EDITORIAL 2 forum kriminalprävention 1 2019 Liebe Leserin lieber Leser Prävention braucht Wissen schaft ist eine naheliegende Er kenntnis will sie doch zum Ausdruck bringen dass präventives Handeln einer rationalen Begründung und Planung folgen soll Sachgemäße Entscheidungen auf der Grundlage von Forschungsergebnissen sei es zur Einschätzung der Problemur sachen oder bei der Auswahl ange messener Lösungsansätze Das DFK hat von Anbeginn 2001 mit wissenschaftlichen Experten zu sammengearbeitet um Impulse für die Prävention in Deutschland ge ben zu können 15 Jahre später trat eine Gruppe junger Wissenschaftler unterschiedlicher Professionen mit dem Label Nationales Zentrum für Kriminalprävention NZK zunächst als zeitlich befristete Arbeitsstelle Projektstatus bis Mitte 2020 hin zu sodass Forschung und Wissens transfer unter einem Dach angebo ten werden können Andreas Armborst berichtet im ersten Artikel über die bisherige Ar beit des NZK und die beachtlichen Ergebnisse Daran anschließend geht es im nächsten Beitrag um die Frage der Verstetigung des bis her Erreichten Trotz guter Gründe für Fortbestand und weiteren Aus bau von DFK und NZK gibt es Irri tationen und Ungewissheit in der Zukunftsplanung auf die hingewie sen wird Beispielhaft für die systematische Bündelung bereits vorhandener Eva luationsergebnisse in Übersichts arbeiten ein NZK Arbeitsschwer punkt berichten Thaya Vester und Marcus Kober über die Effekte von Ansätzen zur Gewaltprävention im Fußballsport Rita Haverkamp schildert die Forschungsvorhaben der DFK Stif tungsprofessur die zumeist in Ver bundprojekten durchgeführt wer den Christine Liermann gibt sodann ei nen Blick über den Verlauf des wis senschaftlich begleiteten Projektes Entwicklungsförderung Gewalt prävention E G beim DFK Das von Sarah Ulrich vorgestell te Outcome Reporting zeigt dass Wirkungstendenzen bei Präventi ons und Bildungsprogrammen mit überschaubarem Aufwand festge stellt werden können Mit den vorgenannten Beiträ gen wird gezeigt wie Prävention von Wissenschaft profitieren kann Dennoch wird mancherorts eine gewisse Skepsis im Hinblick auf die Verwertungsmöglichkeiten von For schungsergebnissen vorgetragen die ernst genommen und konstruk tiv diskutiert werden sollte Ein aktuelles Phänomen und Pro blem ist populistische Kritik gegen über wissenschaftlicher Expertise Das Selbstverständnis wissenschaft licher Arbeit wird von Populisten in frage gestellt Hinterfragt wird ob die Wissenschaft tatsächlich ganz al lein die Fakten kenne auf die es an komme und bei deren Feststellung die Gesellschaft kein Mitsprache recht habe Populisten verwenden das Label Experte als einen diffu sen Kampfbegriff gegen ein Esta blishment das illegitim in die po litische Willensbildung eingreife Fakten werden vorschnell als fake news disqualifiziert oder mit alter nativen Fakten konfrontiert Als Reaktion auf die populistische Wissenschaftskritik haben im April 2017 hunderttausende Menschen weltweit für Freiheit und Wahrheit als zentrale Werte der Wissenschaft demonstriert Science produces facts und There is no alternative to facts waren die vereinfachen den Gegenbotschaften Genauer genommen ist moderne Forschung pluralistisch und erzeugt keine Gewissheiten Was Wissen schaft vorführt sind nicht alterna tivlose Fakten sondern alternative Aussagen über jene Fakten die Wis senschaft stets nur durch die Brille ihrer Theorien Methoden und Ver fahren sehen kann Kluge Wis senschaft wird jedenfalls Fragen nach ihrer Praxistauglichkeit nach ihrer Verwertbarkeit und ihrer ge sellschaftlichen Relevanz offensiver formulieren müssen erklärte der Soziologe Armin Nassehi 2017 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Die Auseinandersetzung um die Rolle des Expertenwissens in der Demokratie ist also von grundsätz licher Natur und sollte nicht nur als populistischer Angriff interpretiert werden Demokratie ist geradezu gekennzeichnet durch das Span nungsverhältnis zwischen Volk und Experten Wahlentscheidung und Expertise Mehrheit und Wahrheit Demokratische Entscheidungen sind vor diesem Hintergrund legitim wenn sie sowohl dem Mehrheitswil len als auch dem Wissensstand der relevanten Experten entsprechen Aber wie lässt sich das sicherstellen wenn doch die Mehrheit bekannt lich irren kann die Experten einan der oft widersprechen und wenn ihre Expertisen zudem nicht immer mehrheitsfähig sind Die gegenwärtige liberale De mokratie ist dadurch gekennzeich net dass sie auf die Kompetenzen pluralität von Bürgern Experten und gewählten Entscheidungs und Amtsträgern angewiesen ist Dar aus folgt dass die Wissenschaft in der Demokratie mit ihren experti segestützten Ratschlägen zwar Au torität nicht aber Handlungs und Entscheidungsmacht für sich bean spruchen darf Wenn am Ende po litisch entschieden wird dann ge mäß weiterer für den Politikbetrieb maßgeblicher Erfolgsbedingungen wie dem Austarieren von Macht und Mehrheitschancen in komple xen und widersprüchlichen Interes senkonstellationen Um dennoch die relevanten Er kenntnisse aus der Wissenschaft an gemessen in die demokratische Wil lensbildung einbeziehen zu können bedarf es institutionalisierter Orte wo von anerkannten Experten Hand lungsempfehlungen formuliert und im Sinne transparenter Politikbera tung weitergeben werden Damit kann auch dem Misstrauen vorge beugt werden Experten würden heimlich und unkontrolliert han deln DFK und NZK sind als solche Bera tungsarrangements konzipiert und sollten in diesen Sinne besser ge nutzt werden Herzliche Grüße Wolfgang Kahl

Vorschau DFK forum kp 01-2019 Seite 4
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