GEWALTPRÄVENTION 20 forum kriminalprävention 4 2020 Viertens besteht durch eine fehlende gemeinsame lingua franca ein Mangel an verbalen Kommunikationsmög lichkeiten um Gewalt präventiv ent gegenzuwirken vgl Müller et al 2004 S 88 89 Letztlich kann die eigene Viktimisierungserfahrung und Trau matisierung dazu führen dass man aufgrund der schwierigen Lebensver hältnisse in den Flüchtlingsunterkünf ten häufiger zu Gewalttaten bereit ist vgl Goeckenjan 2019 46 Obwohl es kaum Studien gibt die sich mit geschlechtsspezifischer Ge walt in Flüchtlingsunterkünften aus einandersetzen lassen sich neben den o g Bedingungen Ursachen für diese Form der Gewalt finden Diese lassen sich in fünf Faktoren gruppie ren In der ersten Gruppe wird Litera tur aufgeführt die sich damit befasst dass Männer oft überproportional in den Flüchtlingsunterkünften vertre ten sind Da Männer die Mehrzahl der Täter geschlechtsspezifischer Gewalt darstellen führt dies rein statistisch zu einem höheren Risiko dass Frau en in Flüchtlingsunterkünften ge schlechtsspezifische Gewalt erfahren können vgl Bonewit Shreeves 2016 S 27 Christ et al 2017 S 32 Zweitens wird das Problem der fehlenden Ge schlechtertrennung im Kontext des o g Faktors Raum von einigen Au tor innen aufgeführt In dieser Grup pe wird problematisiert dass nicht abschließbare Sanitäranlagen die fehlende Geschlechtertrennung bei Duschen und Toiletten usw ge schlechtsspezifische Gewalt begüns tigen vgl Müller et al 2004 88 Hart mann 2017 S 115 Foroutan et al 2017 S 13 Patriarchale Familien und Ge sellschaftsstrukturen bilden eine drit te Kategorie In Deutschland können patriarchale Familienstrukturen z T infrage gestellt werden da Flücht lingsmänner bspw ihre gewohnte Versorgerrolle verlieren und Flücht lingsfrauen sich an einem anderen weiblichen Rollenverständnis orien tieren was geschlechtsspezifische Gewalt auslösen kann vgl Hille Elle 2019 S 30 Christ et al 2017 S 31 33 Viertens gibt es die Argumentations linie der mangelnden Sicherheit und des fehlenden Unterstützungssys tems Die fehlende bzw mangelnde Präsenz von Hilfsorganisationen und Sicherheitspersonal begünstigen ge schlechtsspezifische Gewalt vgl Fo routan et al 2017 S 13 Jensen 2019 Feltes et al 2018 S 491 Religiöse Ra dikalisierung wird in der Literatur als fünftes Argument aufgeführt da bei religiös radikalisierten Flüchtlings männern Flüchtlingsfrauen einer er höhten Gefahr ausgesetzt sein sollen Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt zu werden vgl FaZIT 2014 S 5 20 21 Die oben stehende Aufzählung fasst die Faktoren für geschlechts spezifische Gewalt in Flüchtlingsun terkünften zusammen die in der Li teraturanalyse für diesen Beitrag identifiziert wurden 2 Es ist zu beachten dass die einzel nen Faktoren eng miteinander ver knüpft sind und sich diese gegenseitig verstärken und so zu geschlechtsspe zifischer Gewalt führen können vgl Christ et al 2017 S 34 40 Kriminalpräventive Maßnahmen in der Einschätzung von Expert innen Zur Abschätzung des Lage und Ri sikobildes sowie der kriminalpräven tiven Möglichkeiten und Bedarfe sind elf leitfadengestützte Expert innen interviews geführt worden Das Sam ple vertritt die Sichtweise einzelner für die Kriminologie wichtiger Berufs gruppen Polizei Soziale Arbeit und Politik Vier Expertinnen haben beruf lich gemein dass sie in einer Fachbe ratungsstelle arbeiten und ambulant in Flüchtlingsunterkünften aktiv sind In der Literatur werden Fachberaterin nen eine kriminalpräventive Funktion in der Opferberatung und betreuung auf sekundärer und tertiärer kriminal präventiver Ebene zugesprochen vgl FHK 2017 S 12 Zudem arbeiten sie auch auf Ebene der Primärprävention durch die Organisation von Frauen cafés Informationsveranstaltungen oder Bereitstellung von Informati onsmaterialien vgl Sánchez Dionis 2016 S 22 27 Zwei weitere Expertin nen arbeiten als Verfahrensberaterin nen direkt mit Flüchtlingsfrauen in Flüchtlingsunterkünften vor Ort Ver fahrensberater innen leisten einen Beitrag zur Sekundär und Tertiärprä vention indem sie Flüchtlingsfrauen in Verdachts Fällen geschlechtsspe zifischer Gewalt Auskunft über das deutsche Hilfesystem geben und In formationsmaterialen bereitstellen vgl Engelmann Rabe 2017 S 55 Bei zwei weiteren Expertinnen handelt es sich um Politikerinnen Die Litera tur beschreibt die kriminalpräventive Aufgabe von Politiker innen insbeson dere als Vertreter innen des Staates in der Schaffung rechtskonformer Rah menbedingungen für Gewaltschutz der Umsetzung von menschenrecht lichen Bestimmung für betroffene Flüchtlingsfrauen in Flüchtlingsunter künften und der Festlegung des Haus haltes für kriminalpräventive Maßnah men in Flüchtlingsunterkünften vgl Rabe 2018 S 171 185 Engelmann Rabe 2017 S 50 Höynck 2018 S 239 Ihnen kann somit literaturbasiert eine Funktion auf ganzheitlicher kriminal präventiver Ebene zugesprochen wer den Zwei weitere Expertinnen haben gemein dass sie Flüchtlingsunter künfte hinsichtlich des Umgangs mit geschlechtsspezifischer Gewalt unter stützen Eine von ihnen arbeitet als Multiplikatorin für Gewaltschutz wäh rend die andere Expertin als Trainerin Schulungen zum Thema Gewaltschutz für Mitarbeiter innen von Flüchtlings unterkünften anbietet Der elfte Ex perte ist Polizeibeamter und arbeitet aktuell für einen regionalen Sonder stab In der Literatur wird Polizeibe amt innen eine kriminalpräventive Aufgabe auf Ebene der Sekundär und Tertiärprävention in der Umsetzung des Gewaltschutzes sowie ihrer Straf verfolgungspflicht zugesprochen 2 Es handelt sich hierbei um keine geschlossene Liste der Ursachen für geschlechtsspezifische Gewalt da es auch weitere Faktoren geben kann die geschlechts spezifische Gewalt in Flüchtlingsunterkünften verur sachen könnten Diese können aber aufgrund des Um fangs dieser Arbeit nicht weiter aufgeführt werden hierzu vertiefend Goeckenjan et al 2019 Allgemeine Konfliktfaktoren Asylregime Faktor Raum Besondere Art der Unterbringung Fehlende Freizeitaktivitäten gekoppelt mit Stress kulturelle Faktoren Alkohol Drogenkonsum Kommunikationsprobleme eigene Viktimisierungs erfahrung Traumatisierung Faktoren für geschlechtsspezifische Gewalt Männer oft überproportional vertreten fehlende Geschlechtertrennung Patriarchale Familien Gesellschaftsstrukturen mangelnde Sicherheit fehlen des Unterstützungssystem religiöse Radikalisierung

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