aus entsprechenden Erfahrungen ziehen Jaschke 2015 254 Gerade die Etablierung einer solchen Fehlerkul tur erscheint von außerordentlicher Relevanz Die Analyse und Diskussion von misslungenen Prozessen und Pro jekten sowie von nicht erwünschten Nebeneffekten bieten mitunter das höchste Lernpotenzial Der als sol cher wahrgenommene Zwang Pro jekte und Maßnahmen als erfolgreich darzustellen erscheint als eines der größten Hindernisse für fundierte wis senschaftliche Begleitungen und Eva luationen El Mafaalani et al 2016 28 Wenngleich die einbezogenen Pro jekt und Evaluationsberichte kaum Hinweise auf kriminalpräventive Effek te der Präventionsmaßnahmen be inhalten liefern sie doch praxisrele vante Informationen für die Ausge staltung von Präventionsangeboten im Bereich islamistischer Radikalisie rung Fachlichkeit und Professionalität In verschiedenen Evaluationen werden Aspekte benannt die Qualifikations merkmale des Personals sowie die Ein haltung fachlicher Standards betref fen Im Hinblick auf die Qualifikation des Personals ist etwa dafür Sorge zu tragen dass eingesetztes Personal über eine fundierte pädagogische Ausbildung verfügt und mit Phänome nen des religiösen Extremismus ver traut ist Kiefer 2015 47 Dabei kann es hilfreich sein wenn die Mitarbeiter über dieselbe nationale Herkunft oder Religionszugehörigkeit bzw über ver gleichbare Migrations und Sozialisie rungserfahrungen wie die Zielgruppe verfügen Kavemann 2012 6 14 Adams Schmitz 2010 28 Multikonfes sionell und kulturell sowie beidge schlechtlich gebildete Teams von Mit arbeitern eröffnen und fördern Identifikationspotenziale und erhö hen die Authentizität der vermittelten Projektinhalte vgl Hayes 2013 26 f Adams Schmitz 2010 52 Zudem ha ben sich fundierte Kenntnisse zu Le benswelten muslimisch geprägter Ju gendlicher sowie zu gesellschaftlichen Diskursen zum Islam in Deutschland als eine zentrale Voraussetzung für die pädagogische Auseinanderset zung mit Jugendlichen sowie mit Mul tiplikatoren und Fachkräften erwiesen Leistner Schau Johansson 2014 14 Für den Bereich der indizierten Prä vention Deradikalisierung kommt der Qualifikation des Personals inso fern eine besonders große Bedeutung zu als im Zuge des Beratungsprozes ses multiple emotionale psychische ideologische religiöse sowie sicher heitsrelevante Hintergründe und Be züge bedacht werden müssen Dantschke Köhler 2013 194 Zielgruppenzugang Im Bereich der primären und sekundären Prävention stellt die Beteiligung relevanter Ak teure im Umfeld der Zielgruppe Schu len soziale Einrichtungen Familie Ge meinde eine wichtige Prämisse für den Erfolg der Arbeit dar Kiefer 2013 6 Eine solche Einbindung gestaltet sich in der Praxis mitunter als schwie rig Gründe dafür können etwa Stig matisierungsbefürchtungen oder das Desinteresse von Akteuren Kiefer 2013 6 langwierige Vertrauensbil dungsprozesse Hayes 2013 23 oder dominierende Sicherheitsinteressen Dantschke Köhler 2013 197 sein Vielfältigkeit von Radikalisierungs verläufen und motiven Ebenso wie im Hinblick auf Radikalisierungspro zesse gibt es auch bei der Deradikali sierung keine einheitliche universell gültige Formel zur Erklärung entspre chender Verläufe und Prozesse Dieser Heterogenität gilt es bei der Ausge staltung von Präventionsangeboten Rechnung zu tragen Für Maßnahmen der Deradikalisierung bedeutet dies dass ein zielgerichtetes Vorgehen im

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