GEWALTPRÄVENTION 19forum kriminalprävention 4 2020 Fragestellung Die Thematik Migration und Krimi nalität hat in der Kriminologie eine lange Tradition Die Flüchtlingskrise 2015 erzeugte neue kriminologische Forschungsimpulse Hierbei konnten Erkenntnisse und Befunde zur Thema tik Fluchtmigration und Kriminalität gewonnen werden vgl Wetzels et al 2018 S 2 Im Vergleich dazu gibt es nur wenig kriminologisches Wissen über Straftaten gegen Geflüchtete und de ren spezifische Viktimisierungserfah rungen insbesondere von Frauen vgl Goeckenjan 2019 S 34 Rabe 2015 S 11 Lilja et al 2020 Foroutan et al 2017 S 5 Kleist 2018 S 23 Ein großes Dun kelfeld wird vermutet und es stellen sich Fragen nach geeigneten über greifenden Maßnahmen zur Bewäl Auf die Rahmenbedingungen kommt es an Handlungsempfehlungen zur Prävention geschlechts spezifischer Gewalt in deutschen Flüchtlingsunterkünften Anja Wells Nicht nur bei der Beschreibung und Analyse der Viktimisierungserfahrungen von geflüchteten Frauen in deutschen Flüchtlingsunterkünften steht die kri minologische Forschung erst am Anfang sondern auch das Thema Präventi on ist in diesem Kontext noch umfassender zu untersuchen Zahlreiche krimi nalpräventive Maßnahmen werden in Flüchtlingsunterkünften durchgeführt wie u a Gewaltschutzkonzepte Inwiefern diese Maßnahmen den Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt im Einklang mit der EU Aufnahmerichtlinie 2013 33 EU und dem Übereinkommen zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt Istanbul Konvention gewähr leisten wird kritisch hinterfragt Der Beitrag fasst die Ergebnisse einer empi rischen Masterarbeit zusammen und gibt einen Überblick über die Risikofakto ren bzw Ursachen für geschlechtsspezifische Gewalt Zudem werden primäre sekundäre tertiäre und ganzheitliche kriminalpräventive Maßnahmen gegen geschlechtsspezifische Gewalt in Flüchtlingsunterkünften vorgestellt und mit Lösungsvorschlägen aus elf Expert inneninterviews ergänzt welche in einer ganzheitlichen Präventionssystematik dargestellt werden tigung geschlechtsspezifischer Ge walt in Flüchtlingsunterkünften Was können kriminalpräventive Akteur in nen tun um geflüchtete Frauen und Mädchen besser vor Gewalt zu schüt zen Risikofaktoren der geschlechts spezifischen Gewalt in Flüchtlingsunterkünften Flüchtlingsfrauen erfahren nicht nur geschlechtsspezifische Gewalt in ihren Heimatländern oder auf der Flucht sondern auch innerhalb der EU Aufnahmestaaten Im Hinblick auf die Situation in deutschen Flüchtlings unterkünften ist es wichtig die dorti gen Risikofaktoren zu analysieren da Kriminalprävention nur erfolgreich sein kann wenn die Grundursachen des Problems behandelt werden be vor anschließend konkrete Lösungs vorschläge aufgeführt werden kön nen vgl Jensen 2019 Die Ursachen für Gewalt in Flücht lingsunterkünften werden bislang überwiegend in Form von Konfliktana lysen unter Geflüchteten untersucht vgl Bauer 2017 S 4 12 Hierzu wer den in der Literatur folgende Faktoren genannt die zuerst anhand der drei von Christ et al 2017 identifizierten Konfliktursachen dem Asylregime dem Faktor Raum und die besondere Art der Unterbringung gruppiert und mit weiteren Faktoren ergänzt wer den Erstens kann das Asylregime1 zu Gewalt führen da aufenthaltsrecht liche Bestimmungen und die an den jeweiligen Aufenthaltstitel geknüpf ten Rechte und Möglichkeiten bspw Zugang zum Arbeitsmarkt Neid er zeugen und Konflikte zwischen den Bewohner innen verursachen Zwei tens gilt der Faktor Raum als Gewalt katalysator Die fehlende Privatsphä re Enge unzureichende hygienische Bedingungen die Unterbringung in Mehrbettzimmern oder nicht ab schließbare Toiletten stellen weitere Gründe für Konflikte in Flüchtlingsun terkünften dar Drittens verursacht die besondere Art der Unterbringung Gewalt da durch das erzwungene Zu sammenleben durch bspw die Resi denzpflicht Konflikte entstehen vgl ebd S 18 20 In der analysierten Literatur werden noch weitere Faktoren aufgeführt Die erste Gruppe lässt sich unter den Schlagwörtern fehlende Freizeitakti vitäten gekoppelt mit Stress zusam menfassen Aufgrund aufenthalts rechtlicher Bestimmungen haben nicht alle Geflüchtete einen Anspruch auf Teilnahme an Sprach und Integ rationskursen Die Kombination aus Langeweile und Stress aufgrund der ausstehenden Asylentscheidung kann zu Gewalt führen Zweitens werden kulturelle Faktoren als Gewalttrigger aufgeführt da unterschiedliche Le bens und Ernährungsweisen Hygi enestandards und Tagesabläufe bei der heterogenen Zusammensetzung in den Flüchtlingsunterkünften eben falls zu Konflikten beitragen vgl Bau er 2017 S 11 13 Christ Röing 2018 S 4 Alkohol und Drogenkonsum wer den als weitere Ursachen identifiziert da Substanz und Alkoholmissbrauch zu einer gesteigerten Konfliktbereit schaft führen vgl FaZIT 2014 S 17 1 Christ et al 2017 verstehen unter dem Begriff Asylre gime nationale Regeln und Normen als Reaktionen auf die Fluchtbewegungen die sich auf die Lebenssituati on in den Flüchtlingsunterkünften auswirken Durch rechtliche Vorgaben wie z B die erwähnte Leistungs beschreibung wirkt sich das Asylregime auch auf die räumliche Gestaltung von Flüchtlingsunterkünften aus Es bestimmt damit sowohl den individuellen Handlungsspielraum der Geflüchteten sic als auch den physischen Raum die Unterkunft in welchem sie sich bewegen Eine Regimeperspektive ermöglicht es die vielschichtigen und teils repressiven Effekte wel che sich hieraus ergeben zu verstehen ebd 18

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