forum kriminalprävention 4 20152 EDITORIAL Liebe Leserinnen und Leser Flüchtlinge ist 2015 in Deutsch land das Wort des Jahres Zwei Gründe mag es dafür geben Noch nie seit dem Ende des 2 Weltkrieges gab es einen sol chen Zustrom von flüchtenden Men schen nach Deutschland wie in diesem Jahr wahrscheinlich mehr als eine Milli on Zudem haben sich die damit verbun denen Herausforderungen zu einem po litischen Reizthema entwickelt und von der anfänglichen Willkommenskultur ist immer weniger zu spüren Bundeskanzlerin Angela Merkel ist zugleich vom renommierten Time Magazin zur Person des Jahres ausge rufen worden weil sie sich wie kein e andere r Politiker in den humanitären Verpflichtungen Deutschlands und Eu ropas gestellt sowie rechtem Populis mus eine deutliche Absage erteilt hat Gratulation Kommunen und ihre Behörden kom men an die praktischen Grenzen ihrer Unterstützungsmöglichkeiten Umso wichtiger ist die Unterstützung durch Länder und Bund Neben finanzieller Hilfe gilt es Zuständigkeiten zu klären und Abläufe schrittweise besser zu ko ordinieren Menschen sollten nicht von einem zum anderen weitergeschoben werden wie häufig berichtet wird und auch nicht im Sinne eines Generalver dachts zum Sicherheitsproblem defi niert werden Die deutsche Gesellschaft polarisiert bei der Diskussion um politische und praktische Lösungen zum Fortgang der Asyl und der Integrationspolitik Ängs te und Sorgen vermengen sich bei vie len Menschen mit Vorurteilen und Res sentiments gegenüber Fremdem und Neuem Gewiss Der Zulauf ist unge kannt groß und dennoch nur ein Symp tom einer sich verändernden Welt die immer stärker miteinander verwoben ist ausgedrückt durch vielfältige Kon taktformen enormen wirtschaftlichen Verflechtungen denen die westliche Welt ihren Reichtum weitgehend ver dankt sowie Migrationsprozessen aus unterschiedlichen Gründen und in wechselnd starker Betroffenheit auf al len Kontinenten Die Kategorie offene Gesellschaft bekommt einen bisher nicht beachteten Bedeutungszuwachs In Fällen politischer Verfolgungen und kriegerischer Lebensbedrohungen gibt es völker rechtliche Verpflichtungen zur Hilfe und Aufnahme Darüber hinaus sprechen sowohl humanitäre als auch ökonomische Gründe für eine politische und gesellschaftliche Verantwortungs kultur in Deutschland und Europa Die Menschen in den Aufnahmege sellschaften sollen nicht überfordert werden aber sie sind gefordert ebenso wie die Zugewanderten Integration ist ein wechselseitiger Prozess der die be stehende Gesellschaft kontinuierlich verändert Freiheit Gleichheit Brüder lichkeit müssen gleichermaßen Maß stäbe für alle am Zusammenleben Betei ligten bleiben oder werden Anstatt die Andersartigkeiten hervorzuheben soll ten wir uns um verantwortungsbe wusste Normalisierung bemühen Die Konstruktion eines weltweiten Kulturkampfes wie ihn Samuel Hunting ton vor Jahren vorhersagte nützt den Extremisten unterschiedlicher Lager Vom westlichen Kreuzritter bis hin zum islamistischen Selbstmordattentä ter oder Scharfrichter Aktuelle Bedrohungen sind in einem besonderen Ausmaß spürbar wie die Anschläge in Paris im Januar und No vember gezeigt haben Konsequente Strafverfolgung und umsichtige Gefah renabwehr kennzeichnen die Arbeit der Sicherheitsbehörden in Deutschland Die Teilnehmer innen der BKA Herbst tagung Mitte November konnten das konzentrierte und sich aller Spannungs felder bewusste Aufgabenverständnis der deutschen Sicherheitsbehörden wahrnehmen In zwei Beiträgen werden die Herausforderungen im Umgang mit islamistischem Extremismus und Terro rismus vertieft Kahl und Steffen Prävention geht auch und gerade im Hinblick auf den gewalttätigen Extre mismus über die unmittelbare Gefah renabwehr der Sicherheitsbehörden deutlich hinaus und umfasst eine Viel zahl unterschiedlicher sozialer pädago gischer oder therapeutischer Ansätze und ihr Erfolg hängt häufig davon ab inwieweit es gelingt Jugendlichen und jungen Erwachsenen gesellschaftliche Teilhabe und Akzeptanz zu ermöglichen und ihnen erstrebenswerte Lebensper spektiven aufzuzeigen Entwicklungs psychologie und Erziehungswissen schaften stellen heraus dass die Klärung der eigenen Identität in der Jugend phase bei manchen jungen Menschen nicht immer problemlos verläuft sowie manchmal die Sinnfrage angesichts z B langandauernder persönlicher Aus grenzungs und Ablehnungserfah rungen leider erst durch Zuwendung und Unterstützung in extremistischen Milieus beantwortet wird Der Radikali sierung zuvorzukommen ist Aufgabe derjenigen Erwachsenen die Verant wortung für junge Menschen übernom men haben etwa in der Schule in der Ausbildung und natürlich nicht zuletzt in den Familien und ihren Netzwerken Der Staat ist in der Pflicht Beratung und Unterstützung anzubieten in manchen Fällen sehr intensiv und auch länger während Durch die Bundesprogramme De mokratie leben und Zusammenhalt durch Teilhabe sowie durch ergänzen de Länderprogramme wird die kommu nale Präventionsarbeit von Behörden freien Trägern und Zivilgesellschaft fi nanziell unterstützt jährlich mit deut lich über 50 Mio Euro Bundesministe rin Schwesig BMFSFJ möchte die Summe gerne verdoppeln wie jüngst zu lesen war Spiegel 50 2015 S 46 Die Verbreitung und Qualität der Maßnahmen muss nach wie vor unter schiedlich bewertet werden Die posi tiven Effekte lassen sich nur schwer messen der Evaluationsansatz trifft zu weilen auf Befindlichkeiten der Akteure Mancherorts fehlt es an ausreichenden Angeboten oder aber die Qualität ist fraglich Um nicht missverstanden zu werden Ohne die Vielzahl der Initiativen Projek te und Programme die von en ga gierten Fachleuten umgesetzt werden gäbe es deutlich größere Probleme Daher gilt es die Angebote weiterzuqualifizieren Wirkungen zu überprüfen regionale Lücken zu schließen und eine Versteti gung gelingender Ansätze zu unterstüt zen Eine Verständigung auf zentrale Qualitätsstandards wäre ein richtungs weisender Fortschritt Im Bereich der Gewaltprävention gibt das DFK über die Website www wegweiser praevention de gemeinsam mit Wissenschaftlern entwickelte gut strukturierte Informationen und Emp fehlungen sowohl zu Programmen als auch zu ihrer erfolgreichen Implemen tierung Eine Erweiterung des Portals auf die Prävention von Extremismus und Radikalisierung wäre wünschens wert ebenso die Verknüpfung zu den Angeboten der Bundeszentrale für poli tische Bildung bpb Eine Verschrän kung mit Länderinitiativen etwa bei den Landespräventionsgremien gehört zu den Arbeitsprinzipien des DFK Ich bin nach wie vor optimistisch dass sich nicht zu leugnende Kooperationshinder nisse überwinden lassen und fordere dazu auf im Sinne einer gemeinsamen Präventionsstrategie zusammenzuar beiten Den politisch Verantwortlichen empfehle ich eine wertschätzende Un terstützung der Präventionsarbeit in Bund und Ländern die zuweilen mit sehr bzw zu geringen personellen und finanziellen Mitteln geleistet werden muss Liebe Leserinnen und Leser zum Schluss möchte ich mich für Ihr Interesse auch in diesem Jahr bedan ken und an den Optimismus anknüp fen der zuletzt von Paris ausstrahlte Das Klima Abkommen ermöglicht Hoffnung für die zu bewältigenden Zu kunftsaufgaben und ist strategische Prävention der Weltgemeinschaft Ich wünsche Ihnen schöne Weihnachtsta ge einen fröhlichen Jahreswechsel und einen guten Start im neuen Jahr 2016 Ihr Wolfgang Kahl

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