16 forum kriminalprävention 3 2015 BUCHTIPP Thomas Mößle Christian Pfeiffer Dirk Baier Hrsg Die Krise der Jungen Phänomen beschreibung und Erklärungs ansätze Baden Baden 2014 NOMOS Verlagsge sellschaft 271 Seiten ISBN 978 3 8487 1850 4 69 Euro Schulische Leistungsprobleme auf fälliges und gewalttätiges Sozialverhal ten Drogenkonsum Computerspielab hängigkeit mangelnde Empathiefähig keit Allesamt Phänomene mit denen Jungen stärker konfrontiert sind als Mädchen Befinden sich die Jungen in einer Krise ist die Leitfrage wobei die Leistungskrise im schulischen Be reich im Vordergrund steht Die Autorinnen und Autoren des Sammelbandes die beim Kriminologi schen Forschungsinstitut Niedersach sen KFN sowie an der Leibnitz Univer sität Hannover forschen versuchen die Krise der Jungen unter Rückgriff auf verschiedene Forschungsprojekte des Kriminologischen Forschungsinstitu tes Niedersachsen u a Schülerbefra gung 2007 2008 Berliner Längsschnitt Medien Pro Kind wiederholte Opfer befragung 1992 2011 empirisch zu be leuchten Die folgenden drei Fragen stehen dabei im Vordergrund 1 Können für einen bestimmten Phä nomenbereich Geschlechterunter schiede beobachtet werden 2 Lassen sich diese Geschlechterunter schiede durch andere Faktoren ne ben dem Geschlecht erklären 3 Gibt es Hinweise dass sich diese Ge schlechterunterschiede in den zu rückliegenden Jahren in irgendeiner Weise verändert haben Die ersten beiden Fragen lassen sich mit Querschnittsdaten beantworten während die Beschäftigung mit der dritten abschließenden Frage nach Ur sachen und Erklärungen Längsschnitt daten erfordert Wie in der Kriminologie üblich kann die Erklärung nicht monokausal erfol gen Neben dem auffälligen Medien konsum der Jungen wird vor allem die Familie verstärkt in den Blick genom men Der Beitrag von Baier Pfeiffer zum elterlichen Erziehungshandeln stellt die Befunde der wiederholten Opferbefragung vor Belegt werden kann eine scherenartige Entwicklung nach der gerade die Zuwendung den Mädchen gegenüber stärker zunimmt als den Jungen gegenüber Die famili enbezogene Erklärung erhält durch den Beitrag von Sandner Schock eine Ergänzung Die Autoren berichten da von dass bereits im Kleinkindalter Jun gen und Mädchen gegenüber unter schiedliche Erziehungsstile gezeigt werden Inwieweit es früher vor zwanzig oder mehr Jahren anders ge wesen ist bleibt allerdings eine offene Frage Als dritter Faktor der Leistungskrise wird die Institution Schule selbst be trachtet allerdings können Baier Möß le Pfeiffer keine leistungsmäßige Dis kriminierung der Jungen durch Lehrer innen feststellen Im Sammelband werden zusätzlich folgende drei Erklärungen für Ge schlechterunterschiede untersucht 1 Baier untersucht die Freundesgrup pe deren Struktur sich für weibliche und männliche Jugendliche deutlich unterscheidet Jungen sind stärker in Freundesgruppen eingebunden in denen deviantes schuldistanziertes Verhalten auffällig ist 2 Jungen zeigen zudem vor allem in den Bereichen Alkoholkonsum sowie Glücks und Computerspielen deutli che höhere Belastungswerte als Mädchen Rehbein Zenses Mößle 3 Schließlich weist Doering nach dass Mädchen im Jugendalter empathi scher und moralischer sind als Jun gen Allerdings Es liegen keine Infor mationen vor ob sich diese Persönlichkeitseigenschaften in den zurückliegenden Jahren bei Mäd chen und Jungen unterschiedlich entwickelt haben Beim kriminellen und gewalttätigen Verhalten zeigt Baier noch einmal die Geschlechterunterschiede und die be kannten Höherbelastungen der Jungen in vielen Deliktsbereichen Weiterhin lässt sich feststellen dass sich der ge nerelle Rückgang der Jugendkriminali tät bei Mädchen in einem höheren Tempo vollzieht Die Beiträge des Sammelbandes können das Ausmaß der Geschlechter unterschiede im Kindes und Jugendal ter beschreiben aber nur ansatzweise erklären weil Vergleichsdaten im Längsschnitt fehlen und auch kein die Einzelaspekte integrierendes theoreti sches Erklärungsmodell hinterlegt worden ist Die Handschrift Christian Pfeiffers ist am Ende der hinführenden Zu sammenfassung nicht zu übersehen Zwei Präventionsbereiche scheinen ihm und den anderen Autoren zentral Erstens bedarf es eines starken Ap pells an die Väter Die Mehrheit von ih nen kümmert sich zu wenig um die ei genen Söhne Um dies zu ändern könnte eine bundesweite Aufklärungs kampagne für mehr Vaterliebe gestar tet werden Das Elternhaus benötigt dabei zweitens die Unterstützung durch die Schulen Diese dürfen sich nicht mehr darauf beschränken nur durch guten Unterricht das nötige Wis sen zu vermitteln Ein Ausbau schuli scher Ganztagsangebote kann ein breiteres Spektrum spannender und fordernder Freizeitangebote bieten Die Schulen benötigen dafür eine neue Ausrichtung Es gilt bei Kindern und Jugendlichen Lust auf das reale Leben zu wecken bei den Jungen noch mehr als bei den Mädchen Die Frage Was folgt aus alledem bleibt darüber hinaus unbeantwortet war aber auch nicht primäres Anliegen des Sammelbandes wk Krueger A B Malec ková J 2003 Education poverty and terrorism Is there a causal connection The Jour nal of Economic Perspectives 17 119 144 Lützinger S 2010 Die Sicht der Anderen eine qualita tive Studie zu Biographien von Extremisten und Terrro risten Frankfurt a Main Luchterhand Moghaddam F M 2005 A staircase to terrorism A psychological exploration American Psychologist 60 161 169 Neumann P 2013 Radikalisierung Deradikaliseirung Extremismus Aus Politik und Zeitgeschichte 63 Jg 29 31 2103 3 10 Pinker S 2011 Gewalt eine neue Geschichte der Menschheit Frankfurt a Main Fischer Pisoiu D 2013 Theoretische Ansätze zur Erklärung individueller Radikalisierungsprozesse eine kritische Beurteilung und Überblick der Kontroversen Journal Exit Deutschland Zeitschrift für Deradikalisierung und demokratische Kultur 1 41 87 Pratkanis A R Ed 2007 The science of social influ ence Advances and future progress New York Psycho logy Press Sprinzak E 1995 Right wing terrorism in a compara tive perspective the case of split delegitimization Ter rorism and Political Violence 7 17 43 Taylor M Horgan J 2001 The psychological and behavioural bases of Islamic fundamentalism Terro rism and Political Violence 13 37 71 Vidino L 2013 Deradikalisierung durch gezielte In tervention Aus Politik und Zeitgeschichte 63 29 31 2103 25 32 Walther E 2014 Wie gefährlich ist die Gruppe Eine sozialpsychologische Perspektive auf kriminalitäts be zogene Radikalisierung Zeitschrift für internationale Strafrechtsdogmatik 9 393 401 Zick A Küpper B Hövermann A 2011 Die Abwer tung der Anderen Eine europäische Zustandsbeschrei bung zur Intoleranz Vorurteilen und Diskriminierung Berlin Friedrich Ebert Stiftung

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