2 forum kriminalprävention 3 2022 EDITORIAL Liebe Leser innen denn sie wissen nicht was sie tun wie der Halbstarken Klassiker mit James Dean in der Hauptrolle aus dem Jahr 1955 titelt bringt den Übermut von Heranwachsenden zum Ausdruck die bereit sind sich bei einer Mutpro be wohlwissend des Risikos in Le bensgefahr begeben Der Titel ist in sofern irreführend Es wird nicht aus Unwissen gehandelt sondern infolge einer intuitiven Chancen Risiko Kalku lation in der Auseinandersetzung um die Anerkennung im sozialen Gefüge denn sie wissen nicht was sie tun beschreibt zudem einen häufig vorgebrachten Vorwurf an die Han delnden in Politik und Verwaltung Entweder verfügen diese nicht über die ausreichenden Informationen um richtig entscheiden zu können oder sie können das vorhandene Wissen häufig in ihrem Auftrag von Experten bereitgestellt nicht sachgerecht be werten bzw handeln gegen den fach lichen Rat nach anderen Gesichts punkten Gleichzeitig wird von vielen Bürger innen das Expertenwissen selbst angezweifelt weil es den eige nen Einschätzungen widerspricht Was ist also zu halten von einer Wissensgesellschaft die über un endliche Informationsmöglichkeiten verfügt aber nicht viel Vertrauen in wissensbasiertes Entscheiden und Handeln zeigt Die Menschheitsgeschichte und ihre Fortschritte beruhen auf dem Zuwachs von Wissen in allen relevan ten Gebieten Im Kontext der jetzigen Digitalisierung und ihren Möglichkei ten wachsen die Wissensbestände nicht nur exponentiell sondern auch die Zugänge zum Wissen werden im mer leichter nahezu von jedem Ort und zu jeder Zeit kann zugegriffen werden Gleichermaßen fällt die Ori entierung im Dschungel der Informa tionsangebote immer schwerer und die Bewertung der Zuverlässigkeit des Wissens wird zunehmend kon troverser Schon immer galt Nicht jedes wis senschaftliche Resultat hält einer kritischen Überprüfung stand Blin des Vertrauen wäre genauso unange bracht wie grundsätzlicher Zweifel Es geht nicht darum jede wissen schaftliche Erkenntnis zu verabsolu tieren oder aber alles Erkennen in je der Hinsicht zu relativieren Worum geht es dann in der Wissen schaft Wissenschaftliche Erkennt nis ist stets bezogen auf die Art und Weise in der sie ihren Gegenstand er kennt sie ist methodische Erkennt nis Die Methode bzw das Verfahren durch das man zu einer Erkenntnis gelangt ist somit wesentlich für den Inhalt der Erkenntnis Daher kann wis senschaftliche Erkenntnis im Unter schied zu allem zufällig erlangten Wis sen auch als methodisch gesichertes bzw begründetes Wissen bezeich net werden und ist kein bloßes Mei nen oder Querdenken Das Verfahren der Untersuchung muss dem Forschungsgegenstand angemessen sowie für andere Fach leute einsichtig und überprüfbar sein Es gibt keine Universalmethode mit der jede Fragestellung untersucht werden könnte Ob der eingeschlage ne Weg richtig ist oder nicht erweist sich erst wenn er sich praktisch be währt und zu abgesicherten Resulta ten führt Die Unmöglichkeit von Ex aktheit in den Geisteswissenschaften hat ihre Gründe in der Natur der Sa che die es jeweils zu verstehen gilt Etwa durch gedankliches Durchdrin gen eröffnen sich Deutungsmöglich keiten und Sinngehalte So geht es in der Wissenschaft um das Bemühen mit den Mitteln des Verstandes zu sachlich begründeter Einsicht zu ge langen Unter Berücksichtigung des aktuellen Forschungsstandes kommt es auf die Beherrschung der Metho den an die sich dem jeweiligen Ge genstand als angemessen erwiesen haben Stets ist die Kontrollierbar keit bzw Nachvollziehbarkeit der Vor gehensweise ein Qualitätsmaßstab Dieser Exkurs soll dazu ermutigen wissenschaftliche Erkenntnis zu einer zentralen Grundlage des fachlichen Handelns zu machen Alltagsprakti sche Erwägungen und Einsichten zie hen dabei die Wissenschaftlichkeit nicht in Zweifel sondern unterstüt zen bestenfalls die Nutzung der Er kenntnisse Die Frage nach den We gen einer zielgruppenorientierten Wissenskommunikation schließt sich unmittelbar an und steht in dieser forum Ausgabe im Mittelpunkt Nathalie Hirschmann stellt in ih rem Beitrag die Konzeptidee für ei nen projektübergreifenden Ansatz in der zivilen Sicherheitsforschung vor Frederik Tetzlaff fragt wie in der Prä ventionspraxis über den Einsatz von Präventionsprogrammen entschie den wird Marcus Kober präsentiert das neue Informationsangebot zur kommunalen Prävention das in Kürze über die Website des DFK verfügbar sein wird Der Deutsche Präventions tag als Wissensmultiplikator findet am 4 5 Oktober 2022 in Hannover statt Ein Einblick ins Programm ist abgedruckt Ein besonderer Schwerpunkt ist der Artikel von Anja Herold Beckmann und ihren Kolleg innen zur Allianz Sichere Sächsische Kommunen ASSKomm Der Landespräventionsrat hat ein Modell der systematischen und strukturierten Unterstützung der kommunalen Präventionsarbeit ins Leben gerufen worüber ausführlich berichtet wird Janine Neuhaus Diana Schühner erläutern das Training deeskalieren den Verhaltens in Konfliktsituationen als ein Programm zur Prävention von reaktiver Aggression im Kindes und Jugendalter das in Berliner Schulen angeboten wird Schließlich fasst Re nate Schwarz Saage die wesentlichen Inhalte der Fachtagung Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt zusam men Zuallererst wird jedoch in eigener Sache berichtet Das DFK feiert im Oktober den 20 jährigen Geburtstag nach Anlass eine Rückschau zu hal ten und Einsichten für die Zukunft zu gewinnen Im Ergebnis gibt es Grund genug für einen verhaltenen Optimis mus was die Fortentwicklung der Stiftung betrifft Der Präventions ansatz wird in der politischen Debat te und in der Fachpraxis der sozialen pädagogischen polizeilichen und jus tiziellen Arbeit an Bedeutung gewin nen Genauso wächst das Bewusst sein wissenschaftliche Evidenz bei der Strategieentwicklung und Maß nahmenplanung zu berücksichtigen Das DFK könnte seinen Beitrag ver größern die Präventionsakteure in Deutschland in enger Zusammenar beit mit den Landesgremien mit dem aktuellen Wissen aus der Kriminolo gie Präventionsforschung oder den begleitenden Evaluationen von Pro jekten und Programmen zu versor gen Voraussetzung sind weitere Ver besserungen der dafür notwendigen Rahmenbedingungen Liebe Leser innen denken Sie bitte über alles nach und vertrauen immer erst dem gesunden Menschenver stand Gehen Sie gut informiert ihrer wertvollen Präventionsarbeit nach Herzliche Grüße Ihr Wolfgang Kahl

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