VERNETZTE PRÄVENTION 33forum kriminalprävention 1 2020 eigenes Rechtsverständnis Famili enangelegenheiten sind demnach untereinander zu regeln auch wenn es um strafrechtlich relevan te Inhalte geht Das in Deutschland geltende Recht ist damit maximal zweitrangig Zusammenfassend handelt es sich also bei dem Kriminalitätsphänomen um Organisierte Kriminalität mit ei nem familiär gelebten kulturellen Kontext einem ausgeprägten terri torialen Eroberungsanspruch und ei nem dem Rechtsstaat diametral ent gegenstehendem Rechtsverständnis Die Territorialität und das eigene Re gelwerk gehen insbesondere bei den jüngeren Mitgliedern mit einem aus geprägten Hang zur Demonstration einher Das zeigen von Luxusgütern und dem bewussten Fehlverhalten in der Öffentlichkeit sind nicht nur An gabe sie markieren auf diese Art und Weise ihr Revier und kommunizieren ihren Machtanspruch auch unterei nander Streitigkeiten brechen deswe gen häufig innerhalb der Familien aus und werden zu gewalttätigen Ausein andersetzungen Gerade der Gewaltkriminalität und den Tumultlagen im öffentlichen Raum wird seit Monaten verstärkt seitens der Sicherheitsbehörden be gegnet Auch die Bekämpfung inkri minierter Vermögenswerte werden unlängst in den Fokus unterschiedli cher Behörden genommen Während die behördlichen Strategien zur Er mittlung und Repression von Clankri minalität in den vergangenen Jahren somit deutlich Kontur gewonnen ha ben sind Empfehlungen zur Clankri minalität noch deutlich seltener zu hören 14 Prävention als Herausforderung Während die Maßnahmen für eine wirksame Repression einfacher zu be nennen sind und bereits kontrovers diskutiert werden gestalten sich die Ansätze für eine wirksame Präventi onsarbeit deutlich schwieriger Das hat mehrere Ursachen Zum einen geht es um Personengruppen die re gelmäßig mit anderen Wertevorstel lungen sozialisiert wurden als sie im demokratischen Rechtsverständnis gelebt werden Das bedeutet die Le benswelt ist eine andere als die der Mehrheitsgesellschaft bzw typi scher Normen in westlichen Demokra tien Zum anderen kann sich der Prä ventionsgedanke schnell im Verdacht des Racial Ethnic Profiling15 verfangen wenn generelle Ansätze für eine ethni sche Gruppe herausgearbeitet werden sollen 16 Zusätzlich wird die Präventi onsarbeit dadurch erschwert dass im Kontext Clankriminalität diverse De likte verwirklicht werden sodass die Maßnahmen nicht lediglich ein Delikt in den Fokus nehmen können In der primären Prävention sol len die gesellschaftlichen Werte und Normen vermittelt und gestärkt wer den In der modernen Kriminologie steht die primäre Kriminalprävention für eine große Vielfalt vorbeugender Strategien die die Wahrscheinlich keit für die Entstehung von Krimina lität bereits im Vorfeld minimieren In Betracht zu ziehen sind zum Beispiel Freizeitangebote für Schüler in Form von Selbstverteidigungskursen für Mädchen oder Sportangebote aber auch architektonische und städte bauliche Maßnahmen sowie schulpsy chologische Beratung im Unterricht um schon Kindern gewaltfreie Metho den zur Konfliktlösung beizubringen Viele präventive Aspekte sind seit vie len Jahren Bestandteil ohne explizit als Präventionsmaßnahme ausgewie sen zu sein Gerade im Kontext krimineller großfamiliärer Strukturen werden die Kinder von klein auf nach tradier tem Familienbild und den damit ver bundenen Vorstellungen sozialisiert Dadurch bekommen Kinder Feind bilder anerzogen Eltern der in Rede stehenden Strukturen vermeiden zu dem häufig Sexualkundeunterricht für die Mädchen Sport Schwimmen etc Ahmet Toprak weist in seinen Ar beiten zu patriarchalen Familienstruk turen stets auf die Rolle von Gewalt als Bestandteil der Erziehung im Sin ne eines Bestrafungssystems hin 17 Entsprechend wäre die primäre Prä vention beispielsweise in Angeboten wie Kindertagesstätten Freizeitsport und auch der Schulpflicht zu sehen die den Kindern mehr Raum außer halb der Familien und damit auch eine andere Einflüsse für ihre Sozialisation bieten Auch sämtliche Möglichkeiten zur Partizipation der Eltern vom Ar beitsleben bis hin zum Vereinswesen kann in diesen Bereich fallen da sie in tegrativ und damit die gesellschaftli chen Normen stärken Auch generel le Aspekte der Wohngegend z B die soziale Infrastruktur Verkehrsanbin dung Heterogenität in der Bevölke rung etc können auf ihr allgemein präventives oder gefährdendes Po tenzial hin betrachtet werden Sekundäre Prävention nimmt Risi kogruppen in den Fokus Zentral sind entsprechend Hilfen zur Bewältigung schwieriger Lebenssituationen um abweichendem Handeln entgegen zuwirken 18 Durch die Erhöhung des Entdeckungsrisikos und damit einer Erschwernis Straftaten zu begehen soll der potenzielle Täter konkret von einem Vorhaben abgehalten werden Weitere Maßnahmen versuchen dies sowohl über eine Erschwerung der Tatbegehung als auch durch eine Mi nimierung von Tatgelegenheiten wie zum Beispiel durch verstärkte Fußbe streifung besonders gefährdeter Ge biete zu erreichen In der sekundären Prävention geht es um das gezielte Ansprechen von Risikogruppen und die Intervention in bereits bestehen de Entwicklungen also um Personen die bereits eine Nähe zum kriminellen Denken und Handeln haben In die Risi kogruppe von Opfern fallen Personen die aufgrund von Strukturmerkmalen beispielsweise gefährdet sind für Be trugsmaschen z B ältere Menschen die im Fokus des Enkeltricks stehen In der sekundären Prävention im Hinblick auf Clankriminalität fallen die gegenwärtigen Kontrollmaßnahmen der Polizei in Szenen Hotspots wie Shishabars und dergleichen sowie an lassbezogene Gefährderansprachen bei auffälligen Gruppen und Verhal ten z B im Kontext von Hochzeiten oder Ähnlichem Doch auch die sozi alpädagogische Arbeit mit Jugendli chen die bereits problematische Ver haltensweisen zeigen fällt hierunter beispielsweise die Aufarbeitung des Konstruktes Ehre in sozialpädago gisch begleiteten Gruppen Im Kon text der sekundären Prävention op ferbezogener Risikogruppen zählt unter anderem die Aufklärungsarbeit der Polizei und Organisationen wie der Weiße Ring e V gegen Betrugs maschen wie falsche Polizeibeamte 14 Dies zeigt sich auch im Zwischenbericht Regierungs kommission Mehr Sicherheit für Nordrhein West falen auch Bosbach Kommission genannt Mög lichkeiten zur Präventionsarbeit werden vor allem im Ausbau von Integrationsbemühungen sowie im Auf bau spezieller Mentoren und Aussteigerprogramme gesehen vgl Mehr Sicherheit für Nordrhein Westfa len Hrsg 2019 S 5 15 Racial Profiling bezeichnet die polizeiliche Ungleich behandlung aufgrund phänotypischer Merkmale also aufgrund der Herkunft Hautfarbe etc vgl Rohde Dienstbühl Labryga in Kriminalpolizei 4 2019 S 15 16 Vgl Dienstbühl in Homeland Security 3 2019 S 7 17 Vgl Toprak 2004 S 62 f Toprak und Nowacki legen dar dass Jugendliche türkischer und ex jugoslawischer Herkunft zwei bis dreimal häufiger von elterlicher Ge waltanwendung betroffen sind als andere Jugendli che vgl Toprak Nowacki 2012 S 46 f 18 Vgl Bubenitschek Greulich Wegel 2014 S 7

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