POLIZEILICHE KRIMINALPRÄVENTION 25forum kriminalprävention 1 2022 Evidenzbasierte Prävention im Internet ProPK Projekt Zivile Helden kann Zivilcourage in der Gesellschaft stärken Axel Ebers und Stephan Thomsen Soziale Medien haben sich als zentrale Kommunikationskanäle etabliert Mit ihnen wird ein großes Publikum zielgenau und ohne weitreichende technische Kennt nisse oder finanzielle Mittel angesprochen Die Kehrseite ist ein möglicher Miss brauch in Form der Verbreitung von Hass Hetze oder Gewaltaufrufen Kriminalprä vention in sozialen Medien wird daher immer wichtiger Mit der Kampagne Zivile Helden des ProPK wurden interaktive Filme als neuartige Kommunikationsmit tel entwickelt um die Überzeugungen und Einstellungen in der Bevölkerung posi tiv zu beeinflussen Das Projekt wurde von Anfang an wissenschaftlich begleitet um die Wirksamkeit dieser neuen Ansätze zu evaluieren Die Forschungsergebnis se sind vielversprechend Diese Einbindung der Begleitforschung ist wegweisend für eine moderne evidenzbasierte und wissenschaftsgeleitete Kriminalpräventi on im Internet Soziale Medien gewinnen für sicherheitsrelevante Themen an Bedeutung Soziale Medien spielen eine immer wichtigere Rolle für die Kommunikati on sicherheitsrelevanter Themen wie z B Gewalt Hassrede oder Radikali sierung Während traditionelle Medi en wie Zeitungen oder das Fernsehen durch ihre publizistischen Grundsätze selbstreguliert sind und eine gewis se Torwächterfunktion übernehmen fehlen vergleichbare Schranken in den sozialen Medien Jede Nutzerin bzw je der Nutzer kann kinderleicht fast kos tenfrei und häufig anonym Hass und Hetze zirkulieren Nachrichten und In formationen verbreiten sich mit gro ßer Reichweite und sprechen gleichzei tig sehr genau bestimmte Zielgruppen an Micro Targeting 1 Gerade bei der Kommentierung von Straftaten sind die negativen Einlassungen dabei viel fältig Sie reichen von der Verunglimp fung von Opfern über die Verleum dung von Tätern2 bis zur politischen Instrumentalisierung für eigene Zwe cke3 oder gar bis zur Anstachelung weiterer Straftaten Der große An stieg in der Zahl gemeldeter Delikte spiegelt die veränderte Gefährdungs lage aber auch die sensiblere Wahr nehmung im Umgang bzw in der Ak zeptanz wider Die algorithmengesteuerte Funk tionsweise sozialer Medien befördert diese Entwicklungen dabei durch die Entstehung sogenannter Filterblasen Basierend auf Daten über das Nutzer verhalten z B Standort Suchverlauf oder Klicks prognostizieren die Algo rithmen welche Informationen Mei nungen und Vorlieben für die Nutze rinnen und Nutzer besonders relevant sein könnten Durch diese Subjektori entierung d h die Auswahl der Infor mationen an den individuellen Präfe renzen werden widersprüchliche oder abgelehnte Informationen herausge filtert Die Nutzerinnen und Nutzer landen in einer Informationsblase die ihre eigene Meinung permanent ver stärkt und nur selten kritisch hinter fragt Gleichzeitig werden sie für die traditionellen durch den Pressekodex kontrollierten Medien schwer erreich bar Diese Entwicklungen fördern die zunehmende und häufig unentdeck te politische Radikalisierung und Ge waltbereitschaft die immense gesell schaftliche Schäden verursachen Die Schäden umfassen dabei u a die Aus höhlung demokratischer Institutionen menschliches Leid sowie die Kosten medizinischer Behandlungen verlore ner Produktivität und der Zerstörung physischen Kapitals Außerdem führt die Angst vor extremistischer Gewalt zu veränderten Investitions und Kon summustern Öffentliche und priva te Ressourcen werden von produkti ven Tätigkeiten zu Schutzmaßnahmen umgelenkt Um diesen gesellschaftlichen Bedro hungen und der damit verbundenen Kriminalität entgegenzuwirken set zen auch die deutschen Sicherheits behörden verstärkt auf soziale Medi en Nicht nur die Strafverfolgung soll dabei länderübergreifend erfolgen sondern auch die Prävention Für die Präventionsarbeit stellen neben den beschriebenen Eigenschaften der so zialen Medien geringe Kosten geziel te Ansprache hohe Reichweite durch Skalierbarkeit Überallverfügbarkeit zusätzlich die grundsätzliche Erreich barkeit von Bürgerinnen und Bürgern über ihre vertrauten Kommunikations kanäle und die grenzüberschreitende Nutzung zentrale Vorteile dar Das Projekt Zivile Helden Auch das Programm Polizeiliche Kri minalprävention der Länder und des Bun des ProPK nutzt die sozialen Medien vor diesem Hintergrund für seine Ar beit 4 Durch wissenschaftlich beglei tete Pilotprojekte werden darüber hi naus Möglichkeiten für die praktische Präventionsarbeit erprobt und erkun det Ein Beispiel ist das Projekt Zivi le Helden Im Jahr 2016 begann ein 1 In einigen Fällen extremer Radikalisierungen wie z B bei den Attentaten in Christchurch Neusee land am 15 März 2019 oder in Halle am 9 Oktober 2019 wurden die sozialen Medien von den Atten tätern sogar genutzt um ihre Anschläge live zu streamen 2 Beispielsweise durch Verbreitung falscher Täteran gaben 3 Zum Beispiel durch Spekulationen über Motive Nation Religion der Täterinnen oder Täter und oder Opfer 4 Siehe hierzu u a Jerke und Christiani 2019 oder Plackmann 2020

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