GEWALTPRÄVENTION 4 forum kriminalprävention 4 2020 durchgeführt 7 Rund 25 der Frauen im Alter von 16 bis 85 Jahren gaben an körperliche und oder sexuelle Gewalt durch den Beziehungspartner ein oder mehrmals erlebt zu haben In ei ner Sonderauswertung im Jahr 2009 zu Gewalt in Paarbeziehungen wur den 2100 Fälle von Frauen die mindes tens einmal körperlich oder sexuell misshandelt wurden analysiert Mehr als ein Drittel der Opfer wurde dabei schwer bis lebensbedrohlich verletzt was deutlich macht dass häusliche Gewalt kein Randphänomen sondern in unserer Gesellschaft weit verbrei tet ist Für die im Jahr 2014 veröffentlichte europaweite Studie der europäischen Grundrechteagentur FRA wurden rund 42 000 Frauen zwischen 18 und 74 Jahren aus 28 Mitgliedstaaten be fragt 8 Rund jede dritte Frau gab an mindestens einmal körperliche und oder sexuelle Gewalt seit ihrem 16 Le bensjahr erlebt zu haben Als Risiko faktoren wurden genannt Trennung Trennungsabsicht Gewalterfahrun gen in der Kindheit und Alkoholkon sum des Täters Diese Aussagen sind nach wie vor zutreffend und im Hin blick auf Präventionsmaßnahmen von Bedeutung da diese im Idealfall dem Konzept von Risiko und Schutzfakto ren folgen die es zu vermindern oder zu stärken gilt Die Studie Gewalt gegen Frauen in Paarbeziehungen 2014 belegt zudem dass auch Frauen in mittleren und ho hen Bildungs und Sozialschichten Op fer von Gewalt werden 9 Die Befragungen in allen Studien zeigen dass zu den registrierten Straftaten ein großes Dunkelfeld hin zukommt Nur jede vierte Frau er stattet eine polizeiliche Anzeige Bei sexueller Gewalt ist die Anzeigenbe reitschaft deutlich geringer Rückblick Der Weg zu mehr Schutz Hilfe und Prävention Im Zuge ihrer Anstrengungen zu Gleichstellung hat die Frauenbewe gung in den westlichen Gesellschaf ten seit den 1970er Jahren auch den Kampf gegen die geschlechtsbezo gene Gewalt aufgenommen Erst malig initiierten sie Frauenhäuser als Zufluchts und Unterstützungsorte Systematische und kooperative An sätze begannen 1995 mit einem Mo dellprojekt in Berlin Das Bundesministerium für Familie Senioren Frauen und Jugend BMFSFJ und die Berliner Senatsverwaltung für Arbeit und Soziales in stallierten ein Kooperations und Interventions projekt gegen häusliche Gewalt das Modellprojekt BIG Beratung Inter vention Gewaltprävention 10 Mit der Einrichtung eines runden Tisches auf Senatsebene und der Zusammen arbeit von Regierungs und Nicht regierungsorganisationen auf Au genhöhe Frauenverbände Justiz Polizei Vertreterinnen und Vertre ter aus dem Gesundheitswesen und der Jugendhilfe u a hatte das Pro jekt BIG Vorbildcharakter für weitere Landes und Kommunalbehörden in Deutschland Im Rahmen des Projek tes BIG wurden eine Vielzahl von Maß nahmen und Projekten zur verbesser ten Intervention und zur Prävention bei häuslicher Gewalt entwickelt und implementiert Ein bedeutsamer Schritt im Bereich der Gesetzgebung war die Reform des Sexualstrafrechts und die daraus re sultierende Strafbarkeit der Verge waltigung in der Ehe seit Juli 1997 Mit dem 33 Strafrechtsänderungsgesetz wurde das Merkmal außerehelich aus dem Tatbestand der Vergewalti gung 177 StGB gestrichen sodass seitdem auch die eheliche Vergewal tigung als ein Verbrechen geahndet wird 11 Ein Meilenstein beim Schutz der weiblichen und männlichen Opfer von häuslicher Gewalt ist das Gesetz zur Verbesserung des zivilgerichtlichen Schutzes bei Gewalttaten und Nach stellungen sowie zur Erleichterung der Überlassung der Ehewohnung bei Trennung GewSchG 12 13 welches bereits seit 20 Jahren 1 1 2001 in Kraft ist Das GewSchG war unter der Federführung des Bundesministeri ums der Justiz BMJ und resultierend aus den Ergebnissen des im Rahmen des BIG Projektes interdisziplinär be setzten Fachgremiums Zivilrecht sowie den Erfahrungen mit dem ös terreichischen Gesetz zum Schutz gegen Gewalt in der Familie und den Vorgaben und Anstößen auf Ebene der Vereinten Nationen und der Eu ropäischen Union konzipiert worden Für einen effektiven zivilrechtlichen Schutz von Opfern häuslicher Gewalt wurden elementare rechtliche In strumente geschaffen Die Verpflich tung des Gewalttäters der Gewalt täterin zum Verlassen der Wohnung Wer schlägt der geht und bei drohenden Angriffen das Ausspre chen von Rückkehr Aufenthalts Nä herungs und Kontaktverboten sowie verständliche einheitliche Zuständig keits und Verfahrensregelungen für alle Fälle von häuslicher Gewalt un abhängig vom Personenstand der be drohten Person 14 Durch diesen Paradigmenwechsel im Zivilrecht und die darauffolgenden Änderungen in den Polizeigesetzen der Länder sowie durch die Einrich tung weiterer Kooperations und In terventionsprojekte auf Bundes und Länderebene und der verbesserten Aus sowie Fortbildung der tangier ten Institutionen sind die Handlungs und Interventionsmöglichkeiten für die relevanten Berufsgruppen Poli zei Justiz Jugendämter u a für Be troffene und ihre Kinder spürbar ver bessert worden 2002 trat eine mit dem Gewaltschutzgesetz in engem Zusammenhang stehende Nachbes serung im Kinderschutz Kinderrech teverbesserungsgesetz in Kraft In den Bundesländern wurden zu dem erweiterte Eingriffsbefugnisse für die Polizei gesetzlich verankert Die Einsatzpraxis veränderte sich im Sinne konsequenter Gefahrenabwehr und kooperativer Unterstützung Kon zepte wurden festgeschrieben und speziell ausgebildete Polizeibeam tinnen und beamte zur Bearbeitung von betreffenden Ermittlungsverfah ren ausgebildet und eingesetzt Op ferbeauftragte stehen zudem als An sprechpartner innen zur Verfügung Weiterhin besteht unter gewissen Voraussetzungen die Möglichkeit in ein Zeugenschutzprogramm auf genommen zu werden oder des ope rativen Opferschutzes 15 Die in vielen Kommunen eingerich teten Interventionsstellen beraten proaktiv nach einem Polizeieinsatz 7 Müller Prof Ursula Schröttle Dr Monika Lebens situation Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland Eine repräsentative Untersuchung zu Gewalt gegen Frauen in Deutschland BMFSFJ Müller Schröttle 2004 https www bmfsfj de bmfsfj studie lebenssituation sicherheit und gesund heit von frauen in deutschland 80694 8 Gewalt gegen Frauen Eine EU weite Erhebung 9 https www bmfsfj de bmfsfj service publikationen gewalt gegen frauen in paarbeziehungen 80614 10 http www big berlin info https www big hotline de 11 Wissenschaftlicher Dienst des Deutschen Bundesta ges Fachbereich WD 7 28 1 2008 12 https www gesetze im internet de gewschg BJNR351310001 html 13 https www bmfsfj de bmfsfj service publikationen mehr schutz bei haeuslicher gewalt 81936 14 Schweikert Dr Birgit BMFSFJ Das Ziel ist der Weg Politische Bedeutung und Wirkung des Gewaltschutz gesetzes 2002 Vortrag anlässlich des bff Kongres ses 10 Jahre Gewaltschutzgesetz Bestandsaufnah me zum veränderten gesellschaftlichen Umgang mit häuslicher Gewalt am 26 4 2012 Bochum 15 Kleim Andrea Polizeipräsidium München Operativer Opferschutz bei häuslicher Gewalt in Bayern forum kriminalprävention 1 2018

Vorschau DFK forum kp 04-2020 Seite 6
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