DEMOKRATIE UND PRÄVENTION 4 forum kriminalprävention 2 2019 ren könne Die Mitglieder einer Gesell schaft müssen ihrem Staat Vertrauen entgegenbringen und Verantwortung übernehmen Bedingungen also die nicht durch Gesetze und Verordnun gen vorgeschrieben werden können Demokratie ist mithin eine parado xe Form von Gesellschaft Sie kann Zu sammenhalt nur sicherstellen wenn dieser jenseits der Verfassung schon existiert Es bedarf demnach einer weitgehenden Übereinstimmung der Menschen Teil einer auf freiheitli chen und solidarischen Werten beru henden und in diesem Sinne gleichge sinnten Gemeinschaft sein zu wollen Auf einer solchen Grundlage ermög licht Demokratie Interessenkonflik te auszuhalten und zu managen Um die grundsätzlich gegebene Span nung zwischen individuellen und kol lektiven Interessen produktiv halten zu können bedarf es eines Mindest maßes nicht nur an materiellen son dern vor allem an gefühlten Zusam menhalts Eckert betont sodann dass Demo kratie durch das Prinzip von Macht wechsel die Wahrscheinlichkeit von Gewalt reduziere weil Entscheidun gen revidierbar seien Die Bereit schaft Kompromisse einzugehen er höhe sich dadurch Wie immer auch emotionale Dispositionen und politi sche Rechtfertigungen für Gewalt be schaffen sind letztlich geht es dar um wie es dem Rechtsstaat und der Demokratie gelingen kann die grund legenden sozialen ökologischen und weltanschaulichen Konflikte auf die Schiene geregelter Verfahren zu brin gen und damit dem gewalttätigen Kampf zu entziehen Gefährdungen Welzer und Eckert sehen Gefah ren für den demokratischen Zusam menhalt der Gesellschaft und bei den Fähigkeiten der Demokratie die zu künftigen gesellschaftlichen und po litischen Problemlagen angemessen bewältigen zu können Jenseits der Regulierung von Interessenkonflik ten komme es darauf an dass Men schen nicht vor der Freiheit in eine vermeintliche Sicherheit flüchten und auf ihre Autonomie verzichten In diesem Sinn ist eine liberale Demo kratie immer auch eine Zumutung für Menschen die viel Orientierung Halt Anweisung brauchen Welzer Die Attraktivität von autokrati schen und totalitären Gesellschaften liege für viele Menschen in dieser Ent lastung von Autonomie und Freiheit und im Aufgehen in einem Volkswil len oder einem nach Kriterien der Zu gehörigkeit definierten Kollektiv Be sonders attraktiv sei die Flucht vor der Freiheit demgemäß für Menschen die aufgrund ihrer sozialen und menta len Lage besonders großen Orientie rungsbedarf haben oder anders ge sagt in scheinbar unsicheren Zeiten besonders viel Vergemeinschaftung und Suspendierung von eigener Ver antwortung brauchen Was für die Demokratie dabei wirklich gefährlich wird ist das Einwandern von Begriffen Themen und Deutungen in die gesell schaftlichen Normalitätserwartungen die zuvor als extrem betrachtet wur den Welzer im Sinne einer Umco dierung dessen was als erwünscht und verwerflich gut und schlecht ordnungsgemäß und kriminell gilt Es handele sich weniger um die Abge hängten als vielmehr um Abstiegs bedrohten die am ehesten zu auto ritären Einstellungen neigen Wenn die weicheren Faktoren so gar bedeutsamer als die soziale Lage sind um einen Schwenk von Teilen der Gesellschaft zum Rechtspopu lismus zu erklären beleuchten bei de Wissenschaftler die Sorge um die Zukunft als zentrales Motiv Solche Befürchtungen sollten ernst genom men werden auch wenn die Erosion der Systemzustimmung vor dem Hin tergrund einer hervorragenden wirt schaftlichen Lage in Deutschland pa radox erscheinen mag Konfliktszenarien Eckert weist auf Konfliktszenarien hin die bereits die Gegenwart betref fen und für die Zukunft relevant sind Konflikt um Ökologie Von einer Problemlösung der bereits seit den 1960er Jahren andauernden ökolo gischen Krise könne bis heute kaum die Rede sein Nicht einmal der Kli mawandel sei bisher als Faktum weltweit anerkannt Konflikt um Einwanderung Zu wanderung werde in Deutschland bereits seit Jahrzehnten symbo lisch dramatisiert seit 2015 in be sonderer Konfrontation zwischen weltoffener Willkommenskultur und ethnisch kulturell definiertem Deutschtum Rund um den Erd ball verstärken sich die Bestrebun gen den Hilfsverpflichtungen der Genfer Flüchtlingskonvention und des Asylrechts entgegenzutreten Migranten abzuwehren oder zumin dest ihre Auswahl dem Primat natio nalen Nutzens zu unterstellen Die Krise der Finanzmärkte Der konstitutionelle Staat als Instru ment des sozialen und rechtlichen Ausgleichs gerate insbesondere durch die Konkurrenz der Steuer standorte in Bedrängnis Ihm feh len die Mittel um für Sicherheit und Ausgleich in der Gesellschaft sor gen zu können Weitere Konfliktlinien seien das Überdauern patriarchalischer Ord nungen in Migrantenmilieus sowie eine Rückbesinnung auf hierarchische Ordnungen in konservativen Kreisen Beide Trends bedrängen das Bild des selbstbestimmten urteilsfähigen au tonomen Menschen Eckert schluss folgert die Kumulation der Konflik te über den Weg in die Zukunft könne die Akzeptanz von Rechtsstaat und Demokratie und das Vertrauen in die Institutionen und ihre Verarbeitungs kapazitäten erschüttern Zukunftsbremsen die drei apokalyptischen Reiter Welzer konstatiert dass zu we nig Energie und Intellekt darauf ver wendet wurde das demokratische Modell auch unter Bedingungen ver schärften ökologischen Drucks wach sender Migrationsbewegungen verän derter Medienlandschaften robust zu halten und zukunftsfähig zu machen Die Zukunftsorientierung der bisheri gen Moderne werde von einer Gegen wartsdominanz verdrängt totaler Konsumismus Hyperkon sum und Sofortismus der unverzö gerten Bedürfnisbefriedigung totale Berechenbarkeit Digitali sierung verhindert Zukunftsoffen heit durch ein Berechenbarkeitspa radigma totale Katastrophe Klimafor schung erzeuge leider auch das Bild der Dystopie einer Zukunfts erzählung des Planeten mit nega tivem Ausgang Es entwickele sich eine Kultur der Zukunftsverhinderung Zukunft ist das was nicht passieren darf Das Ziel ist es den Status quo und wäre er noch so übel zu retten vor dem Angriff einer dystopischen Zukunft 2 2 Claudius Seidl Der Mann aus der Zukunft In Dana Gie secke et al Hg Welzers Welt Störungen im Betriebs ablauf Frankfurt M Fischer 2018 S 374 ff

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