40 forum kriminalprävention 4 2018 SEXUALDELINQUENZ gung eines einzelnen Sexualstraftä ters bzw sexuell übergriffigen Minderjährigen verschiedene Ein richtungen und Instanzen beteiligt Um eine effektive Behandlung zu gewährleisten sollte innerhalb des Versorgungssystems eine enge Ver netzung bestehen insbesondere zwischen intra und extramuralen Angeboten Am Beispiel der forensi schen Nachsorge nach dem Maßre gelvollzug werden einige Vorteile deutlich Die Beziehung zu einem Patienten kann über einen langen Zeitraum aufgebaut werden und so mit können Mitarbeiter innen z B Krisensituationen besser einschät zen Eine besondere Herausforde rung dabei ist es gleichzeitig eine vertrauensvolle Umgebung für Teil nehmer zu wahren und daten schutzrechtliche Bestimmungen einzuhalten Gesellschaftliche Aufklärungsarbeit Im Rahmen von Aufklärungsarbeit sollte ein realistisches Bild von der Arbeit mit Sexualstraftäter und ins besondere pädophilen Patienten vermittelt werden der einen ratio nalen Umgang mit dem Thema zu lässt und die Akzeptanz in der Ge sellschaft fördert Entsprechendes Wissen sollte auch an beteiligte Ins titutionen und Träger vermittelt werden Hier bestehen zum Teil un realistische Erwartungen an die The rapie Rückfälle müssen sachlich be wertet und als Teil der Arbeit verstanden werden In der Folge lie ßen sich auch die Vorbehalte unter Psychotherapeuten innen verrin gern Aktuell trägt die mangelnde Bereitschaft zur Arbeit mit der Tä tergruppe zu einer prekären Versor gungssituation bei Die Anzahl an Behandlungsplätzen reicht nicht aus um den Bedarf abzudecken und die Wartezeiten bis zum Beginn ei ner Therapie sind unverhältnismäßig lang Die Autoren geben darüber hinaus Empfehlungen zu anderen Themen ab Tippelt et al 2012 schlagen vor die Zufriedenheit der Teilnehmer mit einer Maßnahme zu erfassen um wei tere Anhaltspunkte für die Verbesse rung der Behandlung zu erhalten Zur Unterstützung weiterer empirischer Untersuchungen regt Grein 2005 die Entwicklung von Standards für die Ak tenführung an Laut Beier et al 2015 sollten zudem auch Hilfsangebote für tatgeneigte Personen mit pädophiler Neigung in das Gesundheitssystem in tegriert werden Der Bundestag re agierte bereits 2016 auf diese Forde rung indem die therapeutische Behandlung im Rahmen des Präventi onsnetzwerks Kein Täter werden für zunächst fünf Jahre von den gesetzli chen Krankenkassen getragen wird Netzwerk Kein Täter werden 2016 Schlussfolgerungen In Deutschland existieren ambulan te Behandlungsangebote für Sexual straftäter bzw sexuell übergriffige Minderjährige bereits seit vielen Jah ren Aufgrund der Überzeugung dass solche Maßnahmen einen kriminalprä ventiven Effekt haben wurden bzw werden entsprechende Versorgungs strukturen verstärkt ausgebaut Auf den ersten Blick scheinen die Ergeb nisse vorhandener Evaluationsstudien diese Erwartung zu bestätigen Die Rückfallraten sind verglichen mit an deren Kriminalitätsphänomenen ins gesamt gering Bei 8 aller Teilneh mer wurden einschlägige und bei 22 allgemeine Rückfälle erkannt 6 Bei genauer Betrachtung der Untersu chungsmethoden fällt allerdings auf dass die Ergebnisse kaum belastbar sind Nur in einem Fall lagen aussage kräftige Hinweise für die spezifische Wirksamkeit einer Maßnahme vor Ein genereller Wirksamkeitsnachweis für die ambulante Behandlung von Sexu altätern kann auf Grundlage bisheriger Studien trotzdem nicht erbracht werden Mögliche Zusammenhänge zwischen der Teilnahme an einer der Präventionsmaßnahmen und der Rückfälligkeit bleiben damit unklar Weitere Evaluationsstudien sind notwendig und sinnvoll um den Auf wand der im Rahmen der Behandlung von Sexualstraftätern betrieben wird im Sinne einer evidenzorientierten Kriminalprävention zu rechtfertigen Gleichzeitig sollte dadurch ausge schlossen werden dass die Maßnah men unwirksam oder sogar kontra produktiv sind Das gilt insbesondere für die Arbeit mit sogenannten tatge neigten Personen mit pädophiler Nei gung zu der bisher nur wenige Er kenntnisse vorliegen Nicht nur im Hinblick auf aufgewendete Ressour cen ist es von politischem und gesell schaftlichem Interesse die Effekte kri minalpräventiver Maßnahmen zu überprüfen Es entspricht vor allem unserem gesellschaftlichen Anspruch Tätern die bestmögliche Behandlung zu gewähren und damit effektiven Op ferschutz zu betrieben Fast alle der Evaluationsstudien wurden in den letzten zehn Jahren veröffentlicht Dies kann als Hinweis dafür gewertet werden dass der Bedarf an wissen schaftlichen Untersuchungen in dem Handlungsfeld erkannt wurde Die me thodischen Herausforderungen die sich bei der Untersuchung der Wirk samkeit einer Maßnahme stellen las sen sich nicht alle lösen 7 Keßler und Rettenberger 2016 2017 zeigen mit ihrer Untersuchung dennoch auf dass es möglich ist aussagekräftige re Er gebnisse zu generieren Andere Erkenntnisse die in der Übersichtsarbeit aufgegriffen werden betreffen die aktuelle Versorgungssi tuation der Tätergruppe in Deutsch land Der Bedarf an Behandlungsplät zen ist nicht abgedeckt die Qualität der Behandlung ist zum Teil verbesse rungswürdig und Ressourcen werden nicht effizient genutzt Konkrete Emp fehlungen der Autoren zur Verbesse rung der Qualität umfassen eine sensible Zusammensetzung von The rapiegruppen eine begleitende stan dardisierte Diagnostik sowie die brei tere Anwendung des RNR Modells Zur effizienteren Nutzung vorhandener Ressourcen empfehlen die Autoren eine sorgfältige Indikationsstellung vor Behandlungsbeginn die Vernet zung unterschiedlicher Hilfsangebote und langfristig auch gesamtgesell schaftliche Aufklärungsarbeit zur Tä tergruppe und deren Behandlung Benjamin Pniewski ist Psychologe im Jugendmaßregelvollzug in Viersen und ehemaliger Mitarbeiter des Nationalen Zentrums für Kriminalprävention NZK Kontakt benjamin pniewski bmi bund de Literatur Andrews D A Bonta J Hoge R D 1990 Classifica tion for effective rehabilitation Rediscovering psycho logy Criminal Justice and Behavior 17 1 19 52 Eher R Pfäfflin F 2011 Adult sexual offender treat ment Is it effective In D P Boer R Eher L A Craig M H Miner F Pfäfflin Hrsg International perspecti ves on the assessment and treatment of sexual offen ders Theory practice and research West Sussex 3 12 Pitzing H J 2006 Psychotherapeutische Ambulanz für Sexualstraftäter Stuttgart Pniewski B 2017 Ambulante Maßnahmen zur Rück fallprävention bei Sexualtätern Ein Überblick über wis senschaftliche Erkenntnisse zur Wirksamkeit aus Deutschland Monatsschrift für Kriminologie und Straf rechtsreform 100 3 179 206 Pniewski B 2018 Effekte von ambulanter Behand lung zur Prävention von Sexualdelikten Berichte des Nationalen Zentrums für Kriminalprävention 1 2018 Verfügbar unter https www nzkrim de fileadmin nzk NZK Berichte NZK 2018 001 pdf Stiels Glenn M 2010 Zur ambulanten psychothera peutischen Versorgung pädosexueller Patienten Recht Psychiatrie 28 74 80 6 Eine kritische Betrachtung der ermittelten Rückfallraten findet sich auch in Pniewski 2017 7 Die methodischen Schwierigkeiten wurden in der Literatur hinreichend diskutiert siehe z B Eher und Pfäfflin 2011 oder Pniewski 2017

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