WISSENSCHAFT 8 forum kriminalprävention 4 2022 bis 20 Prozentpunkte Das mag Ihnen zunächst als relativ gering erschei nen aber wenn Sie diese Zahlen ein mal auf Wahlergebnisse übertragen würden politische Akteure durchaus von erdrutschartigen Veränderun gen sprechen wenn ihre Partei um 15 Prozentpunkte zulegt 3 Wir können eigentlich nur über Ge walt Drogen und Eigentumsdelik te sprechen Über die Ursachen und das Entstehen von Wirtschaftskri minalität etwa wissen wir sehr we nig noch haben wir jedenfalls nach meiner Einschätzung keiner lei wirksame Präventionsideen jen seits von strafrechtlicher Kontrolle obwohl ja auch dort massive Schä den für Personen und unsere Gesell schaft entstehen Dennoch Auch wenn die genannten Differenzierungen m E nötig sind so können wir mit großer Sicherheit da von ausgehen dass gute weil geprüf te Präventionsmaßnahmen mit eini gem Erfolg eingesetzt werden können Eine zweite Botschaft ist dass ins besondere umfassende frühe Hilfen für Familien mit Kindern die einem hohen Risiko für Entwicklungsproble me unterliegen sowie langfristige Kon zepte die jeweils altersspezifische Prä ventionsangebote machen besonders lohnend sind Einzelne singuläre Förderprogram me haben in der Regel gute Kurzzeit wirkungen beim Nachweis länger fristiger Wirkungen gibt es allerdings gewisse Probleme Das liegt auch da ran dass nur wenige aussagekräftige Langzeitstudien und ich spreche hier von Studien mit einer Dauer von fünf Jahren oder länger vorliegen Das hat vor allem finanzielle Gründe denn sol che Untersuchungen sind teuer und aufwendig in der Umsetzung Sie lie fern allerdings wertvolle Daten Wir ha ben z B zeigen können dass ein drei monatiges Training zur Förderung von Toleranz und Prävention von Vorurtei len am Ende der Grundschulzeit tat sächlich zu Verringerungen problema tischer politischer Einstellungsmuster und Kontakten zu extremistischen Ma terial und Gruppen fünf Jahre später also im Jugendalter führten Solche längerfristigen Daten liegen insbesondere für die genannten Früh interventionen bei sogenannten Risi kofamilien vor Sie zeigen dass es im Lebenslauf tatsächlich zu geringeren Kriminalitätsraten kommt die auch ei nen erheblichen Effekt auf Opferzah len haben können und sich langfristig auch finanziell lohnen Es spricht somit einiges dafür frühe umfangreiche Hil fen für Familien etwa spezielle Betreu ungsangebote für Eltern und Kinder bereitzustellen Neben solchen Frühinterventio nen sind Konzepte die versuchen be stimmte Aspekte der menschlichen So zialentwicklung im Rahmen einer eher alltagsintegrierten sozialen Förde rung zu verbessern aus meiner Sicht vielversprechend Dabei geht es nicht nur um das partielle Durchführen von zeitlich begrenzten Programmen oder Maßnahmen sondern darum eine al tersspezifische Förderung auf Basis der Erkenntnisse zu jeweils bedeutsa men Entwicklungsprozessen anzubie ten Diese sollten und müssten dann etwa in die Curriculare von Kitas oder Schulen integriert werden Wir fordern z B seit Langem und bis lang erfolglos dass soziale Kompetenz ein reguläres Schulfach wird Sicher ein dickes Brett das gebohrt werden muss und Bildungspolitik ist wie wir alle wissen weitgehend Ländersache und die unterschiedlichen Regierungs koalitionen der 16 Länder haben jeweils unterschiedliche Gedanken zu diesem Thema Immerhin hat es in den letzten Jahren deutliche Fortschritte gege ben etwa bei der verstärkten Einstel lung von Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeitern aber es insgesamt noch deutlich Luft nach oben z B so viel Eigenwerbung darf erlaubt sein beim Ausbau von schulpsychologischen Diensten übrigens nicht nur für die Kin der und Jugendlichen sondern auch für die Lehrkräfte denn wir wissen z B dass das Schulklima ein sehr guter Prä diktor für den Lern erfolg ist ein besse rer jedenfalls als die angewandten Lehr methoden oder die Art der Beschulung Kurzum Umfangreiche und lang fristige Präventionsangebote sind be sonders gut geeignet in Kontexten in denen soziale Probleme kumulieren ei nen deutlichen Effekt auf das Krimina litätsgeschehen und nicht nur dort zu entfalten Allerdings bräuchte es dazu die Be reitstellung von tragfähigen Präven tionsstrukturen was zu meiner dritten Botschaft die leider weniger positiv ausfällt überleitet Es gibt ungeheure Schwierigkeiten bei der Integration von evidenzbasier ten Programmen oder allgemeiner gesprochen von wissenschaftlichen Erkenntnissen in die Praxis der Regel versorgung Dafür existieren vielfältige Grün de Bevor ich jedoch darauf eingehe möchte das Problem vorab etwas an schaulicher und gleichsam drastischer darstellen Stellen sie sich vor wir hät ten ein sehr wirksames Medikament gegen Krebs entwickelt das in vielen Studien positiv getestet wurde aber dieses Medikament wäre für die brei te Masse nicht verfügbar Dieser Ver gleich hinkt vielleicht etwas weil psy chosoziale Programme wohl kaum mit den relativ einfachen Kausalwirkungen von Medikamenten zu vergleichen sind aber er hinkt m E in die richtige Rich tung Es ist aus meiner Sicht ein Unding dass Maßnahmen zur Verfügung ste hen die nachweislich bestimmte Prob leme verhindern könnten aber über Pi lotanwendungen nicht hinauskommen
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