SEXUELLER MISSBRAUCH 35forum kriminalprävention 2 2020 Tatbegehungsmuster bei sexuellem Missbrauch von Kindern Eine Typologie auf Basis polizeilicher Datenbank informationen Teil 1 Jürgen Biedermann1 Klaus Peter Dahle Sexualstraftäter stellen eine heterogene Population dar selbst innerhalb der Teilgruppe des sexuellen Missbrauchs von Kindern Für eine wirksame Präven tion und Strafverfolgung muss diese Heterogenität entsprechend berücksich tigt werden Typologien und die damit mögliche Identifikation homogene rer Teilgruppen strukturieren die Vielfalt des Phänomens und sind daher eine wichtige Grundlage für die Forschung und Praxis Sie unterstützen die Ent wicklung theoretischer Modelle um die Phänomene zu erklären und im Wei teren Interventions und Präventionsansätze abzuleiten Das Ziel dieser Untersuchung bestand deshalb in einer typologischen Diffe renzierung verschiedener Tatbegehungsmuster bei sexuellem Missbrauch von Kindern Hierfür wurden mithilfe einer Latent Class Analyse LCA 2204 Fälle des sexuellen Missbrauchs von Kindern analysiert die im polizeilichen Datenbank system POLAS des Landes Brandenburg hinterlegt waren und zwischen 2013 und 2018 an die Polizeiliche Kriminalstatistik gemeldet wurden Es wurden sieben Varianten Klassen von Tatbegehungsmustern identifi ziert Das Zusammenspiel der Tatbegehungsmerkmale in den einzelnen Klas sen zeigt sich in der Analyse von Freitextschilderungen Der Beitrag erläutert im ersten Teil Zielstellung Methode sowie erste Ergeb nisse und benennt die Literaturquellen Im zweiten Teil Septemberausgabe werden die einzelnen Tatbegehungsklassen näher charakterisiert und klassen spezifische Implikationen für die Prävention und Strafverfolgung ausgeführt Einleitung Sexualdelikte stehen traditionell im Fokus der medialen als auch öffentli chen Aufmerksamkeit und gelten als wichtige Einflussgröße auf das allge meine Sicherheitsgefühl in der Be völkerung Etwaige Fehler und Ver säumnisse aufseiten der Polizei und weiterer staatlicher Stellen werden sehr kritisch verfolgt wie sich dies jüngst bei bekannt gewordenen se xuellen Missbrauchshandlungen auf einem Campingplatz in Lügde zeigte Wahl Immel Linnhof 2019 Ein Problem bei Sexualdelikten im Allgemeinen und sexuellen Miss brauchstaten im Speziellen stellt eine stereotype und verzerrte Wahrneh mung dieser Delikte in der Öffent lichkeit dar die die große Heterogeni tät der Phänomene nicht ausreichend berücksichtigt Irreführende Vorstel lungen existieren beispielsweise hin sichtlich der verbreiteten Vermutung eines grundsätzlich hohen Rückfallri sikos bei Sexualstraftätern Stereoty pe finden sich aber auch hinsichtlich der vermuteten Tatbegehungsformen und der Annahme ursächlicher Fakto ren wenn sexuelle Missbrauchstaten beispielsweise einseitig durch pädo phile Präferenzstrukturen bedingt attribuiert werden oder pauschal ein gewaltsamer Tatmodus unterstellt wird Bickley Beech 2001 Elz 2001 Jehle Albrecht Hohmann Fricke Te tal 2016 Kröber 2009 Den typischen Sexualstraftäter gibt es im Lichte em pirischer Untersuchungsbefunde hin gegen nicht Vielmehr handelt es sich um eine überaus heterogene Delikt form Vor dem Hintergrund der Hetero genität eines Phänomens bilden Typo logien und die damit mögliche Iden tifikation homogenerer Teilgruppen eine wichtige Grundlage für die For schung und Praxis Sie unterstützen die Entwicklung theoretischer Model le um die Phänomene zu erklären und im Weiteren Interventions und Prä ventionsansätze abzuleiten Bickley Beech 2001 Biedermann 2014 Knight Prentky 1990 Bereits vorhandene Typologien basieren auf der Annah me unterschiedlicher Motivlagen des Täters ätiologischen Modellen und klinisch psychologischen Störungs konzepten bspw hinsichtlich sexuell devianter Präferenzstrukturen aber auch auf der Art und Weise der Tat begehung Beier 1995 Biedermann 2014 Typologien auf Basis der Art der Tatbegehung weisen eine Reihe von Vorteilen gegenüber alternativen An sätzen auf Im Gegensatz zum motiva tionalen und ätiologischen Ansatz der die richtige Antwort auf die schwieri ge Frage nach dem Warum einer Tat voraussetzt bezieht dieser Ansatz zu nächst nur auf die Kenntnis des Was und Wie Hier liegen den Typologien also Tat und Tatbegehungsmerkma le zugrunde wie die situativen Tatum stände demografische Charakteristi ka des Opfers und Täters bspw Alter Geschlecht Annäherungs und Kon trollstrategien des Täters oder die Art und Weise der durchgeführten sexu ellen Handlungen Diese lassen sich gewöhnlich objektiver erfassen als Tatmotive oder deviante Präferenz strukturen Sie benötigen auch keine Aussagebereitschaft des Täters Damit geht einher dass diese Merkmale von Personen aus verschiedenen Professi onen z B aus dem psychologischen 1 Diese Studie wäre nicht ohne die Unterstützung ins besondere in Bezug auf die Bereitstellung der Daten verschiedener Stellen der Polizei des Landes Branden burg möglich gewesen denen daher ein besonderer Dank ausgesprochen werden soll

Vorschau DFK forum kp 02-2020 Seite 37
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