KOMMUNALE KRIMINALPRÄVENTION 22 forum kriminalprävention 1 2020 ter Kriminalprävention innerhalb der Zuständigkeit von Städten und Kom munen und stellt auch innerhalb der hessischen Polizei im Präventionsbe reich E4 einen Schwerpunkt3 dar Dies liegt insbesondere auch darin be gründet dass der Einfluss der Wohn umwelt und deren Nutzungsstruktu ren in Bezug auf die Entstehung und Entwicklung von Kriminalitätsstruk turen weitgehend unbestritten4 sind So hat u a die Veränderung von Tat gelegenheiten innerhalb des öffent lichen Raumes Auswirkungen auf po tenzielle Täter sowie Opfer und Dritte im Rahmen ihrer Kriminalitätsfurcht 5 Wenngleich so schon Kube 2003 zu treffend in einem stringenten Sinne keine monokausalen Zusammenhän ge zwischen Raumfaktoren und Kri minalität 6 festgestellt werden kön nen lassen sich Wechselbeziehungen insoweit identifizieren als dass die Gestaltung des öffentlichen Raumes das Auftreten von Kriminalität in ge wissem Maße begünstigen7 und somit diesem Phänomen auch entgegenwir ken kann Müller formulierte hierzu metaphorisch Die bauliche Umwelt ist nur als ein Mosaikstein zu verste hen der mit vielen anderen vor allem sozialen Komponenten das Gesamt bild Kriminalität ergibt 8 Allerdings zeigen die Erfahrun gen in der Zusammenarbeit mit hes sischen Kommunen dass Kenntnisse über die Funktionsweise und Bedeu tung dieses Präventionsbereiches dort wo sie aufgrund ihres Zustän digkeitsbereiches primär nötig wären nämlich innerhalb der kommunalen Ordnungs und Stadtplanungsämter großteils nicht oder nur in Ansätzen vorhanden sind und auch die Thematik als solche zum Teil auf Skepsis stößt 9 Auch zeigt sich dass es im kommu nalen Bauplanungsprozess nach wie vor die Ausnahme10 darstellt dass kri minalpräventive Aspekte unter Rück griff auf evidenzbasierte Erkenntnis se im Bereich der städtebaulichen Kriminalprävention Eingang in die Ab wägung finden Diese Divergenz zwi schen über die Jahre wissenschaftlich gewonnener Evidenz sowie theoreti schem Wissen und deren Berücksich tigung in der Praxis stellt nach wie vor eine Herausforderung dar und sollte die Wissenschaft und die Polizei mo tivieren die kommunalen Akteure für diesen Bereich hinreichend zu sensi bilisieren und zu schulen Dabei muss neben konkreten Maß nahmen die die Entstehung von sog Hotspots Kriminalitätsschwerpunk ten 11 vorbeugen bzw diese reduzie ren eindämmen oder ggf auch auf lösen können auch ein Schwerpunkt in Bezug auf die theoretische Basis die Funktionsweise und den Sinn und Zweck städtebaulicher Kriminalprä vention gelegt werden Denn die lang fristige und vor allem nachhaltige Um setzung evidenzbasierter Strategien in diesem Bereich setzt theoretische Grundlagen zwingend voraus Wäh rend sich die grundsätzliche Bedeu tung bereits daraus ergibt dass Bau vorhaben typischerweise Jahrzehnte überdauern sollen stellt die theoreti sche Basis aus welcher konkrete Maß nahmen abgeleitet werden sowie de ren kriminalpräventive Wirkungsweise nach wie vor Sonderwissen dar 12 Der Erfolg solcher Maßnahmen hängt letztlich auch wie die Ent stehung von Kriminalität und Krimi nalitätsfurcht selbst vom Zusam menspiel von baulichen und sozialen Faktoren und dabei der Interaktion von Individuen mit ihrer Umwelt ab womit dem Städtebau die Rolle bloß einer wenngleich nicht unwesentli chen Stellschraube oder eines Mosa iksteins innerhalb dieses komplexen Gefüges zukommt Nur unter Berück sichtigung der Erkenntnis dass Krimi nalität wie auch die Furcht vor jener nicht monokausal entstehen können individuelle Maßnahmen erarbeitet und implementiert werden 13 Gemeinsamkeiten hessischer Kommunen Innerhalb der bereits untersuchten Kommunen lassen sich Ähnlichkeiten erkennen So verfügt fast jede Kom mune über sog Angsträume also Orte im öffentlichen Raum die so auch das Ergebnis der bislang durchge führten Bürgerbefragungen insbe sondere zur Nachtzeit aber teilwei se auch zur Tageszeit aus Angst vor befürchteter Kriminalität gemieden werden da sich dort Unsicherheitsge fühle bündeln 14 Diese Erkenntnis ist zwar nicht verwunderlich allerdings sowohl für das Sicherheitsempfinden und damit die Lebensqualität der Be völkerung innerhalb einer Kommune als auch hinsichtlich der objektiven Si cherheit problematisch Eine ausge prägte Kriminalitätsfurcht kann regel mäßig die individuelle Lebensqualität beeinflussen indem bestimmte Ver haltensweisen der Bürgerinnen und Bürger wie beispielsweise außer häusliche Aktivitäten eingeschränkt oder unterlassen werden und zudem Ressourcen in Gestalt von Zeit und Geld für den Schutz vor Kriminalität aufgewendet werden 15 Diese Verhal tensweisen können in Gänze zu einem Rückgang sozialer Aktivitäten in öf fentlichen Räumen und damit einher gehend zur Abnahme informeller So zialkontrolle16 führen was aufgrund der zurückbleibenden Incivilities die Entstehung von Kriminalität bzw de ren Verfestigung begünstigen kann insbesondere dann wenn die öffent lichen Räume hierdurch ihre sozial in tegrative Funktion verlieren 17 Weiterhin zeigt sich dass die durch die Bevölkerung beschriebe nen Angstorte sich vielfach ähneln So handelt es sich regelmäßig um Bahn höfe und deren Vorplätze Unter führungen U Bahn Stationen Park anlagen bei Dunkelheit bestimmte Straßen oder Orte im Innenstadtbe reich u Ä gemeinhin um Orte wel che zwar tagsüber eine hohe Fre quentierung erfahren welche aber zur Abend und Nachtzeit stark ab nimmt Die beschriebenen Plätze sind zudem oftmals in ihrem baulichen Erscheinungsbild unübersichtlich nur mangelhaft beleuchtet anonym und weisen darüber hinaus vielfälti ge Verfalls und Desorganisationser scheinungen Beschädigungen Graf fiti Schmierereien etc auf Auch dies ist vor dem Hintergrund kriminologi scher Forschung in diesem Bereich18 nicht überraschend und dennoch ver fügt fast jede Kommune über Orte die diese Kriterien erfüllen 3 Von spezialisierter Beratung bis hin zur Verleihung ei nes Gütesiegels 4 Schwind in Jehle Hrsg 2001 S 25 42 Bannenberg 2006 S 775 ff 5 Schmidt in Wulf Hrsg 2014 S 86 6 Kube 2003 S 65 f Flade MschrKrim 1996 S 114 ff 7 Kilb 2011 S 121 f 8 Müller 2015 S 6 9 Vergleichbare Schilderung auch bei Müller 2015 S 6 10 So auch Dünkel Schmidt in Walsh et al Hrsg 2018 S 743 11 Dazu Braga Papachristos Hureau 2012 beachte die Strategie des britischen Homeoffice zur Kriminalprä vention Modern Crime Prevention Strategy 2016 zum Thema Hotspots werden von dem College of Policing What Works Centre for Crime Reduction Kurzanleitungen zur Verfügung gestellt The effects of Hot Spot Policing on Crime What Works Briefing Sept 2013 12 Hermann Laue in Jehle Hrsg 2001 S 89 ff vgl auch die Ergebnisse des Projekts transit transit online info home html 13 Umfassend Starcke 2019 Birkel u a 2019 S 45 ff 14 Kasper 1998 S 108 15 LKA NRW 2006 16 Müller 2015 S 66 17 Müller 2015 S 66 Starcke 2019 18 Hermann Kriminalistik 2011 S 385 ff

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