3forum kriminalprävention 2 2018 EXTREMISMUSPRÄVENTION Zum Prozess der Radikalisierung Mithilfe einer Grafik Abb 1 fasst Baier die zahlreichen Modelle der Radika lisierung zusammen Zwei Sozialisationspfade werden unterschieden die in extremistische Radikalität und oder Gewalttätigkeit einmünden können Einmal wird eine auf defizitären und kriminogenen Sozialisationserfahrungen beruhende delinquente Karriere abgebildet die bei mangelhafter Norminternalisie rung zu einer Identität führt die De linquenz und Gewalt einschließt und auch die Bereitschaft beinhaltet sich im Bereich des politischen Extremis mus zu engagieren Der zweite Pfad hat seinen Aus gangspunkt in krisenhaften Erfahrun gen die auf der persönlichen Ebene gemacht werden z B Krankheit Tod nahestehender Menschen Diskrimi nierung oder auf sozialer Ebene wahrgenommen werden z B gesell schaftliche Missstände und Ungleich heiten Solche Wahrnehmungen kön nen eine Identitätskrise auslösen Bei der Suche nach neuen Orientierungen sind kognitive und emotionale Öff nungen möglich um den Weg in einer Gruppe Gleich gesinnter weltan schaulich manipu liert in Richtung Ex tremismus und oder Gewalt zu ge hen Als bedeutsame Kontextfaktoren werden angeführt die Existenz und Aktualität von Ideo logien oder religiösen Ideen die Verfügbarkeit von Verhaltens vorbildern die Gegenwart spezifischer Oppor tunitäten z B Angebote extremis tischer Gruppierungen im Wohnort das Nicht Vorhandensein von Ak teuren die Normenkonformität stützen z B Eltern Lehrkräfte Prä ventionsakteure Baier weist darauf hin dass mit dem Modell keine linearen Entwicklungen abgeleitet werden können mithin Prognosen nicht ermöglicht werden vielmehr handele es sich um den Ver such der Ordnung des bisherigen Er kenntnisstandes Die zwei Entwick lungspfade seien Idealtypen mit vielfältigen denkbaren Überschnei dungen In der Folge wird im Hinblick auf den islamistischen Extremismus der Kontextfaktor Religiösität diskutiert und auf die Kontroverse der Franzo sen Giles Kepel und Olivier Roy hinge wiesen Von Giles Kepel wird dabei die The se vertreten dass sich der Islam radi kalisiert hat dies bedeutet dass der islamistische Extremismus im Islam angelegt ist in diesem Sinne wird Re ligiosität dann auch eine Rolle bei der Radikalisierung zugeschrieben Die Gegenthese wird von Olivier Roy ver treten der von einer Islamisierung der Radikalität spricht d h allgemein de linquente Personen legitimieren ihr Handeln mit dem Islam Baier 2018 S 13 f Ausgangspunkte der Ra dikalisierung sind für Olivier Roy die tief greifenden Diskriminierungs und Deprivationserfahrungen die von den jungen männlichen Bewohnern insbe sondere der französischen Großstadt vororte gemacht werden Ein Ab schnitt im Gutachten ist diesem Argument gewidmet S 16 f Gewalt Radikalität Anmerkungen zu den Präventionsperspektiven im DPT Gutachten Wolfgang Kahl Seit vielen Jahren bekommt der Deutsche Präventionstag DPT mit einem das Tagungsthema betreffenden Gutachten eine wissenschaftliche Grundlage für den fachlichen Diskurs Zum 23 DPT hat Dirk Baier Professor an der ZHAW Soziale Arbeit in Zürich Forschungsstand und Präventionsperspektiven für das Motto Gewalt und Radikalität kenntnisreich mit großem Überblick zusam mengefasst Das Gutachten ist auf der Website des DPT hinterlegt1 und im Kongresskatalog abgedruckt Rund 50 Seiten sind den Begriffen Modellen Faktoren sowie den aktuellen Daten zu physischer Gewalt und politischem Extremismus gewidmet Es schließen rund 20 Seiten zur Präventionslage mit ausblickenden Empfehlungen zur Fortentwicklung präventiver Strategien Konzepte Maßnahmen und den relevanten Rahmenbedingungen an Ein zuspitzender Blick richtet sich folgend auf einzelne Aspekte 1 Dirk Baier Gutachten für den 23 Deutschen Präventions tag am 11 12 Juni 2018 in Dresden in Kerner Hans Jürgen u Marks Erich Hrsg Internetdokumentati on des Deutschen Präventionstages Hannover 2017 www praeventionstag de dokumentation cms 4094Abb 1 Modell der Radikalisierung Baier 2018

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