9forum kriminalprävention 4 2019 SCHWERPUNKT Soziale Arbeit als Verhältnisarbeit Einführung Prävention als sozialarbeiterisches Handlungsprinzip gilt als Zauberfor mel u a Böllert 1995 Wohlgemut 2009 die verspricht den von der Ge sellschaft als unerwünscht oder gar bedrohend erachteten Verhaltens weisen und ihren Folgen zuvorzukom men Der zugrunde liegende Gedanke dass Vorbeugen besser sei als Hei len bedeutet dass man versucht möglichst früh anzusetzen um das jeweilige Übel soweit als möglich zu verhindern Lüders 2016 512 Prä vention ist damit eine Verheißung Schaden und Schädigungen Wohl gemut 2009 11 abwenden zu kön nen d h mit ihr wird eine vermeint liche Sicherheit verkauft und zwar unabhängig davon ob Erfolge nach gewiesen werden können oder nicht Von ihren Vertretern innen wird die Präventionsorientierung als alterna tivlos dargestellt da ein Abwarten und demnach auch ein Zulassen po tenzieller Gefahren moralisch nicht vertretbar wäre vgl ebd Dollinger 2006 147 Das Angebot im Präventi onswarenhaus vgl Volkmann 2002 ist reichhaltig und offenbar äußerst anschlussfähig für die Soziale Arbeit Unter dem Banner von Prävention werden in der Sozialen Arbeit Maß nahmen und Trainings angeboten die das Handeln von Individuen meist Jugendlichen und jungen Erwachse nen beeinflussen und verändern sol len um deviantes insbesondere de linquentes Verhalten zu verhindern Prävention kann im Rahmen dieser Praxis als sozialarbeiterische Verhal tensarbeit verstanden werden die am Wissen und Verhalten von Indivi duen ansetzt vgl Lüders 2016 520 Dem entgegen steht ein Verständnis sozialarbeiterischer Verhältnisarbeit die Strategien und Ansätze umfasst die versuchen jene Lebens oder Um weltbedingungen die als problemer zeugend gelten zu beeinflussen und umzugestalten offen gegenüber den Adressaten innen und ihren Deutun gen zu sein sowie ihre Bewältigungs kompetenzen zu stärken In diesem Zusammenhang rücken auch formelle und informelle Bil dungsangebote in den präventions orientierten Blick bei denen nicht selten die Prozesse gesellschaftlich ungleicher Selektionsmechanismen unbeachtet bleiben und stattdessen die gesellschaftlich bedingten Prob lemlagen einzelnen Jugendlichen als Akteuren zugeschrieben und somit in dividualisiert werden vgl Mensching 2017 Vorbeugen ist eben nicht immer besser als heilen sondern es gilt die unerwünschten Nebenwirkungen der Dauermedikation Prävention zu re flektieren vgl Mensching 2005 Eine kritische Perspektive auf die Präventionsfixierung Obwohl sich Prävention als Hand lungsprinzip und Legitimationsmus ter großer Beliebtheit in der Sozia len Arbeit erfreut gab und gibt es immer wieder kritische Stimmen nicht primär gegenüber konkreten Maßnahmen und Programmen son dern gegenüber den darin angeleg ten grundsätzlichen Sichtweisen und Haltungen Sechs Punkte sind dabei von zentraler Bedeutung 1 Prävention setzt eine Definiti on der zu vermeidenden Probleme Zustände und deren Folgen voraus Konstitutiv für diese sind ihre Zu kunftsbezogenheit Holthusen et al 2011 23 siehe auch Lüders 2016 523 f d h sie sind noch nicht eingetreten Stefanie Kessler Anja Mensching Der Beitrag plädiert für eine kritische Reflexion der Fixierung auf Verhaltens prävention in der Sozialen Arbeit In einer kritischen Auseinandersetzung mit dieser Präventionsorientierung sollen Möglichkeiten und Ansätze sozial arbeiterischer Praxis als Verhältnisarbeit aufgezeigt werden Prävention lebt insofern von Progno sen nicht selten Bedrohungsszenari en und erfordert ausreichend Über zeugungskraft in der glaubhaften Vermittlung dass präventive Ansätze diese unerwünschten künftigen Zu stände verhindern können Zugleich gibt es keine Garantie dass diese Probleme wirklich eintreten würden und sie tatsächlich durch Abwehrbe mühungen vermieden werden ergo mehr Sicherheit bieten vgl Mensch ing 2005 Das allein macht Präven tion zu einem fragwürdigen Unter nehmen Holthusen et al 2011 23 Überdies gibt es keinen definierten Zeitpunkt der Zielerreichung da das Unerwünschte ja eventuell noch ein treten könnte wodurch Prävention gleichsam zur Daueraufgabe ebd wird Auf unerwünschtes nicht sel ten kriminalisierbares Handeln soll im Sinne der Präventionslogik nicht mehr reagiert sondern im Vorhinein dagegen angegangen werden Hierin verbirgt sich ein paradoxer Auftrag denn es wird gegen ein potenziell zu künftiges Verhalten interveniert das eventuell auch ohne diese Abwehr bemühung nie eingetreten wäre vgl Mensching 2005 Aber Wie weit darf diese Vorverlagerung reichen Was ist unter dem Label Prävention erlaubt 2 Grundlegender stellt sich hier die Frage wer definiert was als un erwünscht gilt Die gesellschaftlichen Konstruktionen dessen was normal tolerierbar abweichend bzw präven tiv zu verhindern ist unterliegen ei nem ständigen Wandel und weisen kulturelle Differenzen auf Im Kon kreten sind es jedoch nicht selten die verantwortlichen Akteure präventi ver Maßnahmen also die Sozialarbei ter innen selbst die sich ihre Ge genstände schaffen Holthusen et al 2011 23 indem sie einen Zusam menhang zwischen gegenwärtigen Phänomenen und zukünftigen Ereig nissen postulieren Allein durch die Tä tigkeit in der präventiven Praxis re produziert man zumindest implizit die jeweilige Problemdefinition und Normvorstellung da diese die Grund lage eben jener Praxis darstellt Von den Praktikern innen werden die als

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