SEXUELLER MISSBRAUCH 38 forum kriminalprävention 2 2020 Kontext davon aus dass die beobach ten Tatbegehungsmuster in einer Ge samtpopulation von Fällen nicht als Zufallsrealisation einer einzigen ho mogenen Klasse der Fälle zustande kommen Ein Klassenmodell son dern dass Teilgruppen mit ähnlichem Tatprofil existieren Deshalb sollen auf Basis der statistischen Beziehungen zwischen den Tatmerkmalen verschie dene Tatbegehungsklassen Typen identifiziert werden welche jeweils durch ein charakteristisches proba bilistisches Tatbegehungsmuster ge kennzeichnet sind Diese Tatbege hungsmuster kennzeichnen im Sinne eines multivariaten Profils jeweils die Auftretenswahrscheinlichkeiten der Merkmalsausprägungen der unter suchten Tatmerkmale innerhalb der einzelnen Klassen als klassenspezifi sche Kategorienwahrscheinlichkeiten bezeichnet Neben den klassenspezi fischen Kategorienwahrscheinlichkei ten sind die Klassen zusätzlich durch ihren Anteil an der Gesamtpopulation gekennzeichnet Klassengröße Über die Berechnung sogenannter Mem bershipwahrscheinlichkeiten ermög licht es die LCA weiterhin die Sicher heit der Zuordnung eines konkreten Falls zu einer Klasse exakt zu quanti fizieren Über alle Klassen addieren sich die Membershipwahrscheinlich keiten dabei stets zu 100 Die Klas se zu welcher die Tat jeweils mit der maximalen Membershipwahrschein lichkeit zugewiesen werden kann Zuordnungssicherheit wird als do minante manifeste Klasse für den Fall bezeichnet Bei einer gegebenen Klassenanzahl können die Modellparameter der LCA in der Form der klassenspezifischen Kategorienwahrscheinlichkeiten und Klassengrößen mittels der Maxi mum Likelihood Methode und unter Verwendung eines iterativen Verfah rens dem Expectation Maximizati on Algorithmus geschätzt werden Die optimale Anzahl von Klassen eines LCA Modells steht allerdings nicht von vorneherein fest Stattdessen wird die LCA jeweils für verschiedene An zahlen von Klassen durchgeführt Zur Beurteilung der optimalen Klassenan zahl als Trade off zwischen einer mög lichst guten Anpassungsgüte des Mo dells an die Stichprobendaten und der Vermeidung einer zu hohen Komplexi tät des Modells mit steigender Anzahl der Klassen wurde auf den BIC Index Bayes Information Criterion zurück gegriffen Francis Soothill Fligel stone 2004 Dabei wird das zu einer bestimmten Klassenanzahl ermittel te Modell mit dem kleinsten BIC In dex als optimal im Sinne des oben be schriebenen Trade offs betrachtet Als zusätzliches Kriterium zur Beur teilung der optimalen Klassenanzahl wurden die durchschnittlichen Zu ordnungssicherheiten für die einzel nen Klassen sowie das Kriterium be deutsamer Differenzierungen im Lichte theoretischer Ansätze berück sichtigt vgl Biedermann 2014 Rost 2004 Für die technische Umsetzung der LCA wurde auf das Softwarepaket poLCA innerhalb der statistischen Pro grammiersprache R zurückgegriffen Linzer Lewis 2011 2 Analyse der Freitextschilderungen ty pischer Klassenvertreter Durch die Berechnung von Zuord nungssicherheiten lassen sich anhand eines objektiv nachvollziehbaren transparenten Verfahrens besonders typische Vertreter der einzelnen Tat begehungsklassen identifizieren wel che durch eine hohe Membership wahrscheinlichkeit gekennzeichnet sind Mit dem Ziel eines vertieften Ver ständnisses des Zusammenspiels der einzelnen Merkmale in den Tatbege hungsklassen wurden diese typischen Fälle auf der Basis zur Verfügung ste hender Freitextschilderungen inner halb des POLAS Systems einer qua litativen Analyse unterzogen vgl Biedermann 2014 Kempf 2008 Hier für wurde pro Klasse jeweils eine zu fällige Auswahl von 25 Fällen mit ei ner Zuordnungssicherheit von über 95 extrahiert 3 Der Fokus der Ana lysen lag hierbei auf einer Ergänzung des statistischen Tatbegehungspro fils durch die Identifikation zentra ler Grundkonstellationen innerhalb der typischen Fälle Variationen die ser Grundkonstellationen wurde nur Beachtung geschenkt falls diese mit Blick auf die Implikationen für die Prä vention und Strafverfolgung bedeut sam erschienen Klassengrößen der Tatbegehungs klassen im Zeitverlauf Zusätzlich wurde Veränderungen des relativen Anteils der Tatbege hungsklassen Klassengrößen über den Berichtszeitraum der PKS unter sucht Dadurch sollten etwaige zeit liche Trends in Bezug auf eine ver änderte quantitative Bedeutung bestimmter Klassen und ihrer Tatbe gehungsmuster im Vergleich zu ande ren Klassen identifiziert werden Hier für wurde auf das bei Kempf 2008 dargestellte Verfahren zur Ermitt lung von Zusammenhängen exter ner Kriterien zu den ermittelten la tenten Klassen zurückgegriffen Als Indikator dass Unterschiede in den Klassengrößenschätzungen auch un ter Einbezug von Zufallsschwankun gen als bedeutsam erachtet werden können wurde eine Nichtüberlap pung der 95 Konfidenzinterval le der Schätzungen herangezogen welche nach der Wilson Methode be rechnet wurden Kohl 2019 Schmidt 1996 Für die Analyse wurden jeweils zwei aufeinanderfolgende Berichts jahre der PKS zusammengefasst Da durch sollte gewährleistet werden dass die entstehenden Kombinatio nen des Berichtszeitraums und der Klassenzugehörigkeit mit einer ausrei chenden Anzahl von Personen besetzt sind um stabile statische Schätzun gen der Klassengröße in Abhängigkeit vom Berichtszeitraum der Fälle zu er möglichen Ergebnisse Teil 1 Ermittlung der optimalen Klassen anzahl zur Beschreibung der Tatbe gehungsmuster Abbildung 1 stellt die Verteilung der berücksichtigten Variablen für die LCA innerhalb der Gesamtstichprobe von 2204 Fällen dar Ein Klassen Modell Die Ergebnisse der durchgeführten Latent Class Analysen für verschiede ne Klassenanzahlen verwiesen anhand des BIC Indexes als Ausgangsgrundla ge zur Beurteilung der optimalen Klas senanzahl zunächst auf ein Modell mit sechs Klassen von Tatbegehungsmus tern siehe Tabelle 2 Unter weiterem Einbezug des Krite riums theoretisch bedeutsamer Diffe renzierungen sowie der Zuordnungs sicherheiten für die einzelnen Klassen wurde allerdings das Modell mit sie ben Klassen favorisiert Im Vergleich zum Modell mit sechs Klassen ergab sich die Abspaltung einer neuen klei nen Klasse mit einem sehr hohen An 2 Zur Vermeidung lokaler Maxima bei der Ermittlung der optimalen Klassenanzahl wurden jeweils 20 verschie dene Startwertsets für die Modellparameterschätzun gen verwendet Zur Absicherung des Modells mit der letztlich favorisierten Klassenanzahl wurden weitere 20 Startwertsets benutzt Rost 2004 3 Dieses Vorgehen wurde einer Auswahl der 25 Fälle mit den jeweils höchsten Zuordnungssicherheiten vorge zogen da sich in diesem Fall die Gefahr ergibt eine Vielzahl von Fällen mit identischem Tatbegehungs muster zu erhalten Das hier verwendete Vorgehen besitzt demgegenüber den Vorteil typische Klassen vertreter in die Analysen einzubeziehen und dennoch auftretende Variationen der Tatbegehungsmuster für das Verständnis der Tatbegehungsklassen zu nutzen

Vorschau DFK forum kp 02-2020 Seite 40
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