EXTREMISMUSPRÄVENTION 29forum kriminalprävention 4 2018 sierung auf der Bewegungsebene mit einem Radikalisierungsmechanismus der gewaltlegitimierenden Ausdün nung der Ursprungsideologie ver wechselt vgl den Begriff thin cen tered ideology von Freeden 1998 Die extremistische Gewalt legiti mierenden Ideologiefragmente ließen sich als dünne Ideologien beschrei ben deren Inhalte sich um einen ein gängigen Aussagekern gruppieren und viele Bereiche unberührt lassen weshalb sie kombinations sowie an passungsfähig bleiben und zugleich mit einem leicht zugänglichen Kate chismus versehen sind Eher gehen Radikalisierungen in die Gewalt mit ei ner extrapunitiven d h nach außen gerichteten Schuldzuweisung sowie Delegitimierung der negativen Be zugsgruppe und ideologischen Ab kapselung infolge der kompetitiven Eskalation einher Vice versa verfehlt die sogenannte Theorie der Repluralisierung als ver meintlicher zentraler Mechanismus im Kampf gegen den gewalttätigen Ex tremismus Theory of repluralization as a core mechanism of countering vi olent extremism von Köhler3 deren Gegenstand indem sie auf eine im Kontext der De Radikalisierung eher zweitrangige Ebene abhebt della Por ta 2013 vgl Wagner 2014 S 95 100 4 Welche Rolle spielen Ideologien in Deutungsgemeinschaften Extremistische Ideologien als Mit tel zur Herstellung sozialer Dominanz stellen Systeme der sozial geteilten Überzeugungen und somit Formen sozialer Kognition dar In den jeweili gen Milieus fungieren sie als intersub jektiv geteiltes Wissen über sich selbst und die anderen sowie über Ziele Werte Normen und Ressourcen Die spezifischen ideologischen Diskurse fußen somit auf einem gemeinsamen mentalen Modell Van Dijk 2013 S 177 ff Ideologisierte Interpretations regime stellen Werkzeuge zur menta len Kartierung der Welt zur Verfügung vgl Logvinov 2017 Die Radikalisierung in die Gewalt be darf zugleich eines Systems normati ver und zweckorientierter Rechtferti gung der Gewaltanwendung jenseits ihrer ideologischen Verankerung Die ses legitimierende System wird vor al lem durch subkulturelle Normen infol ge der Eskalationsprozesse vermittelt Denn die Intensität der normativen Rechtfertigung der Gewalt variiert in den gesamt und subkulturellen Sozia lisationsprozessen Gurr 1970 S 229 f Was leisten subkulturelle Normen im Sozialisationsprozess Die subkulturellen Sozialisations prozesse im Sinne der normativen und utilitaristischen Gewaltrechtferti gung lassen sich anhand des Allgemei nen Modells des Handelns dem die An nahme einer variablen Rationalität der Akteure zugrunde liegt veranschauli chen vgl auch Dual Process Theorien und das Modell der situativen Hand lungswahl Ausgehend vom Tho mas Theorem erklärt das Modell wie ein Akteur eine Situationsdefinition vornimmt Frame Selektion welches Programm des Handelns er heranzieht Skript Selektion und welches Han deln darauf folgt Handlungsselekti on Die Prämisse der variablen Rati onalität besagt dass nur ein Teil der Handlungen dem reflexiv kalkulieren den Modus rc entstammen denn die automatisch spontane Alternative as sei des Öfteren mental stark ver ankert In vereinfachter Form lässt sich das Modell wie folgt erklären In einem un bewussten Prozess der Modusselek tion beantworten die Handelnden unter Zugriff auf mentale Modelle kontinuierlich folgende Fragen Wel che Art der Situation liegt hier eigent lich vor Welches Verhalten ist in ei ner derartigen Situation angemessen oder sozial erwartet und Was wer de ich tun Modelle der Situationen Frames umfassen immer bestimm te Situationsobjekte die Repräsen tationen typischer Situationsabläu fe aktivieren So werden mit einem Frame bestimmte Wissensstrukturen wie etwa situationsspezifische Ober ziele des Handelns sowie unter Um ständen auch Werte und Emotionen aktiviert die mit dem Frame assoziiert sind Kroneberg 2005 S 346 Skrip te als Programme des Handelns kön nen sowohl das individuelle Handeln als auch komplexere Abläufe enthal ten und decken daher verschiedene Arten von Konventionen im weite ren Sinne ab Welche Situations und Handlungsmodelle einer Person zur Verfügung stehen hängt mit der So zialisation zusammen In der generel len Verfügbarkeit eines Skripts kommt etwa zum Ausdruck wie stark ein Ak teur bestimmte Normen internalisiert oder bestimmte Routinen habituali siert hat ebd S 351 In der dritten Phase erfolgt die Handlungsauswahl die nicht zwangsläufig einem nahe liegenden Skript folgen muss Ob der Akteur die angemessenste Alternative für sein Handeln findet hängt von der Modusselektion ab Im rc Modus vorausgesetzt dass ausreichende Reflexionsopportuni täten vorliegen wägt der handeln de Akteur Kosten und Nutzen seiner Handlung ab und stellt die Geltung des Ausgangsframes infrage Er trifft eine bewusste Entscheidung unter Berücksichtigung der vorliegenden Informationen und der zu erwarten den Folgen Die Logik des as Modus wird demgegenüber mit dem Begriff Match beschrieben Eine Alternative zu der vom Skript nahegelegten Handlung existiert im as Modus der Hand lungsselektion nicht Mit dem Eintritt in die Situation ist er automatisch als mögliche Situa tionsdefinition gegeben ebd S 351 ff Denn die Situationsobjekte zei gen relativ deutlich die Geltung eines Frames an wobei Akteure über Skrip te verfügen die eindeutig zum men talen Modell einer Situation passen stark verankert sind und die Hand lungswahl demzufolge stark deter minieren Der Unterschied zwischen den beiden Selektionsmodi lässt sich am Beispiel des adligen Ehrenkodexes aufzeigen Der Match des Frames Ehrkrän kung in einer Situation ist umso größer je stärker das Ehrgefühl des Akteurs ausgeprägt ist je stärker ein Verhaltenstyp als Beleidigung aufgefasst wird und je eindeutiger das konkrete Verhalten des Gegenübers die sem Verhaltenstyp entspricht ebd 3 Anscheinend ist dem Autor entgangen dass ein Ansatz der kognitiven Repluralisierung bereits in den 1970er Jahren von Aaron Beck entwickelt worden war 4 rather than focusing on preexisting ideologies explanations for radicalization should look at the ma nipulation of such ideologies by violent groups which connect old frames to new ones legitimizing radical means What is more the very same ideologies have been used to justify more moderate positions thus their reinterpretation as justification for killing and or self immolation implies radical breaks with the ideological tradition Transformation of the definiti on of the self more and more as an heroic elite of the other more and more as evil and of violence more and more as intrinsically good is brought about not by the original big narrative but rather by a mechanism of adaptation of frames to changing contextual challen ges through ideological encapsulation A common mechanism of radicalization is the narrative construc tion of a violent past by entrepreneurs of violence The development of narratives that justify violence should be seen as an evolution during which symbols and dis courses are adapted to other organizational changes della Porta 2013 S 233

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