45forum kriminalprävention 4 2015 OPFERSCHUTZ Begriffsverständnis opfer bezogene Kriminalprävention Was ist nun opferbezogene Krimi nalprävention Zunächst lässt sich hier eine griffige Kurzformel anfüh ren Primäre und sekundäre Viktimi sierung verhindern und wo nicht möglich in ihren Folgen minimieren Allerdings vergisst diese Kurzformel weitere wichtige Aspekte die Wiebke Steffen in ihrem Gutachten für den 18 DPT anführt Dabei bezieht sich opfer bezogene Prävention zum einen auf die Konsequenzen die aus den Befun den zu den Folgen von Viktimisierun gen zu ziehen sind Zum anderen be zieht sie sich ganz klassisch auf die Verhinderung bzw Verminderung von Viktimisierungen Opferbezogene Kri minalprävention stellt zwar das Opfer in den Mittelpunkt meint aber keine Prävention die nur vom Opfer umge setzt werden muss bzw kann sondern bedeutet Kriminalprävention im übli chen umfassenden sich auf Opfer Tä ter Situationen beziehenden Sinn Auf zwei Dinge muss die opferbezogene Prävention allerdings besonders ach ten Darauf dass sie keine unnötigen Ängste davor schürt wieder Opfer ei ner Straftat zu werden und darauf dass sie dem Opfer keine Mit Schuld an der Viktimisierung gibt 4 Die Opferperspektive in der Kriminalprävention Teil 1 Begriffsverständnis Opfererfassung und Opfergefährdung Rita Haverkamp Der Staat hat die Aufgabe die Grundrechte potenzieller Opfer vor Verletzun gen durch potenzielle Straftäter zu schützen 1 Mit diesem bekannten Zitat betont das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zur Sicherungsverwah rung aus dem Jahr 2004 dass präventiver Opferschutz ein Verfassungsgebot ist In jüngerer Zeit erlebt der präventive Opferschutz einen Aufschwung dem nicht zuletzt der 18 Deutsche Präventionstag DPT 2013 unter dem Titel Mehr Prävention weniger Opfer mit dem Gutachten von Wiebke Steffen Rechnung getragen hat Präventiver Opferschutz zeichnet sich durch unter schiedliche und vielfältige Maßnahmen aus Diese Maßnahmen reichen von der technischen Prävention durch die Videoüberwachung öffentlicher Räume über Präventionsprogramme für Schulen bis hin zu ambulanten Therapiean geboten für Pädophile 2 Nach einer Auseinandersetzung mit den Begrifflich keiten opferbezogene Kriminalprävention und Opfer aus sozialwissen schaftlicher Sicht werden in diesem Heft Teil 1 empirische Befunde zum Hell und Dunkelfeld vorgestellt 3 1 BvR 2029 01 Rn 189 Urteil vom 5 2 2004 zuletzt abgerufen am 13 10 2014 unter http www bverfg de entscheidungen rs20040205 2bvr202901 html 2 Böttcher Reinhard 2013 Opferschutz und Kriminologie Überlegungen aus der Sicht des WEISSEN RINGS in Dessecker Axel Sohn Werner Hrsg Rechtspsychologie Kriminologie und Praxis Festschrift für Rudolf Egg zum 65 Geburtstag Wiesbaden KrimZ Eigenverlag S 67 f 3 Der Beitrag Teile 1 und 2 ist die aktualisierte und gekürzte Schrift fassung des Hauptvortrages beim 24 Opfer forum des WEISSEN RINGS am 24 11 2014 in Mainz 4 Steffen Wiebke 2013 Opferzuwendung in Gesellschaft Wissenschaft Strafrechtspflege und Prävention Stand Probleme Perspektiven Gutachten für den 18 Deut schen Präventionstag 22 23 April 2013 in Bielefeld Mehr Prävention weniger Opfer S 7 http www praeventionstag de kriminalpraevention Module Media Medias 18 DPT Gutachten 267 pdf zuletzt abgerufen am 15 10 2014 5 Vgl hierzu auch Barton Stephan Kölbel Ralf 2012 Einführung in den Band in Barton Stephan Kölbel Ralf Hrsg Ambivalenzen der Opferzuwendung des Strafrechts Zwischenbilanz nach einem Vierteljahrhun dert opferorientierter Strafrechtspolitik in Deutschland Baden Baden Nomos Verlagsgesellschaft S 16 6 Kiefl Walter Lamnek Siegfried 1986 Soziologie des Opfers Theorie Methoden und Empirie der Viktimologie München Wilhelm Fink Verlag S 239 7 In der Kriminologie im deutschsprachigen Raum wird üblicherweise in primäre sekundäre und tertiäre Kriminalprävention differenziert innerhalb derer jeweils täter opfer und situationsbezogene Präventionsmaß nahmen zugeordnet werden vgl hierzu Haverkamp Rita Heesen Jessica 2014 Kommunale Kriminalpräven tion Kritische Reflexionen zu Raum und Ort Neue Kriminalpolitik S 79 f 8 Ambiguität Mehr bzw Doppeldeutigkeit 9 Strobl Rainer 2004 Constructing the Victim Theoretical Reflections and Empirical Examples International Review of Victomology S 296 10 Ladenburger Petra 2012 Strukturelle und praktische Defizite der institutionalisierten Opferhilfe in Deutschland in Barton Stephan Kölbel Ralf Hrsg Ambivalenzen der Opferzuwendung des Strafrechts Zwischenbilanz nach einem Vierteljahrhundert opferorientierter Strafrechtspolitik in Deutschland Baden Baden Nomos Verlagsgesellschaft S 290 und Voß Stephan 2003 Du Opfer Berliner Forum Gewaltprävention Nr 12 S 58 anders Barton Stephan 2012 Strafrechtspflege und Kriminalpolitik in der viktimären Gesellschaft Effekte Ambivalenzen und Paradoxien in Barton Stephan Kölbel Ralf Hrsg Ambivalenzen der Opferzuwendung des Strafrechts Zwischenbilanz nach einem Vierteljahrhundert opferorientierter Strafrechtspolitik in Deutschland Baden Baden Nomos Verlagsgesellschaft S 117 der darin ein jugendliches Aufbegehren gegen die opferfreundliche Gesellschaft erkennt Opferbezogene Kriminalprävention adressiert die folgenden drei hinläng lich bekannten Bereiche 5 Bei der primären Viktimisierung geht es um die tatsächliche Opferwer dung Aufgrund der Tat trägt der Be troffene körperliche seelische und oder materielle Schädigungen davon Infolge der sekundären Viktimisie rung verfestigen sich die primären Schäden oder das Opfer erleidet so gar neue Verletzungen durch Ins tanzen der formellen Sozialkontrol le zu denen die Polizei und die Justiz gehören nicht zu vergessen die Medien 6 Schließlich gehören zur tertiären Vikti misierung langanhaltende Folgen pri märer und sekundärer Viktimisierung 7 Die Ambiguität8 des Opfers Nach der Vier Felder Matrix bei Rai ner Strobl9 vgl Abb 1 ist das Opfer Sein als Prozess sozialer Konstruktion zu verstehen bei dem Bewertungen und Zuschreibungen vom Betroffenen durch Selbstidentifikation als Opfer so wie durch die Gesellschaft mit Anerken nung des Opferstatus vorgenommen werden Dieses Schema ist um weitere Kategorien zu ergänzen Zuerst geht es um die rechtliche Situation da diese mit der sozialen Anerkennung als Opfer kol lidieren kann Die zweite Ergänzung be trifft die soziale Anerkennung als Opfer die mit einem Negativimage verbunden sein und ungünstige Auswirkungen für die Betroffenen nach sich ziehen kann Hinlänglich bekannt ist in der Jugend kultur das Schimpfwort Du Opfer das Schwäche Abwertung und Stigmatisie rung bedeutet 10

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