PRÄVENTIONSTAG 11forum kriminalprävention 4 2021 Orientierung im Hinblick auf die Ge staltung der Zukunft Notwendige Um und Neuorientie rungen Für den 26 DPT haben sich acht Expertinnen und Experten im Vor aus mit prägnanten Videostatements zu diesem Themenfeld geäußert Ausführliche schriftliche Gutachten wurden außerdem von Prof Dr Gina Wollinger und Prof Dr Haci Halil Uslu can beigetragen Diese vielfältige Ex pertise ist Grundlage der vorliegen den Kölner Erklärung 1 Orientierung in der aktuellen Krisensituation Wissenschaftsskepsis Vorurteile Fake News Ver schwö rungs er zäh lungen Hatespeech Befürwortung autoritärer Strukturen und Selbst bewaffnung sind einige der aktuel len Problembereiche der Gewalt und Kriminalprävention Wir möchten zunächst betonen dass diese Phänomene nicht erst durch die Kri se hervorgebracht wurden Es handelt sich um bereits vorhandene unter schwellige riskante Entwicklungen die in der aktuellen Lage verstärkt zu tage treten neuen Nährboden und somit vermehrten Zulauf finden Orientierung entsteht durch ei nen Aushandlungsprozess auf der Basis gemeinsamer Überzeugungen Dieser erfordert eine Diskursfähig keit zu der neben der Fähigkeit zum Perspektivenwechsel auch das Ernst nehmen anderer Meinungen gehört Orientierung kann nicht ausschließ lich politisch oder wissenschaftlich erfolgen sondern muss als kompro missbereites konzertiertes Handeln stattfinden Prävention wird von einem wissen schaftlichen Grundverständnis getra gen Um der feststellbaren Wissen schaftsskepsis zu begegnen ist es wichtig wissenschaftliches Handeln in Form von kritischem und analyti schem Denken aus dem rein akade mischen Kontext zu entkoppeln Für die Prävention notwen dig ist die verstärkte Förderung von Ambiguitätstoleranz dem Verständnis und der Akzeptanz dass es keine klaren und eindeu tigen Antworten sondern immer auch Zwischen und Graustufen gibt Ambiguitätstoleranz kann insbeson dere durch Bildung gefördert wer den Dies ist ein ebenso wichtiges Bildungsziel wie die Fähigkeit unter schiedliche Perspektiven zu erkennen und einzunehmen Interessendurchsetzung Anerken nungssuche und Selbstwirksamkeits erfahrungen sind ebenso wie Parti zipation basale Bedürfnisse junger Menschen Diese im schulischen Kon text zu befriedigen anstatt zu frust rieren hat auch eine entscheidende gewaltpräventive Wirkung Emotionale Kompetenzen sind als Schlüsselkompetenzen auch aufseiten der Eltern zu stärken und zu fördern da sie die Grundlage für die psychi sche Widerstandsfähigkeit oder Resi lienz ihrer Kinder sind In der aktuellen Krisensituation müssen die Schulen digitales Lernen und Präsenzunterricht besser ver zahnen Dafür sind die erforderlichen technischen Rahmenbedingungen bereitzustellen und die hierfür not wendigen Kompetenzen zu schaffen sowie individuelle Förderung und Be ziehungsarbeit auch im Digitalen zu ermöglichen Orientierung im Hinblick auf die Gestaltung der Zukunft Bildung erschöpft sich nicht in der Vermittlung von Wissen Schon gar nicht geht es um das reine Fak tenspeichern als Bulimie Lernen kritisiert sondern um den Erwerb grundlegender Handlungskompeten zen für die Lebensbewältigung Als Schlüsselkompetenzen gelten Demo kratiekompetenz und soziale Kom petenzen Daher ist eine stärkere Kompetenzorientierung statt Lehr planorientierung zu fordern Bildung sollte stärker als Selbstbil dung denn als Belehrung konzipiert werden Aktivem Ausüben und Aneig nen von Wissen durch freieres Lernen und aktuelle Projekte ist mehr Stellen wert einzuräumen Bildungseinrichtungen dienen nicht nur der kognitiven Ausbildung sondern sind neben ihrer Selek tions und Allokationsfunktion auch in ihrer Funktion als Legitimations und Sozialisierungseinrichtungen zur Vermittlung und Verankerung der geltenden Normen zu verstehen In sofern sind Schulen als Orte der Ori entierung in der Welt zu begreifen und zu stärken Indem Schulen durch Teilhabe und Regelhaftigkeit einen sicheren Ort bieten können sie auch zu einer bes seren Integration von Kindern mit Zu wanderungsgeschichte insbesondere bei traumatisierenden Fluchterfah rungen beitragen Notwendige Um und Neuorientierungen Bildung ist nicht gleichzusetzen mit Prävention die eine spezielle Ziel setzung hinsichtlich der Vermeidung von Gewalt und Kriminalität verfolgt Schulische Bildung kann auch kein Ersatz für gute Sozialpolitik sein Mit der aktuellen leistungsbezoge nen Selektionsfunktion der Schule re produziert und legitimiert sie so ziale Ungleichheiten anstatt sie aus zugleichen Nötig ist ein besseres Verständnis der Wirkbeziehungen von Bildung Vernetzung und Armut Die Möglichkeiten und auch die Gren zen der Institution Schule in ihrer ak tuellen Ausgestaltung sollten klar benannt werden um darauf aufbau end Ziele und Zuständigkeiten neu zu strukturieren Bildung ist als Kernthema unserer Gesellschaft viel stärker zu gewichten und in den Mittelpunkt gesellschaftli cher Debatten zu nehmen Es ist ein gemeinsamer Diskurs über die Wege die Ausrichtung und die Ziele von Bil dung zu führen da die heranwachsen de Generation die Gesellschaft in der Zukunft prägen wird In der aktuellen Pandemiesitua tion wurde viel und kontrovers über die Schulen in Bezug auf O ffnungen oder Schließungen diskutiert Das temporäre Wegbrechen der Institu tionen die Kinder und Jugendliche be treuen und ausbilden machte zweier lei überdeutlich Diese Einrichtungen sind tragende Säulen für das Funk tionieren der gesamten Gesellschaft Und Diese Einrichtungen sind für die vielfältigen ihnen zugeschriebe nen Aufgaben absolut unzureichend gefördert und ausgestattet Hier ist auch aus präventiver Sicht eine Um steuerung der Gewichtungen drin gend geboten Dr Claudia Heinzelmann ist leitenden Projektmanagerin und Erich Marks Geschäftsführer des Deutschen Präventionstages DPT Kontakt dpt praeventionstag de 1 Als Expert innen haben beigetragen Dr Helle Becker Transfer für Bildung e V Dr Anika Duveneck Freie Universität Berlin Thomas Gödde Landesstelle Schul psychologie und Schulpsychologisches Krisenmanage ment NRW Prof Dr Charlotte Hanisch Universität Köln Prof Dr Rita Haverkamp Universität Tübingen Reinhard Kahl Journalist Erziehungswissenschaft ler und Autor Prof Dr Haci Halil Uslucan Universität Duisburg Essen Prof Dr Gina Rosa Wollinger Hoch schule für Polizei und öffentliche Verwaltung Nord rhein Westfalen

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