EXTREMISMUSPRÄVENTION 30 forum kriminalprävention 4 2018 Darüber hinaus war der as Modus im Ehrenkodex sogar normativ veran kert sodass der Ehrenkodex der Grup pe zur zweiten Natur geworden ist Projiziert auf Subkulturen der Gewalt und Gruppen mit stark ausgeprägten gewaltaffinen Weltbildern wirkt die Wahrnehmung bestimmter Situati onsmerkmale als Match zur Aktivie rung der gewalttätigen Deutungen Handlungsprogramme und Aktionen Die Spontaneität des Gewaltgesche hens verweist in diesem Zusammen hang auf die tiefe Verankerung der kaum noch reflektierten gewaltlas tigen Triade der Frame Skript und Handlungsselektion Im reflexiv kal kulierenden Modus verlaufen demge genüber instrumentelle und terroris tische Tathandlungen Soziales Lernen und subkultur elle Neutralisationstechniken Nach sozialen Lerntheorien de terminieren mentale Repräsentati onen der sozialen Situationsabläufe das Verhalten Das Informations verarbeitungsmodell von Crick und Dodge beschreibt sechs parallel ver laufende Sequenzen bzw Schritte der sozial kognitiven Informationsverar beitung 1 Verschlüsselung sozialer und interner Hinweisreize 2 Interpretation der sozialen Hinweisreize 3 Klärung der Ziele 4 Reaktionszugang und aufbau 5 Reaktionsentscheidung und evaluation 6 Umsetzung in praktisches Verhal ten Hodges et al 2002 S 620 Es wird angenommen dass diese Prozesse weitgehend automatisch ablaufen aber keinem Automatismus unterliegen Je stärker jedoch die Frames und Skripte ausgeprägt und mental verankert sind desto größer ist die Wahrscheinlichkeit dass die Reflexion vom automatisch spon tanen Modus der Entscheidungsfin dung überlagert wird Doch auch im rational kalkulierenden Modus der Informationsverarbeitung können sich entsprechende Verzerrungen zeigen Mit Blick auf die extremistischen Subkulturen der Gewalt drängt sich die Vermutung auf dass sie den Pro zess der sozialen Informationsver arbeitung massiv beeinflussen So beachten die extremistischen Delin quenten weniger neutrale Hinweis reize und neigen bei der Interpreta tion zu feindseligen Projektionen indem sie dem Interaktionspartner negative Situations Merkmale und Intentionen zuschreiben Beim fünf ten und sechsten Schritt handelt es sich um Erfolgschancen der Tat und ihre Bewährung in der Praxis Sutter lüty 2003 S 278 umschreibt den dar gestellten Prozess der sozial kogniti ven Informationsverarbeitung mit dem Begriff gewaltaffine Interpreta tionsregimes Ebenso abhängig von den jeweili gen Szenen und in gewaltaffinen In terpretationsregimen enthalten sind Neutralisations und Rechtfertigungs techniken die Täter einsetzen um die normative Diskrepanz zwischen den subkulturellen und den gesamtgesell schaftlichen Werten auszugleichen Es lassen sich einige bekannte Idealtypen von Rechtfertigungen in den jeweili gen Narrativen feststellen Lamnek 2002 S 1387 f 1 Die aus den ideologisierten Denk figuren und Feindbildern resultie rende und in den gewaltlegitimie renden Diskursen tief verwurzelte Verdammung der Verdammenden ist ein grundsätzliches Neutralisati onsmuster extremistischer Gewalt Man wähnt sich als Kämpfer für die angeblich bedrohte Gemein schaft und delegitimiert dadurch szeneintern die Instanzen der Sozi alkontrolle und die Werte der Mehr heitsgesellschaft 2 Damit korrespondiert die Berufung auf höhere Instanzen und Wer te wie Handeln im Interesse der Gruppe oder der Gemeinschaft Oft scheinen die Täter auch überzeugt zu sein im Interesse und oder mit Zustimmung der passiven Mehr heit zu handeln 3 Es wird des Öfteren auch das Un recht der Tat verneint oder 4 das Opfer durch Stigmatisierungen abgelehnt 5 Nicht selten wird die Verantwor tung durch Verlagerung auf äuße re Umstände abgelehnt Der Täter positioniert sich als Opfer widriger Umstände einer Provokation des Gruppendrucks des Frustes oder seines Alkoholkonsums Auch hier wäre die Frage berech tigt ob nicht eher die Übernahme der Neutralisationstechniken einer ge genkulturellen Subkultur der Gewalt einen Radikalisierungsmechanismus darstellt Die ideologische Deplurali sierung erscheint vor diesem Hinter grund immer noch als zu unspezifisch bzw weder als notwendige noch als hinreichende Bedingung Fazit Es sollte deutlich geworden sein dass weder das Modell der Deplurali sierung noch die Theorie der Replu ralisierung der Logik der De Radika lisierung Rechnung tragen Das liegt weniger in der Komplexität der Mate rie als in den falschen Prämissen be gründet Ein weiteres Defizit ist die mangelnde Spezifizität der Annahmen über die De Radikalisierungsmecha nismen Die beiden Hypothesen sind zu oberflächlich um die sozial kog nitive Informationsverarbeitung im Kontext extremistischer Orientierun gen und Gewaltlegitimationen erklä ren zu können Nicht jeder der sich als Opfer einer Diskriminierung sieht oder sich wegen seiner Religion unge recht behandelt fühlt und somit eine stereotype Situationswahrnehmung an den Tag legen mag ist ideologisiert und oder radikalisiert vgl Ostwaldt Coquelin 2018 S 11 Radikalisiert ist eher wer das Verhalten anderer Ak teure als Folge einer generalisierten Feindseligkeit die perzipierte Fremd perspektive interpretiert und mit ei ner depersonalisierenden bzw dehu manisierenden Zuschreibung rahmt und dabei auf eine vermeintlich mora lische Rechtfertigung zur Legitimati on seiner Aggressionen zurückgreift Doch dafür muss man nicht sonder lich ideologisch depluralisiert sein Abschließend sei darauf hingewie sen dass der Prozess der Replurali sierung im Hinblick auf die stereotype Situationswahrnehmung Übergene ralisierung und automatisches Fra ming der elaborierten kognitiven Therapie von Beck 1999 zugrunde liegt Die Theorie der Repluralisie rung sieht auf deren Folie recht blass aus Erwähnenswert ist in diesem Zu sammenhang die Theorie der kogni tiven integrativen Komplexität vgl auch die Mechanismen der Abstrakti on des Kernanliegens und der Frame überbrückung Malet 2013 Aufwen dige Auswertungen der kognitiven Stile von Rechtsextremisten ergaben beispielsweise eine hohe integrative Komplexität und deren großes Inter esse an politischen Themen was mit der simplen Rhetorik bzw schwach ausgeprägten diskursiven Komple xität nicht verwechselt werden darf Van Hiel Mervielde 2003 Aus diesen Gründen sollten die Theorie der Re

Vorschau DFK forum kp 04-2018 Seite 32
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