DEMOKRATIE UND PRÄVENTION 5forum kriminalprävention 2 2019 Daran knüpft die Forderung dass man das zivilisatorische Projekt der Moderne nicht fortsetzen könne ohne die Idee von einer Zukunft zu ha ben die ein besseres Leben vorsieht Mehr soziale Gerechtigkeit mehr per sönliche Autonomie mehr verfügba re Zeit weniger Gewalt und Zwang auf der Basis eines nachhaltigen Um gangs mit den natürlichen Vorausset zungen des Überlebens Demokratie förderung sollte mithelfen positive Zukunftsbilder zu entwickeln und in ersten Schritten erlebbar zu machen Politische Kommunikation Für eine stabile politische Kultur komme es nach Welzer darauf an den medialen Trend hin zu antagonisti schen Zuspitzungen in Kommunikati on wieder zu verdrängen Für gesell schaftlichen Zusammenhalt ist es weit förderlicher wenn die Voraussetzung besteht dass man bei allen politischen Differenzen in einem gemeinsamen Referenzrahmen nämlich dem der li beralen Demokratie und der offenen Gesellschaft handelt und sich entspre chend nicht als Feinde betrachtet Eckert spitzt umgekehrt zu Sowohl die Entgrenzung kämpferischer Lei denschaften als auch der kompromiss lose Glaube an nur ein Prinzip das alle Probleme lösen würde beide würden das gemeinsame Schiff schnell zum Kentern bringen Es komme daher darauf an in der politischen Kommunikation immer wieder deutlich zu machen welche Er folge und welche Bewältigungskapazi tät die liberale Demokratie vorzuwei sen hat anstatt sie durch permanente Thematisierung von Dysfunktionalitä ten abzuwerten Nötig sei ein Kultur wandel in der politischen wie in der medialen Kommunikation Präventionsansätze und felder Während Welzer in seinem Essay die Fortentwicklung des demokratischen Projekts als Voraussetzung einer zivi len und friedlichen Gesellschaft her ausarbeitet konzentriert sich Roland Eckert sodann auf die konkreten An sätze und Felder der Prävention um Anreize für Gewalt in dem Zusammen leben von Menschen zu reduzieren und friedliche Verhaltensweisen zu fördern was immer auch der Demokratie zugu tekomme Individualprävention auf Verhältnisse bezogene Konfliktbear beitung und Training von sozialer Teil habe Genannt werden pädagogische Konzepte Erziehungshilfen schuli sche Prävention Sozialarbeit Berufs bildung Gemeinwesenarbeit Schlich tung Aufklärung in den neuen Medien deeskalierendes Versammlungsrecht Verbandsklage demokratische Kon trolle der Sicherheitsbehörden und Lobbyismuskontrolle Demokratiepädagogik neuen Typs Harald Welzer betont die histo risch politische Bildung als Demokra tieverstärker sieht allerdings Anlass die Vermittlungspraxis zu moderni sieren Rituale der Holocausterinne rung seien für junge Menschen we nig anschlussfähig wenn sie mit einer moralischen Gebrauchsanweisung versehen seien Aktive Aneignungs prozesse und die Entwicklung eigen ständiger Deutungen und Bewer tungen sind viel nachhaltiger für das Demokratiebewusstsein als die Über nahme vorgefertigter moralistischer Glaubenssätze Wenn Lernen am historischen Gegenstand heute einen Sinn haben kann dann den ein Sen sorium für die Potenziale zum Guten oder Schlechten entwickeln zu kön nen die in Gegenwartskonstellatio nen schlummern und ein wirksames Unterscheidungsvermögen dafür zu haben welche Option unter gegebe nen Bedingungen humanen und wel che gegenmenschlichen Entwicklun gen dient Immerhin seien Nazis keine Iden tifikationsfiguren ein Erfolg der deutschen Erinnerungskultur den noch gewönnen menschenfeindliche autoritäre demokratieskeptische und verschwörungstheoretische Einstel lungen derzeit auch bei Anhängern der etablierten Parteien an Bedeu tung vgl Friedrich Ebert Stiftung Verlorene Mitte Feindselige Zustän de Ergebniszusammenfassung in die sem Heft Daher sollten politische Bil dung Demokratiepädagogik Men schenrechtserziehung und Gewalt prävention auf die Herstellung von Unterscheidungsvermögen zwischen richtigen und falschen tolerablen und inakzeptablen Verhaltensweisen und Entwicklungen abzielen Die Aus einandersetzung mit Ausgrenzungs und Gewaltprozessen müsse zudem mit gegenteiligen Phänomenen wie Solidarität Hilfeverhalten Widerstand oder anderen Aspekten prosozialen Verhaltens balanciert werden Bür gergesellschaftliche Lernorte müs sen bei ihren Nutzern Vertrauen in die Ausgestaltungsmöglichkeiten eigener Handlungsspielräume erwecken und bestärken Daher geht es allem auch um die Sichtbarmachung und Erfahr barkeit gegebener Handlungsspielräu me und die Einübung von Autonomie und Resilienz also die Aufrechterhal tung von Handlungsperspektiven auch unter äußerlich einschränkenden Be dingungen Welzer regt an Lernorte für die De mokratie zu schaffen in dem die Po tenziale und Bedingungen des sozia len Handelns anschaulich spannend und aktivierend erschlossen werden können wie etwa das aktuelle Demo kratie Labor im Deutschen Histori schen Museum vgl Beitrag in diesem Heft Am historischen Fall der natio nalsozialistischen Ausgrenzungsgesell schaft kann darüber hinaus dargestellt werden wie sich die normativen Per spektiven ganz normaler Bürgerinnen und Bürger im Zeitverlauf so verändern können dass gegenmenschliche Prak tiken zunehmend als akzeptabel und alltäglich erscheinen Alle Einzelschrit te des sozialen Ausgrenzungsprozesses der jüdischen Deutschen fanden in der Öffentlichkeit statt was sich durch entsprechende Ausstellungstechniken eindrücklich darstellen lässt die etwa die Betrachter per Videotechnik in Zu schauergruppen von antijüdischer Ge walt projizieren Oder umgekehrt Am Beispiel der Bürgerrechtsbewegung in der DDR lässt sich zeigen wie wo und unter welchen Dynamiken sich die Teil nehmerzahlen an den Demonstratio nen erhöhten und Widerstandspoten ziale sukzessive erweitert wurden Fazit Eckert und Welzer sind sich einig dass die Fortdauer der Errungen schaften des demokratischen Rechts staats keines wegs selbstverständlich sei Einerseits müssten die gegen wärtigen Tendenzen die Demokratie in Zweifel zu ziehen und anzugreifen im gesellschaftlichen Diskurs ausge halten werden anderseits werde es problematisch wenn konzeptionel ler Anspruch sowie wahrgenom mene Wirklichkeit auseinanderklaf fen und sich die Bürger innen nicht mehr mit der realen Demokratiepra xis identifi zieren können Daher seien alle Möglichkeiten und Formate der Demokratieförderung und Prävention

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