BEZIEHUNGSGEWALT 9forum kriminalprävention 4 2020 A Criminal is a Victim is a Criminal 1 Forschungen zeigen dass Männer und Frauen in nahezu gleichem Aus maß Beziehungsgewalt erleben aber auch anwenden 2 Der Dualismus des verurteilenswerten bösen Täters ei nerseits und des unschuldigen ar men Opfers andererseits greift daher zu kurz um die komplexe Dynamik von Beziehungsgewalt zu erklären Das Phänomen dass sich Opferwer dung und Täterschaft nicht gegensei tig ausschließen sondern dass Opfer gleichfalls Täter und Täter gleichfalls Opfer sein können beschreibt der sog Victim Offender Overlap Haver kamp Kilchling 2017 S 413 Das Phä nomen ist in der Kriminologie empi risch gut dokumentiert beginnend mit ersten Arbeiten in den 1940er Jah ren z B von Hentig 1941 Die frühe Forschung konzentrierte sich insbe sondere auf soziodemografische Ähn lichkeiten von Opfern und Tätern z B Gottfredson 1984 und legte als Erklä rungsansatz die routine activity theo ry von Cohen Felson 1979 zugrunde anschaulich Entorf 2013 S 3 f Da nach gehen Viktimisierungsrisiko und Täterwahrscheinlichkeit auf dieselben Faktoren wie Alter Geschlecht oder soziale Herkunft und damit verbun den die alltägliche Lebensführung zurück Kriminalität entsteht dann wenn ein potenzieller Täter auf ein potenziell geeignetes Opfer ohne ent sprechenden Schutz trifft Der konkrete Zusammenhang zwi schen Opfer und Täterschaft d h der Victim Offender Overlap selbst wurde jedoch erst in den 1980er Jah ren erkannt Entorf 2013 S 4 u a Sin ger 1981 Jensen Brownfield 1987 und Sampson Lauritsen 1990 Sin ger 1981 brachte als Erklärungsansatz die Subkulturtheorie ein wonach in einer Gesellschaft nicht alle Mitglie der dieselben Normen und Werte tei len Je nach Gruppenzugehörigkeit können Wertvorstellungen und Nor mensysteme zwischen Subkultur und Gesamtgesellschaft differieren Was von der Gesamtgesellschaft als ab weichend gesehen wird wird inner halb der Subkultur als normkonform begriffen D h Viktimisierung und Tä terschaft werden nicht nur durch In dividualmerkmale und Lebensstil be dingt sondern beeinflussen sich je nach gesellschaftlichem und kultu rellem Kontext gegenseitig Berück sichtigt man zusätzlich noch Agnews general strain theory wonach Opfer werdung als Stressfaktor gilt der auf das Individuum frustrierend wirkt und seinerseits durch das Anwenden von Gewalt abgebaut wird lässt sich erklä ren wie sich ein Kreislauf von Gewalt in Paarbeziehungen in Gang setzt und selbst am Laufen hält Haverkamp Kilchling 2017 S 413 f Das Ausmaß von Beziehungs gewalt junger Menschen im Hellfeld Der Polizeilichen Kriminalstatis tik PKS lassen sich seit 2011 Zahlen zur Opfer Tatverdächtigen Beziehung entnehmen Detailliertere Angaben zu Alter und Geschlecht findet man je doch nur in den Bundeslagebildern Partnerschaftsgewalt erstmals er schienen 2016 zuletzt 2019 Die jüngs ten erfassten Altersklassen sind bis 20 Jährige und 21 bis 24 Jährige Bei den bis 20 Jahre alten weiblichen Op fern schwanken die registrierten Fall zahlen in den vier Erfassungszeiträu men um 10 000 bei den männlichen Opfer Täter oder beides Ausmaß und Form von Beziehungsgewalt junger Menschen in Deutschland Ines Hohendorf Die Betrachtung von Opfer Täter Zusammenhängen also das Wechselspiel von Viktimisierung und Täterschaft im Kontext Beziehungsgewalt ist in der deut schen Kriminologie bisher weitgehend unerforscht Dabei sind für Präventi onsansätze neben Wissen über Ausmaß und Form von Opfer bzw Täterschaft auch Kenntnisse zu Ausmaß und Form von Opfer und Täterschaft von Interes se Daten hierzu helfen zu verstehen wie sich der Kreislauf der Gewalt in Paar beziehungen in Gang setzt und wie er durchbrochen werden kann Der nach folgende Beitrag beschreibt daher die Häufigkeit von erlebter und ausgeübter Beziehungsgewalt junger Menschen in Deutschland die Rolle des Victim Of fender Overlap und Einflussfaktoren auf Viktimisierung und Täterschaft Die Ergebnisse basieren auf der Dissertation der Autorin Abbildung 1 Opfer von Partnergewalt nach Alter und Geschlecht Quelle BKA Bundeslagebild Partnerschaftsgewalt 2016 2018 Opfer weiblich männlich weiblich männlich 2015 9 544 963 13 367 2 070 2016 9 910 960 13 539 1 950 2017 10 601 1 056 13 363 2 021 2018 10 247 1 089 13 555 2 106 bis 20 Jahre 21 24 Jahre s 0s 2s 4s s s 0s 2s pcfähfbe iallhfbe pcfähfbe iallhfbe äfn JOemc w 0 JOemc äJaeJccfäfOb 1 2 3 4 1 Entorf 2011 2 Unterschiede ergeben sich jedoch im Muster d h Frauen erleben in höherer Frequenz und stärkerer Form Beziehungsgewalt außerdem ist sie für Frauen eher mit schweren Verletzungsfolgen verbunden als für Männer

Vorschau DFK forum kp 04-2020 Seite 11
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