55forum kriminalprävention 1 2016 EXTREMISMUS 4 Vorurteil als Ergebnis kognitiver Prozesse stereotyper Kategorisie rung nutzender pauschal negativer Zuschreibung und Einstellung ge genüber abgelehnten aber nicht zwangsläufig zugleich abgewerte ten Gruppierungen und Personen 5 Abwertung als Ausdruck eines ver meintlichen Wertunterschieds zwi schen Objekten im sozialen Ver gleich sowie 6 Feindlichkeit als Haltung der Ver achtung gegenüber Abgelehnten und ihrer Konstruktion als zu Be kämpfende Auf der konativen Ebene sollte min destens unterschieden werden zwi schen 1 Aufrechterhaltung von Distanz im Sinne einer Vermeidung des Auf baus von Nähe zum Ablehnungsob jekt 2 sozialer Distinktion als aktiv betrie bener räumlicher Distanzierung und symbolischer Abgrenzung so wie 3 Gewaltbefürwortung sowie Gewalt verhalten und oder Diskriminie rungsbefürwortung und verhalten Versuch einer konsensfähigen Definition Um der Komplexität des zu unter suchenden Phänomens gerecht zu werden d h die inhaltliche Dimensi on mit verschiedenen Ablehnungsgra den und möglichen konativen Orien tierungen zu verbinden sowie unbegründete Stigmatisierungen zu vermeiden werden folgende Definiti onen vorgeschlagen Der Begriff der Muslimfeindlichkeit umschreibt die härteste auf Muslime innen als zu bekämpfende Zielgruppe bezogene Orientierung wobei sich primär Muslime innen als Träger der universellen Menschenrechte sowie sekundär ihre Praktiken und Symbo le im Fadenkreuz der Ablehnenden befinden Muslimfeindlichkeit kommt in Form von Diskriminierungs oder und Gewaltintentionen bzw Gewalt verhalten zum Tragen Die Fremd gruppencharakterisierung erfüllt in diesem Fall alle Kriterien eines Feind bildes Es kann auch von Muslimabwertung als pauschalisierender Ablehnungs konstruktion im Sinne der Ungleich wertigkeit von Muslimen innen die Rede sein die entweder kulturalis tisch oder eher biologisch rassistisch begründet wird und in ein ausgepräg tes Distinktionsverhalten münden kann Die Herabwürdigung von Mus limen innen muss nicht zwingend in Feindschaft im oben beschriebenen Sinne umschlagen sie stellt jedoch ei nen Bestandteil der Feindlichkeit ge gen die Muslime dar Auch Muslim abwertung kann zur Benachteiligung der Betroffenengruppe also zur Dis kriminierung führen Muslimfeindlichkeit und Muslimab wertung als pauschalisierende Ableh nungskonstruktionen sind von der Ab lehnung der muslimischen Lebens und Verhaltensweisen aus bspw atheisti schen feministischen religiösen aber auch strikt formal demokratischen und anderen weltanschaulichen Moti vationslagen zu unterscheiden Im Fall der Islamfeindlichkeit richtet sich die Bekämpfungsintention vor dergründig gegen den Islam als kul turrelevanten Wertekanon mit den ihm pauschal zugeschriebenen Eigen schaften wie Expansionsdrang Ge waltlegitimation u a Der Islam wird pauschal als faschistisch totalitär frauenfeindlich und homophob entlarvt Dass die zu bekämpfenden Zielobjekte der Muslim und Islamfein de nicht immer gleich sind oder mit dem Ablehnungsgegenstand nicht übereinstimmen müssen hat die Tat des Kreuzritters Anders Behring Breivik mit aller Deutlichkeit vor Au gen geführt Islamfeinde wähnen sich in erster Linie im Kampf der Kultu ren im Kampf gegen die islamische Gefahr So verstehen sich christliche Kreuzritter als kulturelle nicht ras sistische Abwehrbewegung gegen eine Bedrohung der eigenen Identität Backes 2013a 405 Der Kampf ge gen die Islamisierung schließt ein freundschaftliches Verhältnis zur muslimischen Welt jedoch nicht aus Zugleich ist die pauschal negative Charakterisierung des Islam dazu an getan diskriminierende die Men schenrechte von Muslimen verletzen de Verhaltensweisen zu ermutigen Backes 2013b 160 In Analogie zur sozial kulturellen Muslimabwertung lässt sich ebenfalls eine Islamabwertung beobachten de ren begrifflichen Kern die Überbeto nung der Rückständigkeit und der Un reformierbarkeit des Islam sowie der islamisch geprägten Kultur ausmacht Wie bereits ausgeführt weist der pathologisierende Islamophobie Be griff terminologische Pathologien auf und sorgt für mehr Verwirrung als Klarheit In erster Linie umschreibt er aber diffuse Bedrohungsgefühle an gesichts der imaginierten voran schreitenden Islamisierung und der in diesem Kontext gesehenen zuneh menden Präsenz von Muslimen in nen im sozialen Umfeld bzw im Land die aversive Züge annehmen sowie ressentimentgeladene und vorur teilslastige Interpretationen fördern können Die Gefühle der Bedrohung durch den Islam können in einer all gemeinen Ablehnung und abwehren den Haltung gegenüber dem Islam und den Muslimen innen resultieren Diese Einstellung ist jedoch in Bezug auf die Feindseligkeit differenziert zu betrachten denn nicht jede Abwehr haltung speist sich aus einem Feind bild des Islam Während die generelle Ablehnung auf dem Boden von poli tisch legitimen Forderungen und emotionalem Unbehagen bleibt ge hen die Formulierungen zur offenen Islamfeindlichkeit darüber deutlich hi naus Leibold Kühnel 2006 137 Ge nerelle Ablehnung kann die Folge aber auch die Ursache der Abwertung sein Zugleich besteht im Gegensatz zum Verhältnis von Abwertung zur Ablehnung kein direkter Zusammen hang zwischen Abwertung und Ver haltensabsicht Leibold Kühnel 2003 112 Zusammenfassend sei angemerkt dass die Unterscheidung zwischen den Begrifflichkeiten Feindbild Feindlichkeit Ablehnung Vorur teil Stereotyp Kritik sowie zwi schen einem pauschalen Feindbild des Islam und einem Bild des Feindes in Form eines anti westlichen Islamis mus notwendig erscheint um dem komplexen Phänomen der Islamableh nung gerecht zu werden Darüber hin aus erscheint es nicht weniger emp fehlenswert ein spezifisches Feindbild des Islam bzw Islam und Muslim feindlichkeit von allgemeineren Kate gorien der Fremdenfeindlichkeit so wie des Rassismus analytisch zu trennen bzw diese präziser zu be stimmen Dr Michail Logvinov ist freier Mitarbeiter am Hannah Arendt Institut für Totalitarismusforschung TU Dresden Kontakt michail logvinov mailbox tu dresden de Literatur zum Thema Allen Ch 2010 Islamophobia Farnham Backes U 2013 Die extreme Rechte in der Bundesre publik Deutschland und die muslimische Welt eine Entwicklungsskizze S 393 408 in A Gallus Th Schubert T Thieme Hg Deutsche Kontroversen Festschrift für Eckhard Jesse Baden Baden Bertelsmann Stiftung 2015 Religionsmonitor Verste hen was verbindet Sonderauswertung Islam 2015 Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick Gütersloh Bielefeldt H 2012 Muslimfeindlichkeit Ausgren zungsmuster und ihre Überwindung S 23 34 in Bun desministerium des Innern Hg Muslimfeindlichkeit Phänomen und Gegenstrategien Beiträge der Fach

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