9forum kriminalprävention 4 2015 EXTREMISMUS UND PRÄVENTION 4 Es handelt sich eindeutig um eine Ju gendbewegung Fast alle haben sich zum Leidwesen ihrer Eltern und Ver wandten radikalisiert ein enormer Un terschied im Vergleich zu palästinensi schen Radikalen Zudem handelt es sich um ein Gruppenphänomen Die Personen radikalisieren sich im Rah men eines kleinen Netzwerks aus Freunden unabhängig davon unter welchen genauen Umständen sie sich kennenlernen Nachbarschaft Gefäng nis Internet oder Sportvereine 5 Kurz gesagt ist ihre Radikalisie rung keine Folge eines langfristigen Reifungsprozesses im Rahmen einer politischen Bewegung oder in einem islamischen Umfeld Vielmehr han delt es sich um eine relativ plötzliche individuelle Hinwendung zur Gewalt häufig nachdem bereits etwas ande res versucht wurde 8 Der wichtigste Beweggrund für junge Männer in den Dschihad einzutreten besteht in der Faszination die vom Mythos der kleinen Bruderschaft von Superhelden ausgeht die für die muslimische Umma Rache nimmt Diese Gemeinschaft ist weltumspan nend und abstrakt und niemals an eine nationale Sache geknüpft Der Mythos wird durch Elemente der modernen Jugendkultur geschaffen nämlich mithilfe von Videospielen Er wird nicht nur mittels moderner Technik inszeniert sondern auch mit einer sehr zeitgemäßen Ästhetik ins besondere einer speziellen Gewalt ästhetik Religiöse Mystik spielt eine emotionale Rolle 1 Olivier Roy leitete daraus ab dass es oberstes Ziel sein müsse den Helden mythos zu entlarven und der Erfolgs geschichte des vermeintlich unbe siegbaren IS ein Ende zu setzen Thomas Mücke vom Violence Pre vention Network VPN charakterisier te die relvanten Personen vor dem Hin tergrund seiner Erfahrungen in der De radikalisierungsarbeit Soziale und familiäre Desintegra tions und Enttäuschungserfahrungen einhergehend mit geringen Akzeptanz gefühlen und problematischen Cliquen Dynamiken führen zu einer er schwer ten Identitätsbildung bei Jugendlichen Dies kann dazu führen dass junge Menschen sich extremistische hyper maskuline fundamentalistische oder traditionalistische Einstellungen zu Ei gen machen sich bei ihnen demokratie distanzierte und gewaltaffine Ein stellungen entwickeln und sie einem misslungenen Selbstheilungsprozess d h der Verfestigung ihrer Gewalt und Radikalisierungskarriere unterliegen Ziel von Violence Prevention Net work VPN ist es junge Menschen die extremistische Tendenzen aufweisen und oder ideologisierte Straftaten be gehen aus dem Radikalisierungspro zess zu lösen VPN verfügt aufgrund seiner von Beginn an auf diesen Themenbereich ausgerichteten Spezialisierung über jahrelange Erfahrungen im Umgang mit radikalisierten jungen Menschen und versteht es Mitglieder dieser Sze nen anzusprechen mit ihnen in den Dialog zu treten sie zu Veränderungen zu motivieren und Distanzierungs prozesse zu menschenverachtenden Einstellungen auszulösen Eine ausführliche Zustandsbeschrei bung der vielfältigen Präventionsar beit lieferte Dr Wiebke Steffen vom Programmbeirat des Deutschen Prä ventionstages DPT 2 Weitere Beiträge beleuchteten die Bedeutung der Internetpropaganda in Radikalisierungsprozessen Dr Diana Rieger Universität Köln der Rolle der politischen Bildung Thomas Krüger Bundeszentrale für politische Bildung und die Rolle der Medien bei der Inszenierung des Terrorismus Yassin Musharbash DIE ZEIT Der Wolfsburger Oberbürgermeister Klaus Dieter Mohrs schilderte schließlich die Bemühungen seiner Stadt um Deradikalisierung und Prävention die in erster Linie durch ge lingende Integrationsprozesse erfolg versprechend seien In seinem Resümee stellte Holger Münch fünf zentrale Punkte heraus die die Basis erfolgreicher Präventions arbeit bilden und im Rahmen einer nationalen Strategie weiterentwickelt werden müssen 1 Die Koordination von Präventions und Deradikalisierungsmaßnahmen muss weiter ausgebaut werden Alle Akteure der Prävention und In tervention müssen daher wechselsei tig wissen wer ihre Ansprechpartner sind auf lokaler Ebene auf Länder ebene und auf nationaler Ebene Und sie müssen sich unter einander koor dinieren Das ist die Grundvorausset zung für alle weiteren Punkte 2 Vorhandene Ressourcen müssen ge zielt gesteuert werden um zivilge sellschaftliche Akteure sowie lokale Einrichtungen und Träger in ihrer Ar beit zu fördern und zu unterstützen Das gilt sowohl für die Präventi onsarbeit als auch für die Forschung Dies alles setzt voraus dass zunächst horizontal auf Ebene des Bundes und des jeweiligen Landes aber auch ver tikal zwischen Bund und Ländern wirksame und am Bedarf orientierte Abstimmungsprozesse etabliert und auch umgesetzt werden 3 Um sicherzustellen dass Ressourcen effektiv eingesetzt werden brauchen wir ein funktionierendes Qualitäts management 4 Daher brauchen wir ein effektives System des Wissensmanagements an dem sich Träger von Präventionsini tiativen beteiligen 5 Wir müssen die Kooperation zwischen Sicherheitsbehörden und zivilgesell schaftlichen Trägern verbessern Münch fasst zusammen dass es das Ziel sei eine gemeinsame ganzheitli che Präventionsstrategie zu schaffen die eine effektivere Koordinierung be stehender Präventionsinitiativen ge währleistete und gleichzeitig aber flexi bel genug sei um regionale und lokale Besonderheiten in den einzelnen Bun desländern zu berücksichtigen Der Transfer von Fachwissen und praktischem Know how bezüglich der Prävention im Bereich Islamismus so wie die Abstimmung des Forschungs bedarfs seien von zentraler Bedeu tung Der derzeitige Dialog mit der Stiftung Deutsches Forum für Kriminal prävention DFK wurde hervorgeho ben bei dem geklärt werde inwieweit ein solcher Wissenstransfer künftig über die Strukturen des Forums reali siert werden könne Ein weiterer mög licher Träger neben dem DFK sei die Forschungsstelle Nationales Zentrum für Kriminalprävention NZK die ab 2016 angebunden an das DFK ihre Ar beit aufnehmen werde Darüber hinaus werden aktuell im Rahmen von Forschungsprojekten des BKA und des DFK die Eckdaten und Tätigkeitsbeschreibungen von Präven tionsinitiativen bundesweit erhoben und kategorisiert Anhand der Ergeb nisse im kommenden Jahr lasse sich Präventionslandschaft im Bereich Isla mismus in Deutschland abbilden und beschreiben Eine solche Kartografie könne dann als Grundlage genutzt wer den um weitere Schritte in Richtung einer sinnvollen Vernetzung und Koor dinierung von Präventionsmaßnahmen zu initiieren Ein Workshop des BKA werde bereits im ersten Halbjahr 2016 dazu beitragen Fotos BKA Pressestelle 1 Vgl hierzu Zick Andreas Böckler Nils 2015 Radikalisie rung als Inszenierung forum kriminalprävention 3 2015 6 16 2 Vgl anschließender Artikel von Dr Wiebke Steffen Prävention der salafistischen Radikalisierung Eine Zustandsbeschreibung der Prävention des internationalen Terrorismus in Deutschland

Vorschau DFK forum kp 04-2015 Seite 11
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