EXTREME GEWALT UND PRÄVENTION 25forum kriminalprävention 2 2020 person wurden oder nicht Direkte Drohungen gegenüber der Zielperson oder eng mit der Zielperson in Verbin dung stehenden Personen wurde in 30 0 n 7 der Fälle beobachtet Wahrnehmung und Reaktion auffälliger Verhaltensweisen im Umfeld des Täters Den Eltern war mindestens ein Warnverhalten in zehn 76 9 bzw den Geschwistern in sechs Fällen 60 0 bekannt Der Ex Partnerin war ein solches Verhalten in zehn 71 4 und der Peer Group z B Freunde in al len Fällen bekannt Das institutionelle Umfeld z B behandelnder Arzt oder involvierte Strafverfolgungsbehörde wusste in 68 8 n 11 von mindes tens einem Warnverhalten Auf das Warnverhalten wurde durch die Familie in acht Fällen reagiert 40 0 und durch die Peers in fünf 22 7 Beispielsweise wurde der zu ständige Arzt oder die Polizei alarmiert Institutionen reagierten in sechs Fällen 30 0 auf das Warnverhalten des Tä ters Beispielsweise wurde die zustän dige Polizeidienststelle durch Ange hörige informiert und von dort die Observation der Wohngegend veran lasst Diskussion Als Vollerhebung und auf Grundla ge von Strafakten untersucht diese empirische Studie erstmals den Phä nomenbereich von Amokfahrten Sie leistet einen empirischen Überblick und die dargestellten Besonderhei ten können zur Prävention solcher Ge walttaten genutzt werden Konsistent mit bisherigen For schungsergebnissen zu Amoktaten Adler et al 1993 Adler Marx Apel Wolfersdorf Hajak 2006 Allwinn et al 2019 Bannenberg et al 2014 Peter Bogerts 2012 handelten die über wiegend männlichen und ledigen Tä ter mittleren Alters als Einzeltäter waren vermehrt erwerbslos und vor bestraft Obwohl die Fallzahlen niedrig und die Schlussfolgerungen deshalb als vorläufig zu betrachten sind erge ben sich erste Hinweise auf einige Be sonderheiten die im Kontrast zu an deren Amoktaten stehen Neben der geringen Tatplanung und den häufig zufällig entstehenden Amokfahrten im Vergleich zu geplanten und weni ger spontanen Amoktaten Allwinn et al 2019 Hoffmann et al 2009 Meloy Hoffmann Roshdi Glaz Ocik Guldi mann 2013 ist die Anzahl der Opfer bei Amokfahrten geringer als bei üb rigen Amoktaten Adler et al 1993 All winn et al 2019 Während die Suizidalität bei Amok taten eine zentrale Rolle spielt Adler 2015 Meloy Hempel Mohandie Shiva Gray 2001 handelten Amokfahrer selten aus suizidalen Motiven Sie be gingen in der Vergangenheit und im Anschluss an die Tat nur wenige Sui zidversuche bzw vollendete Suizide Besonders auffällig ist eine vor dem Anlassdelikt erfolgte ambulante und oder stationäre psychotherapeuti sche bzw psychiatrische Behand lung bei der deutlichen Mehrheit aller Amokfahrer Auffällig ist zudem eine deutlich niedrigere Waffenaffinität und eine erhöhte Intoxikation durch Alkohol oder illegale Drogen zum Tat zeitpunkt im Vergleich zu anderen er wachsenen Amoktätern Allwinn et al 2019 Für die Prävention dürften insbe sondere auffällige Verhaltenswei sen im Vorfeld der Tat relevant sein So wurde unmittelbar vor der Tat bei knapp 80 der Täter ein auffälli ges Verhalten von anderen Personen wahrgenommen wie z B ein auffälli ger Fahrstil Die Analyse der Warnver haltentypologie Meloy et al 2012 ergab dass im Durchschnitt 2 5 Warn verhaltensweisen bei den Tätern prä sent waren Nahezu alle Täter zeigten mindestens ein Warnverhalten das im Vorfeld der Tat grundsätzlich hätte er kannt werden können Auffällig ist dass die Tatplanung also das Warnverhalten Weg zur Ge walt vergleichsweise selten vorhan den war und entsprechende Planungs und Vorbereitungshandlungen erst kurz vor dem Angriff stattfanden Dies steht erneut im deutlichen Kon trast zu anderen weniger spontanen und häufig längerfristig geplanten Amoktaten Allwinn et al 2019 Hoff mann et al 2009 Bei fast 90 der Tä ter war eine Fixierung auf einen Miss stand oder eine bestimmte Person zu erkennen die häufig zu einer wahr nehmbaren Emotionalität und nega tiven Auswirkungen auf das soziale Umfeld des Täters führte Im Einklang mit der gehäuften Fixierung kann das Ergebnis des Energieschubs betrach tet werden So zeigen Amokfahrer mit zunehmender Häufigkeit vielfältige Aktivitäten die mit der Tat oder der Zielperson in Zusammenhang stan den wobei in zwei Dritteln der Fälle dieser Anstieg mehr als sechs Mona te vor der Tat zu verzeichnen war Im Unterschied zu jugendlichen Amoktä tern an Schulen Hoffmann et al 2009 oder terroristischen Einzeltätern Me loy Gill 2016 identifizierte sich keiner der Amokfahrer mit anderen Gewalt tätern oder taten Dass Dritte häufig Kenntnis über die Absicht des Täters hatten zeigte sich auch in der hohen Anzahl der direkten Drohungen bei 60 der Fälle Zwar wurden nicht im mer auch die bedrohten Personen zum Ziel der späteren Gewalttat dies ist jedoch für die Gefahrenabwehr und die Bedeutsamkeit von Gewalt und Todesdrohungen als Risikoindikator unerheblich Vor dem Hintergrund der gewonnenen Erkenntnisse sollte Dro hungen unabhängig gegen wen oder was sie sich richten eine wichtige Re levanz beigemessen werden Obwohl auffällige Entwicklungen in Richtung einer schweren Gewalt tat von anderen Personen oder Ins titutionen bemerkt wurden bleiben oftmals konkrete Handlungsmaßnah men zur Prävention entsprechender Taten aus Auf Grundlage der vorlie genden Daten können keine eindeu tigen Gründe dafür benannt werden Jedoch wurde deutlich dass Perso nen aus dem Umfeld des Täters auf grund der hohen Gewaltbereitschaft Abstand davon nahmen sich an die Polizei zu wenden Darüber hinaus wurde das Gefährdungspotenzial des späteren Täters im Hinblick auf Eigen und Fremdgefährdung durch die be teiligten Strafverfolgungsbehörden und unterstützende bzw behandeln de Institutionen nicht immer erkannt Grundsätzlich empfiehlt sich eine bessere Vernetzung und ein regel mäßiger Austausch aller beteiligten Institutionen etwa mit dem Ansatz eines regionalen und vernetzten Be drohungsmanagements wie er im deutschsprachigen Raum erstmals in dem Schweizer Kanton Solothurn etabliert wurde Hoffmann Roshdi Rohr 2013 Am Beispiel der Amokfahrt von Münster zeigte sich dass der So zialpsychiatrische Dienst am Tattag keine Kenntnis über die Suizidankün digung hatte Einzelpersonen sollten dazu ermutigt werden Strafverfol gungsbehörden von auffälligen Beob achtungen zu berichten Zudem wäre es von Vorteil regelmäßige Schulun gen für Personen anzubieten die ei gen oder fremdgefährdendes Verhal ten kontinuierlich beurteilen müssen Auch dürfte die Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen und eine konsequentere Behandlung präventiv

Vorschau DFK forum kp 02-2020 Seite 27
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