23forum kriminalprävention 3 2015 EXTREMISMUS UND PRÄVENTION theorie wie auch der Drucktheorie13 als zentrale Erklärung für abweichen des Verhalten fungiert sind es vor allem zwei Faktoren die nach Thorn berry kriminelle Lern und Verstär kungsprozesse bestimmen delin quente Akteure und Normen 14 Gewichtung der radikalisierungs fördernden Faktoren Der größte kausale Zusammen hang für die Entfesselung rechter Ge walt ergibt sich nach Erkenntnissen eines sächsischen Projekts aus dem Anschluss an delinquente Gruppen dem Freizeitverhalten und daraus re sultierend dem Alkoholkonsum 15 In direkten Einfluss üben das elterliche Kontrollverhalten sowie soziale Schichtung und statische Risikofakto ren wie psychische oder psychosozia le Auffälligkeiten bzw kognitive Defi zite aus Einen größeren Effekt als soziale Schichtung ergibt demgegen über die Sozialökologie Im Fall der direkten Transmission elterlicher Ein flüsse auf die rechte Gewalt krimi nalität Jugendlicher wirkt sich der Er ziehungsstil bzw Einfluss der Eltern dagegen als proximaler bedeutsamer Risikofaktor aus Solche Fälle stellen jedoch Ausnahmen unter zehn Pro zent dar Zugleich lässt sich beobach ten dass bei einigen Tätern Bindun gen an delinquente Peers eher mit ihren personalen Eigenschaften vor allem mit geringer Selbstkontrolle zusammenhingen Sie sind impulsiv risikofreudig wie körperbetont und suchen sich entsprechende Freun deskreise beispielsweise an der Schnittstelle zwischen Rechtsextre mismus und Hooliganszene Schlech te schulische Leistungen und Diszip linprobleme erweisen sich als Risikomarker die zwar einen korrela tiven Zusammenhang aufweisen je doch keinen direkten Effekt haben Sie wirken eher vermittelt über die Schwächung der Anbindung an die Schule bzw Ausbildungsstätte als so ziale Kontrollinstanz Disziplinproble me und schlechte Leistungen sind zu gleich Folge der delinquenten und risikoreichen Freizeitgestaltung der Täter Oft treten bei den rechten Tä tern die potenzierenden Wechselwir kungen zwischen Allgemeiner Krimi nalität AK und Politisch Motivierter Kriminalität PMK hervor Delinquente in Gruppen gelebte Umgangsformen sowie gepflegte Normen überlagern den Großteil der psychosozialen Interaktionen und schwächen die hemmende Wirkung antizipierter Kontrollen die als Hin dernis zwischen Möglichkeiten und der Bereitschaft wie auch zwischen der Bereitschaft und der Ausführung krimineller Taten steht 16 Die Bedeu tung der Gruppeneinflüsse verweist auf die zentrale Rolle der Freundes kreise und Freizeitcliquen für die Er klärung von rechter Gewaltkriminali tät und damit auch auf das Erklärungspotenzial der Assoziations Lern und Subkulturtheorien 17 Rechte Subkulturen als Sozialisationsinstanzen und Sinnlieferanten Obwohl die These der Selbstselekti on den lerntheoretischen Ansätzen entgegengehalten wird ermöglicht sie es kaum Gruppendynamiken und die Verinnerlichung von delinquenten Werten rechter Provenienz zu erklä ren Die Selbstselektionsthese stellt auf das durch individuelle Risikofakto ren bedingte niedrige Selbstkontrolle Impulsivität Aggressionsneigung u a oder in der Familie erlernte aggressive Verhalten ab das zur Anbindung an kriminelle Gruppen führt Gleich und gleich gesellt sich gern 18 Obgleich moderierende Effekte der familiären Lernkontexte nicht von der Hand zu weisen sind lässt sich mit Blick auf rechte Gewalt nicht immer plausibel erklären wie sich aus einer spontanen Aggression bzw aus einem ineffekti ven Aggressor instrumentelle Aggres sion und effektive Aggressoren selek tive Opferauswahl entwickeln wenn Gruppenkontexte keine Berücksichti gung finden 19 Die hohe allgemein kri minelle Belastung der Intensivtäter im Zusammenhang mit Durchschnitts werten der familiären Desintegration und Deprivation spricht ebenfalls da für delinquente Gruppen als aus schlaggebende Lernkontexte in den Vordergrund zu stellen Im Fall der rechten Gruppen stellt sich zunächst einmal die Frage nach dem subjektiven und kollektiven Sinn der Gewalt als subkulturelle Denkfigur und Handlungsprogrammatik Dazu liegen bereits zahlreiche Erkenntnisse der Gewaltforschung vor So wies Eike Hennig20 auf die Rolle des Kampfes als Denkfigur und Deutungsmuster im Rechtsextremismus hin die in allen subkulturellen Bereichen vorzufinden ist Gewalt sei in rechten Subkulturen als grundsätzliches Ordnungsprinzip und Philosophie zu verstehen die der Notwendigkeit Gewalt auszu üben und anzuerkennen ein Primat über alle Strategie und Taktikdiskussi onen zusichere 21 Hier liege das Spezi fikum der rechten Gewaltfantasien In den kollektiven Sinninterpretationen rechtsextremer Gruppen spiele sie auf der Ebene der politischen Konzepte sowie regulierend als Lieferant politi scher Orientierungen und als Problem lösungsmittel eine unübersehbare Rolle 22 Nationalsozialistische Kampfbünde als Blaupause Das Selbstbild rechter Gewalttäter als männlich entschlossene kompro misslose Schläger ähnelt in gewisser Hinsicht der Selbstwahrnehmung je ner faschistischen und nationalsozia listischen Kampfbünde für die Gewalt einen eigenen Lebensstil und Art des Denkens repräsentierte Gewalt war eine Manifestation des Mutes gegen über anderen den Kompromisslern den Diskutanten und eine Methode sich sofort durchzusetzen gegenüber den negativ besetzten Werten Huma nität und Toleranz 23 Auch in den rech ten Subkulturen scheint der Faust schlag nach bekanntem Diktum von Michele Bianchi zur Theorie geworden zu sein Dass die Faust als die Syn these der Theorie erschien und erscheint zeigt e sich auch in den bevorzugten Waffen solcher Kampf bünde Nahkampfwaffen verlän ger te n den Kampf und lassen ihn zu 13 Vgl Stelly Thomas Kriminalität S 64 Der Kontrolltheo rie zufolge wirkt die negative Familieninteraktion auf Delinquenz indem sie die Bindung an die Eltern reduziert die Internalisierung konventioneller Werte beeinträchtigt und dadurch die Wahrscheinlichkeit erhöht dass ein Kind keine starke Anbindung an die Schule bekommt Nach der sozialen Lerntheorie gibt die negative Familieninteraktion dem Kind ein Gewalt Modell vor das dem Kind zu verstehen gibt dass Gewalt in gewissen Umständen akzeptabel ist Dies wiederum erhöht die Wahrscheinlichkeit dass es sich mit delinquenten Peers assoziiert Und nach der Drucktheo rie sind die Folgen von übermäßiger Gewalt bei der Erziehung wütende und frustrierte Kinder die zum Beispiel ihre Eltern angreifen von zu Hause weglaufen oder Drogen nehmen um diese Situation zu bewältigen 14 Vgl ebd 15 Vgl Uwe Backes Anna Maria Haase Michail Logvinov Matthias Mletzko Jan Stoye Rechts motivierte Mehrfach und Intensivtäter in Sachsen Göttingen 2014 16 Vgl Hess Scheerer Theorie der Kriminalität S 85 17 Unter Subkulturen werden hier rechte Gewaltszenen im Sinne der Subkulturen der Gewalt subsumiert 18 Vgl ebd S 139 19 Vgl Hodges Das Erlernen S 629 20 Vgl Hennig Wert habe ich nur als Kämpfer 21 Ebd S 97 22 Vgl ebd 23 Reichardt Faschistische Kampfbünde S 662 f

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