38 forum kriminalprävention 3 2015 BUCHTIPP Kati Lang Vorurteilskriminalität Eine Untersu chung vorur teilsmotivier ter Taten im Strafrecht und deren Verfol gung durch Polizei Staats anwaltschaft und Gerichte Baden Baden 2014 NOMOS Verlagsge sellschaft 509 Seiten ISBN 978 3 8487 1788 0 119 Euro Die Dresdner Rechtsanwältin Dr Kati Lang analysiert in ihrer rechtstat sachenbezogenen Dissertation den Umgang von Polizei Staatsanwalt schaft und Gerichten mit vorurteils motivierten Straftaten Aufgezeigt werden sowohl Defizite im polizeili chen Erfassungssystem der Politisch Motivierten Kriminalität PMK als auch Mängel bei der Einbeziehung durch die Justiz Die empirische Untersu chung aufgeklärter rechter Gewaltta ten anhand von Verfahrensakten of fenbart dass nur bei zwölf Prozent der Taten eine Strafschärfung auf grund der Vorurteilsmotivation statt findet In der Konsequenz werden das Strafrecht und die Verfahrensregeln unter Einbeziehung der wissenschaft lichen und politischen Debatte sowie der seit dem Jahr 2000 vorgelegten Gesetzesentwürfe auf ihre Fehlstellen hin untersucht Die Autorin erörtert die Vor sowie Nachteile einer spezifi schen Regelung und legt im Ergebnis konkrete Änderungsentwürfe für das Strafzumessungs und Verfahrens recht aber auch das Jugendstrafrecht vor Zunächst kritisiert die Autorin die bisherige Fokussierung auf rechte Gewalt Seite 40 in ihrer Beschrän kung und offensichtlich rechts moti vierte Taten oder Angriffe die in erster Linie von Personen begangen werden die augenfällig in die Gruppe der Rechtsextremen eingeordnet wer den können während andere Vorur teils Items wie Homo Transphobie oder Sozial darwinismus Marginalisie rung von Personen die als nicht nützlich oder unwert betitelt wer den z B Obdachlose oder Menschen mit Behinderung ausgeblendet wer den Die Studie erweitert die Perspek tive auf sämtliche Taten die aus einer Ideologie der Ungleichwertigkeit her aus begangen werden Folgende als empirisch gesichert geltende Erkennt nisse werden zur Spezifizierung vor urteilsmotivierter Straftaten eng lisch Bias Crimes bzw rechter Gewalt in einem weiteren Sinne herangezo gen Seite 461 Gruppendelikte Streben nach der Dominanz einer Innengruppe durch Degradierung der Außengruppe Botschaftsverbrechen Sie zielen nicht nur auf den Betroffenen selbst sondern sollen Angst und Schrecken in der Gruppe verbreiten der das Op fer tatsächlich oder vermeintlich an gehört Opfer sind tatsächliche oder ver meintliche Angehörige einer verletz baren marginalisierten Minderheit mit beschränkter Durchsetzungs macht Gewaltexzesse und Brutalität In Be trachtung mit vergleichbaren Straf taten der allgemeinen Kriminalität ist Vorurteilskriminalität meist bruta ler Opfer weisen eine größere Furcht nach der Tat auf spüren die Auswir kungen und leiden häufig länger Tatort ist vorwiegend der öffentliche Raum die Taten finden vorrangig im Tagesabschnitt Freizeit statt an Wochenenden abends nachts Dominanztaten Die Angreifer sind den Opfern meist zahlenmäßig über legen Täter sind durchschnittlich jünger als ihre Opfer Gelegenheitstaten Weit überwie gend spontane Tatbegehung aller dings im Bereich der organisierten rechten Gewalt signifikant häufigere geplante Tatbegehung Keine soziale Nahtat Täter und Opfer kennen sich meist nicht Die Debatte um Vorurteilskriminali tät und spezifischer Normierungen ist aus der Notwendigkeit des Schutzes von unterdrückten Minderheiten her aus entstanden Ziel ist der Ausgleich eines tatsächlich bestehenden Schutz defizits bei Taten aus rassistischen antisemitischen sozialdarwinistischen oder antiplura listischen Beweggründen oder die sich gegen einen Menschen wegen seiner tatsächlichen oder ver muteten Religion Behinderung Ob dachlosigkeit sexuellen Orien tie rung Geschlechtsidentität richten verstanden Seite 462 Mit der gewählten Aufzählung ist es unbedeutend ob der Täter im Bereich des organisierten Rechtsextremismus verortet ist Vielmehr wird auf die Mo tivation abgestellt die häufig auf Ein stellungen der Ungleichwertigkeit beruht die nicht nur am Rand son dern auch in der Mitte der Gesell schaft anzutreffen sind Abweichend von diesem Konzept so kann Kati Lang nachweisen orien tiert sich die polizeiliche und justiziel le Bearbeitung nach wie vor am alten Extremismuskonzept mit dem vorur teilsmotivierte Delikte kaum erkannt werden wollen die nicht von offen sichtlich rechten Tätern begangen werden Als besonders eklatant tritt bei der Anerkennung von Todesopfern rechter Gewalt hervor dass politi sche Motivationen im Sinne einer Un gleichwertigkeitsideologie nicht be rücksichtig werden Bis heute hat die Bundesregierung gerade 63 Todesop fer rechter Gewalt als solche anerkannt Journalisten gehen von 152 rechten Tötungsdelikten Nichtregierungsorga nisationen sogar von 183 Todesopfern von 1990 2012 aus Der Polizei wird zugutegehalten dass immerhin im Rahmen der Fall bearbeitung und auch bei der statisti schen Erfassung der Politisch Motivier ten Kriminalität PMK eine Differen zierung vorurteilsbedingter Motiva tionen möglich ist die aber nur teilweise zweckentsprechend stattfin det Für die Instanzen der Justiz wird hingegen festgestellt dass keine eige nen Normierungen zu vorurteilsmoti vierter Kriminalität jenseits der Pro paganda und anderer Staatsschutz delikte existieren Debattiert wird ob das deutsche Strafrecht bereits über ausreichende Möglichkeiten zur Ein beziehung der vorurteilsmotivierten Beweggründe verfügt 46 Abs 2 StGB stellte in der bisherigen Fassung dar auf ab dass bei der Strafzumessung sowohl Beweggründe und Ziele des Täters als auch die Gesinnung die aus der Tat spricht in die Abwägung mit einzubeziehen sind Im Bereich der Tatbestände bietet nach höchst richterlicher Rechtsprechung beim Mord 211 StGB das Tatmerkmal niedrige Bewegründe eine Einbezie hungsmöglichkeit der Vorurteilsmoti vation Bei der Frage ob sich eine kohären te Normanwendung feststellen lässt kommt die Autorin nach Auswertung von 122 Verfahren 2006 2007 der sächsischen Justiz zu folgendem Re sultat Im Ergebnis gingen 41 der er hobenen Anklagen 39 von 96 nicht auf die seitens der Polizei festgestellte Verfahrensmotivation ein Einzug in

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