EXTREMISMUSPRÄVENTION 4 forum kriminalprävention 3 2019 Gewinnung der Evaluations kriterien Bei der Entwicklung von EvIs wur den von Beginn an Akteur innen aus dem Feld der Islamismuspräventi on einbezogen Dabei handelte es sich um Expert innen mit einschlägi gen Berufserfahrungen sowie Perso nen die im Mittelpunkt des Diskurses um Radikalisierung stehen und somit über lebensweltliche Erfahrungswer te verfügen Dieser partizipative An satz wurde gewählt um 1 ein an wendungsorientiertes Verständnis von islamistischer Radikalisierung ab zubilden und 2 die Akzeptanz der Kri terien bei den Praktiker innen im Feld zu erhöhen Der methodische Zugang zur Ge winnung der Kriterien war primär qualitativ siehe auch Ullrich Mous sa Nabo Nehlsen de la Chaux 2018 sowie Ullrich Moussa Nabo Nehlsen Armborst 2019 Insgesamt wur den elf Fokusgruppen und Expert in neninterviews mit 45 Teilnehmenden durchgeführt Da anzunehmen war dass das Verständnis von Radikalisie rungsprozessen und merkmalen über verschiedene Berufsgruppen und Zu gänge hinweg verschieden ist wur den die Teilnehmenden aus sehr un terschiedlichen Bereichen rekrutiert um dieser Heterogenität gerecht zu werden Die Bereiche umfassten pri mär universelle und sekundär selekti ve Prävention Sicherheitsbehörden Justizvollzugsanstalten Flüchtlings unterkünfte psychiatrisch psycholo gische Sachverständige muslimische Jugendliche sowie Imame Die Fokus gruppen und Expert inneninterviews wurden mithilfe eines Leitfadens durchgeführt und die Teilnehmenden waren aufgefordert Indikatoren und Frühwarnzeichen Resilienz und Risi kofaktoren sowie genderspezifische Merkmale von Radikalisierungsprozes sen zu diskutieren Mit Einverständnis der Teilnehmenden wurden diese Dis kussionen auditiv aufgezeichnet und transkribiert Die inhaltsanalytische Auswertung der Transkripte erfolgte mittels der Software MAXQDA 12 und resultierte in insgesamt 131 Merkmalen 88 Indi katoren von Hinwendungsprozessen zum Islamismus inklusive genderspe zifischer Merkmale 12 Schutzfakto ren 16 statische Risikofaktoren sowie 15 gesellschaftliche Kontextfaktoren Dieser Indikatorenpool wurde dann in einem iterativen Prozess reduziert siehe Abbildung 1 um die Praxis tauglichkeit des Instruments zu ge währleisten 1 In einem ersten Schritt wurde die Entscheidung getroffen den wei teren Prozess auf die 88 dynami schen Indikatoren zu fokussieren Obwohl die Relevanz von Resilienz und Schutzfaktoren in der Islamis musprävention unumstritten ist Lösel et al 2018 zeigte sich dass entsprechende Merkmale aus dem Indikatorenpool meist lediglich eine Umkehrung bereits genannter Risi koindikatoren darstellten Um Re dundanzen zu vermeiden werden Schutzfaktoren daher nicht zusätz lich in dem Kriterienkatalog aufge führt Auch unveränderliche stati sche Merkmale wurden zunächst exkludiert da sich hiermit keine Ver änderungen abbilden lassen Nach Diskussion mit Praktiker innen sie he Punkt 4 wurde eine Auswahl Kritische Lebensereignisse wie der eingeschlossen Fokussiert wur de jedoch auf Bewältigungsstrate gien anstatt ein solches Ereignis lediglich isoliert zu erfassen Weiterhin wurden die Indikatoren auf Kontextspezifität geprüft d h es wurde ermittelt in wie vielen der oben genannten thematischen Be reiche ein Indikator genannt wur de Einige wenige Indikatoren wa ren nur in einem Bereich genannt worden und wurden als zu kontext spezifisch ausgeschlossen Auch Merkmale die wiederholt als so ver breitet und prinzipiell unproblema tisch beschrieben wurden dass sie in Bezug auf Radikalisierungspro zesse nicht aussagekräftig waren wurden exkludiert 2 In einem weiteren Schritt wurde mittels einer systematischen Lite raturrecherche die Übereinstim mung des von uns gewonnenen Indikatorenkatalogs mit in der Li teratur bereits existierenden Inst rumenten und Skalen zur Einschät zung von Radikalisierung geprüft Es ergaben sich hierbei große in haltliche Überlappungen wobei die Schwerpunkte hinsichtlich Verhal tens bzw Einstellungsebene sowie die Anwendungszwecke der Instru mente deutlich variierten 3 Weiterhin wurde geprüft ob die Beurteilung der Merkmale durch unterschiedliche Personen mit zufriedenstellender Übereinstim mung erfolgt Dies geschah durch die Anwendung der Indikatoren auf Strafgefangene mit Radikali sierungsverdacht anhand einer Auswertung von Justizvollzugsan staltsakten War es zwei Beurtei lenden nicht möglich bei ausrei chenden Informationen zu einer vergleichbaren Beurteilung des Indikators zu kommen wurde ge prüft ob eine präzisere Definition diese Übereinstimmung verbes sern kann In einigen wenigen Fäl len war dies aufgrund der Komple xität des Indikators nicht möglich und diese Merkmale wurden ausge schlossen 4 Um dem partizipativen Ansatz ge recht zu werden wurde in einem letzten Schritt noch einmal die Dis kussion mit Praktiker innen im Feld der sekundär selektiven und terti är indizierten Prävention gesucht und diese wurden um Rückmel dung hinsichtlich der Relevanz und Verständlichkeit der ausgewählten Generalisierbarkeit und allgemeine Relevanz Übereinstimmung mit der Literatur Güte der Definitionen Praxisrelevanz Statische Risikofaktoren Schutz und Kontextfaktoren Abb 1 Iterativer Prozess der Indikatorenauswahl

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