EXTREME GEWALT UND PRÄVENTION 23forum kriminalprävention 2 2020 subjektiv wahrgenommenen Bedro hungserlebens verletzten oder töte ten sowie Unfälle von Personen die Gas und Bremspedal verwechselten An diesen Beispielen wird die Vielfalt der unter einem Stichwort in der Öf fentlichkeit subsumierten Phänomene deutlich Daher ist ein wissenschaftli ches Verständnis der Phänomenologie und der tat sowie täterbezogenen Dy namik unerlässlich Um eine solche empirische Annä herung zu erlangen eignet sich vor allem die Analyse von Strafakten als zuverlässige Informationsquelle und Standardverfahren der empirisch kri minologischen Forschung Leuschner Hüneke 2016 In der vorliegenden Untersuchung wurde eine Vielzahl un terschiedlicher Variablen erfasst Dazu gehören unter anderem auch auffäl lige Verhaltensweisen im Vorfeld der Tat anhand der Warnverhaltentypo logie Meloy Hoffmann Guldimann James 2012 Mithilfe dieser Typo logie kann das Risiko einer schweren Gewalttat im Hinblick auf den Gesamt kontext eines möglichen bevorste henden Gewaltdelikts beurteilt wer den Tabelle 1 Diese Typologie ist in der For schung bereits etabliert und Warn verhalten konnten im Vorfeld von schweren Gewalttaten regelmäßig be obachtet werden Allwinn et al 2019 Böckler Allwinn Wypych Hoffmann Zick 2020 Meloy Hoffmann Roshdi Guldimann 2014 Methode Zunächst wurde eine umfangreiche Medienrecherche vorgenommen In 73 der 88 dadurch identifizierten Fäl le zwischen 2000 und 2017 ließ sich die zuständige Staatsanwaltschaft ermit teln Es erfolgte die standardisierte Auswertung der 46 übersandten Straf akten auf Grundlage eines umfangrei chen Kodierbogens in Anlehnung an Göbel et al 2016 Dabei wurde folgen de Definition einer Amokfahrt festge legt Nitsche 2018 S 62 2 Eine Amokfahrt ist ein beabsichtig ter Angriff mithilfe eines Fahrzeuges als Tatwaffe bei dem die Tötung oder Verletzung mehrerer zufällig oder ge zielt ausgewählter Personen beabsich tigt oder vollendet wird Auf Grundlage der in dieser Defini tion enthaltenen Einschlusskriterien Tatentschluss und Mehrfachverlet zung tötung wurden 22 Fälle in sta tistische Analysen eingeschlossen Ergebnisse Im Folgenden kann lediglich eine Auswahl der Ergebnisse dargestellt werden Die Akten waren unterschied lich umfangreich sodass nicht immer alle notwendigen Informationen vor lagen Folglich variieren die Grundge samtheiten und die Prozentangaben beziehen sich jeweils auf die beurteil baren Informationen Die Täter Von den insgesamt N 22 Tätern waren 19 männlich 86 4 und drei weiblich 13 6 Im Durchschnitt wa ren die Täter etwa 34 Jahre alt M 33 68 SD 9 32 und in acht Fällen vor bestraft 44 4 Psychiatrische Vorbelastung 66 7 n 12 der Täter waren in der Vergangenheit in ambulanter und 82 4 n 14 in stationärer psychi atrischer und oder psychotherapeu tischer Behandlung In sieben dieser Fälle wurde die Behandlung irregulär beendet Eine psychiatrische Diagno se lag bei 15 Tätern 88 2 zum Tat zeitpunkt vor Abbildung 1 Die Kri terien für eine unipolare Depression erfüllte kein Täter Ein regelmäßiger Substanzmiss brauch in der Vergangenheit lag bei 13 Tätern vor 65 Radikalisierung und Waffenaffinität Keiner der Täter befasste sich mit ideologischen Inhalten Drei 20 waren in der Anwendung von Schuss waffen geübt zwei Täter 12 5 sam melten Waffen und zeigten ein starkes Interesse an diesen Akute Belastungen mit Bezug zur Tat In den zwölf Monaten vor der Tat erlebten 38 9 n 7 der Täter eine partnerschaftliche Zurückweisung z B eine Trennung und 80 0 n 12 äußerten eine Unzufriedenheit be züglich der Beziehung zu wichtigen Bezugspersonen in Form von man gelnder Anerkennung Wertschät zung oder Zuneigung Ein sozialer Rückzug konnte bei 41 2 n 7 fest gestellt werden während 75 0 n 12 unter finanziellen Schwierigkeiten litten 40 0 n 6 der Täter hatten berufliche Probleme aus denen eine Beurlaubung oder Kündigung als dis ziplinarische Konsequenzen resultier ten 3 Abbildung 1 Prozentuale Häufigkeiten der psychiatrischen Diagnosen 2 Diese Definition wurde auf Grundlage der verschie denen Kernmerkmale gängiger Definitionen unter schiedlicher Amokforscher entwickelt Dazu wurden die Definitionen von Adler 2015 S 55 Bannenberg und Kollegen 2014 S 229 sowie Hoffmann 2003 S 399 herangezogen Dabei wurden zwei Kriterien als gemeinsamer Konsens aller drei Definitionen berück sichtigt 1 Die Absicht der Verletzung und oder Tötung von 2 mehr als einer Person 3 Bei zum Tatzeitpunkt erwerbslosen Tätern n 10 45 5 wurde automatisch ein nein kodiert

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