MIGRATION UND PRÄVENTION 4 forum kriminalprävention 4 2018 Dafür gibt es verschiedene Grün de So dauern hat sich bisher nicht grundlegend geändert wie aus kürz lich geführten Gesprächen mit Sozi alarbeitern hervorging die Asylver fahren sehr lange was zusammen mit den insbesondere in Großstädten überhitzten Wohnungsmärkten dazu führt dass Menschen oft über meh rere Jahre in beengten Unterkünften leben müssen Außerdem erschienen die Verfahren oft intransparent und für die Bewohner nicht nachvollzieh bar insbesondere da während des Un tersuchungszeitraumes die Regelun gen zum subsidiären Schutz anders angewandt wurden als noch kurz zu vor Dies führte dazu dass Menschen aus denselben Herkunftsländern und teilweise sogar aus derselben Fami lie unterschiedliche Schutztitel be kamen je nachdem wann und wo sie ihren Asylantrag gestellt hatten Die Betroffenen empfanden diese Unter schiede als willkürlich und ungerecht da ihnen nicht verständlich war war um Menschen mit demselben Hinter grund unterschiedlich behandelt wur den Mitarbeiter in den Unterkünften verstanden die Asylgesetzgebung vielfach selbst nicht weshalb die Be wohner oft keine Erklärungen erhiel ten In den stark belegten Unterkünf ten war es meist nicht möglich den eigenen Status vor anderen zu ver bergen In diesem Klima entstanden Gerüchte und Halbwahrheiten und es kam zu Neid und Gruppenbildungen Häufiger wurde uns auch von geziel ten Falschübersetzungen durch Dol metscher beim BAMF berichtet was den Eindruck der Willkür verstärkte Die Aussetzung des Familiennach zuges im März 2016 für die folgenden zwei Jahre erwies sich zusätzlich als schwere Bürde für viele Flüchtlinge die alleine nach Deutschland einge reist waren und hofften ihre Famili enangehörigen nachholen zu können Sorge um das Schicksal der Verwand ten und lange nächtliche Telefon und Skypegespräche erschwerten in die sen Fällen oft ein psychisches An kommen im neuen Wohnort Faktor Raum Dies leitet über zu einer weite ren strukturellen Konfliktursache nämlich dem Faktor Raum Gemein schaftsunterkünfte sind oft ge kennzeichnet durch Enge fehlende Privatsphäre und leider auch oft un zureichende hygienische und bauli che Bedingungen sowie unterschied liche Betreuungsstandards Da es in NRW zwar Mindeststandards für Lan des jedoch nicht für kommunale Un terkünfte gibt ergeben sich deutli che Qualitätsunterschiede Einerseits besteht ein Gefälle zwischen Landes unterkünften in denen die Betreu ung meist quantitativ gut ist und kommunalen Unterkünften in de nen dies häufig nicht garantiert wer den kann Andererseits gibt es auch deutliche Unterschiede zwischen ein zelnen Kommunen je nachdem wie gut diese finanziell und personell auf gestellt sind Diese Unterschiede blei ben den Bewohnern nicht verborgen da sie meist über verschiedene Unter künfte transferiert werden und oft Verwandte und Freunde in anderen Städten und Ländern haben Daraus entsteht häufig ein Gefühl von Unge rechtigkeit Zudem wirken sich schlechte räum liche Bedingungen z B das Zusam menleben mehrerer einander frem der Menschen in einem Zimmer oder sogar in nur durch Holzwände ohne Decken voneinander abgetrennten Bereichen negativ auf das Zusammen leben aus Dies zeigt sich etwa wenn Bewohner mit verschiedenen Tages und Nachtrhythmen sich gegenseitig vom Schlafen und Ruhen abhalten kleine Kinder nicht beruhigt werden können oder Gemeinschaftseinrich tungen verdreckt sind Erkrankun gen der Bewohner oder Posttrauma tische Belastungsstörungen werden unter diesen Bedingungen häufig nicht erkannt und bleiben unbehan delt mit weiteren negativen Folgen für das Zusammenleben Schließlich wirken auch Gesetze und Normen ne gativ auf die räumliche Gestaltung der Unterkünfte wenn etwa individuelle Raumdekorationen das Aufhängen von Tüchern vor den jeweiligen Bet ten zur Schaffung von Privatsphäre oder eigene Kochgelegenheiten aus Brandschutzgründen untersagt sind Auch wenn diese Regelungen sinnvoll sein können und zum Teil notwendig sind empfinden die Bewohner sol che Einschränkungen als Angriff auf die eigene Autonomie und Entschei dungsfreiheit worauf oft mit Wider stand geantwortet wird Mitarbeiter der Unterkünfte geraten wiederum in eine schwierige Situation weil Sank tionen gegen Verstöße wie etwa das Einbehalten verbotener Gegenstän de oder das Abschließen verdreckter Räume die Situation noch verschlim mern und die Bewohner erst recht in Aufruhr versetzen Flüchtlingsunterkünfte als totale Institution Als dritten Faktor identifizierten wir schließlich die besondere Art der Un terbringung welche wir mithilfe des Konzepts der Totalen Institution nach dem amerikanischen Sozialwissen schaftler Erving Goffman analysieren Dieser Begriff bezeichnet Einrichtun gen in denen die Bewohner unfreiwil lig einen Großteil ihrer Zeit gemein sam mit anderen und unter externer Aufsicht verbringen und in denen eine Trennung verschiedener Lebensberei che weitgehend aufgehoben ist Zwar sind Unterkünfte für Asylsuchende keine totalen Institutionen im eigent lichen Sinne der Theorie sie weisen je doch einige ihrer Merkmale auf Auch hilft das Konzept dabei zu verstehen was eine derartige Unterbringung für die einzelnen Bewohner aber auch die Mitarbeiter bedeutet So werden das erzwungene Zusammenleben die Un terordnung unter Hausregeln und das Asylregime genauso wie der Zwang zur Offenlegung persönlicher Erleb nisse etwa im BAMF Interview aber auch im Alltagsgespräch mit ande ren als starker Eingriff in die persön liche Autonomie erlebt Einige Bewoh ner reagieren hierauf mit Widerstand und Ablehnung andere mit komplet tem Rückzug und Apathie Sozialarbei ter und Betreuer sind damit oft über fordert Dies wird verstärkt durch die Tatsache dass es sich bei einigen von ihnen um Quereinsteiger ohne sozi alarbeiterische Ausbildung handelt Entsprechend berichteten uns viele Mitarbeiter von Frustration und Hilflo sigkeit Oft scheiden sie bereits nach kurzer Zeit wieder aus dem Beruf aus Ausgewählte Konfliktfelder und das Zusammenwirken ihrer strukturellen Faktoren Im Folgenden soll anhand zweier Konfliktfelder das Zusammenwirken dieser drei strukturellen Faktoren ver deutlicht werden Dies ist erstens das Feld der Kriminalität zweitens das der häuslichen und sexualisierten Gewalt Kriminalität und aggressives Verhalten In fast allen von uns besuchten Un terkünften wurde von einzelnen Be wohnern berichtet welche durch Re gelverstöße und kriminelle Aktivitäten das Zusammenleben erheblich stör

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