SICHERHEITSBERICHT 16 forum kriminalprävention 1 2022 te Gruppen oder Funktionsträger in nen die häufig traumatischen Folgen für die Opfer sowie die menschenver achtende Verunsicherung der Gesell schaft auslöst sind gerade politisch rechtsmotivierte bzw extremistische Straftaten von besonderer Tragweite bei der Beurteilung der Sicherheitsla ge sowie für Prävention und Strafver folgung Die politische Motivation der Tä ter innen bei einer Straftat wird in ei ner mehrdimensionalen Einzelprüfung unter verschiedenen Gesichtspunk ten bewertet Hinsichtlich der ideolo gischen Ausrichtung werden Strafta ten der politisch rechtsmotivierten Kriminalität zugeordnet wenn in Wür digung der Umstände der Tat und oder der Einstellung des Täters oder der Täte rin Anhaltspunkte dafür vorliegen dass sie einer rechten Orientierung zuzurech nen sind ohne dass die Tat bereits die Außerkraftsetzung oder Abschaffung ei nes Elements der freiheitlichen demo kratischen Grundordnung zum Ziel ha ben muss BKA Extremistisch ist die Motivation wenn tatsächliche Anhalts punkte dafür vorliegen dass sie gegen die freiheitliche demokratische Grund ordnung gerichtet ist also darauf zen trale Verfassungsgrundsätze zu besei tigen oder außer Geltung zu setzen Weitere Spezifizierungen der Motivati on ist Hass etwa in Form von Fremden feindlichkeit oder Antisemitismus Das Spektrum strafbarer Handlun gen umfasst sogenannte Propaganda delikte wie auch schwere Gewalttaten Mit zunehmendem Radikalisierungs grad der Täter innen steigt zumeist die Gewaltbereitschaft Das Gesamtaufkommen der politisch rechtsmotivierten Kriminalität umfass te 2006 rund 18 000 registrierte Fälle und schwankte seitdem Im Jahr 2015 wurde eine starke Zunahme rechts motivierter Straftaten um fast 35 auf rund 23 000 Fälle festgestellt Der Anstieg setzte sich auch 2016 fort In den Folgejahren sank das Straftaten aufkommen etwas Seit 2019 zeichnet sich mit rund 22 500 Fällen eine erneu te Zunahme rechtsmotivierter Straf taten ab Der sprunghafte Anstieg im Jahr 2015 steht im Zusammenhang mit den rechtsextremistischen Reaktionen auf die hohe Zahl von nach Deutschland geflüchteten Menschen Parallel zum Gesamtaufkommen rechtsmotivierter Straftaten stieg in diesem Zeitraum auch der Anteil an erfassten Gewaltta ten 2016 wurden rund 1 700 politisch rechtsmotivierte Gewalttaten regist riert und damit der höchste Stand seit Beginn der Erfassung Drei Jahre zuvor war das Aufkommen mit rund 840 Fäl len noch etwa halb so hoch Zeitgleich nahmen im Internet die Anfeindun gen von Amts und Mandatsträger in nen Angehörigen von Hilfsorganisa tionen und ihren Unterstützer innen aber auch von sonstigen Personen des öffentlichen Lebens und der Zivilge sellschaft zu die sich für die Aufnah me von Geflüchteten einsetzten Die häufigsten Straftaten sind die Verbreitung von Propagandamitteln und die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen Zeitgleich waren qualitativ eine Zunah me schwerer Gewaltdelikte sowie die Bildung terroristischer Gruppierungen innerhalb des rechten Spektrums fest zustellen darunter fünf versuchte Tö tungsdelikte und mit der Ermordung des Regierungspräsidenten von Kassel und dem Anschlag auf eine Synagoge in Halle vollendete Tötungsdelikte mit insgesamt drei Todesopfern Bei dem Attentat in Hanau starben im Februar 2020 zehn Menschen Bei den nach Motivation gebilde ten Teilmengen der rechtsmotivierten Straftaten war 2019 eine Steigerung bei der Hasskriminalität auf rund 7 500 Fälle zu verzeichnen Ein Großteil hat fremdenfeindliche Motivation Im Be reich antisemitisch motivierter Straf taten war 2019 ein deutlicher Anstieg auf rund 1 900 Fälle festzustellen Die politisch rechtsmotivierten Straftaten gegen Amts und Mandatsträger innen stiegen auf 610 Fälle Bei der Betrachtung der Altersstruk tur und des Geschlechts der Tatver dächtigen zeigt sich dass etwa aktuell die Hälfte der Tatverdächtigen männ lich und über 30 Jahre alt ist 2010 lag ihr Anteil noch bei etwa 21 Der An teil der 18 bis 24 jährigen Männer war 2010 mit 40 der Tatverdächtigen sehr viel höher als 2018 15 Erklärungsansätze für rechtsmotivierte Kriminalität und Rechtsextremismus Im Sicherheitsbericht werden zent rale Erklärungsansätze für rechtsorien tierte und extreme Einstellungen die einer Tatmotivation zugrunde liegen erläutert Allen Ausprägungen der Moti vation ist jedoch gleich dass sie auf der Vorstellung einer Ungleichwertigkeit von Menschen aufgrund der Annahme ethnischer oder kultureller Gruppen merkmale basieren Zudem richten sie sich gegen eine freiheitliche demokra tische Grundordnung in Verbindung mit der Vorstellung einer homogenen auf Ausgrenzung vermeintlich abweichen der Gruppen ausgerichteten Volksge meinschaft Der Entstehung extremistischer Ein stellungen und Radikalisierungsprozes se liegt nach aktuellem Wissensstand ein Wechselspiel mehrerer Faktoren zugrunde Auf der Individualebene sind psychologische Faktoren hinsichtlich Wahrnehmung und Identität sowie das Verhältnis des Einzelnen zur Umwelt zu zählen Biografische Brüche instabile Familienstrukturen oder Verlust und Diskriminierungserfahrungen können Sinn und Orientierungssuche und das Bedürfnis nach Gruppenzugehörigkeit auslösen Die nächste Ebene betrifft die Rolle der Gruppe Homogenität und Ge meinschaft und der Ideologie Weltver ständnis Die Extremismusforschung verweist diesbezüglich auf den krimi nalitätsfördernden Effekt von Grup penpolarisierungsprozessen in deren Kontext sich Gruppen von relativieren den Einflüssen der Außenwelt isolieren Gemeinschaftsgefühl Identifizierung mit der Gruppe sowie deren Zielen und Werten bis hin zur einer Freund Feind Kategorisierung Internet und Musik kommen als Verstärker und Transport mittel extremistischer Weltanschauun gen eine große Bedeutung zu Die ge sellschaftliche Ebene betrifft Faktoren wie eine schlechte wirtschaftliche Situ ation nationale oder internationale Kri sen und Konflikte oder soziale Ungleich heit Ab einem gewissen Radikalisierungs grad kann auch strafrechtlich relevan tes Verhalten oder die Anwendung von Gewalt als legitimes Mittel zur Zieler reichung erachtet werden Politisches Engagement kann sich im Prozess der Radikalisierung von legalem Protestver halten über Formen die illegales Ver halten beinhalten bis hin zu extremis tischer Gewaltanwendung wandeln Mit zunehmender Radikalisierung kann die wahrgenommene Legitimation von Ge walt steigen Insbesondere wenn es um die konkrete Ausführung der Tat geht scheinen auch situative Einflussfakto ren wie Tatgelegenheit oder Gruppen dynamik ausschlaggebend zu sein Im Rechtsextremismus hat das Zu sammenspiel von Radikalisierungspro zess und allgemeiner Gewaltaffinität der Szene eine zentrale Bedeutung die am Ende ein hohes Terrorismuspotenzi al verorten lässt Terroristische Gewalt kann zudem das Werk von Einzeltätern oder Kleinstgruppen sein wie die Atten tate in Halle und Hanau zeigen

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