27forum kriminalprävention 2 2016 VERBUNDPROJEKT TARGET In dem Bielefelder Teilvorhaben des Forschungsverbundes TARGET geht es um die Analyse von Radikalisierungs prozessen im Vorfeld hoch expressi ver Gewalttaten School Shootings wie intendierte Mehrfachtötungen durch terroristisch bzw extremistisch moti vierte Gruppen oder Einzeltäter kön nen als Beispiele hoch expressiver Ge walt verstanden werden und sie weisen bei allen Unterschieden deutli che Parallelen auf Ebenso wie die prä ferierten Tatorte wie z B öffentliche Plätze sozialer Zusammenkunft wer den bei einem Großteil der Taten die Opfer der Gewalt aufgrund ihres sym bolischen Charakters ausgewählt und als Prototypen oder Repräsentanten eines Systems oder einer Gruppe an gegriffen Den beiden Phänomenen hoch expressiver Gewalt gehen kom plexe Selbst Radikalisierungen im Sinne von Hinwendungsprozessen vo raus Dabei eignen sich die späteren Täter innen gewaltlegitimierende ideologische Fragmente an und sie begehen ein Botschaftsverbrechen im Namen eines Kollektivs Während die Forschung und Analy sen zu gewaltfördernden Prozessen im Vorfeld von School Shootings und Amokläufen die aus sozialen Identifi kationen rühren und auf Botschaften verweisen noch recht jung ist blickt die Terrorismusforschung auf eine längere Tradition der Analyse von Ra dikalisierungsprozessen zurück Mittlerweile gibt es einige wenige Beiträge in denen die Vergleichbarkeit terroristischer Taten und School Shoo tings betont und erste komparative Analysen durchgeführt wurden vgl Lankford 2013 McCauley Moskalenko 2013 Malkki 2014 Für Taten die in Deutschland passiert sind stand ein Vergleich bislang aus und eine systema tische Forschungstradition dazu fehlt Dabei deutet vieles darauf hin dass die Forschungsfelder in theoretischer wie empirischer Hinsicht voneinander ler nen können insbesondere seitdem sich die Radikalisierungsforschung auch dem Lone Wolf bzw Lone Operator Ter rorismus widmet Spaaij 2010 Gill Hor gan Deckert 2014 Fredholm 2016 Das Konzept der Radikalisierung Im Vorfeld hoch expressiver Gewalt taten sind Radikalisierungsprozesse von zentraler Bedeutung Damit sind hier Prozesse gemeint in denen die Einstellungen Wahrnehmungen Emo tionen und Handlungen sich immer stärker polarisieren vom Konsens ab weichen und zur Gewalt streben Es sind Prozesse der Hinwendung und Distanzierung in deren Zentrum u E ein Wandel der Identität stattfindet Radikalisierungsprozesse können als Abfolge von Ereignis Verarbeitungs und Handlungssequenzen verstanden werden in deren Zuge sich eine Per son extreme soziale und politische Ideen aneignet die immer stärker zu einem Teil des Selbstkonzeptes wer den Zwar können sich Radikalisie rungsprozesse von Täter zu Täter höchst unterschiedlich vollziehen sie keimen in der Regel aber immer in der sozialen Identifikation mit einer realen oder imaginierten Bezugsgruppe so wie damit verbundenen Differenzie rungen und Abgrenzungsbekundun gen vgl für School Shootings Böckler Seeger 2010 für terroristische Radi kalisierung Borum 2011 Im Zuge der Auseinandersetzung mit radikalen Kontexten verschieben die Gewalt täter innen ihre Selbstkonzeptuali sierung mehr und mehr von der per sonalen zu einer kollektiven Identität in deren Namen sie handeln und die zunehmend ihr Selbstkonzept und da mit ihren Selbstwert bestimmt Ideo logien Narrative und Skripte die die Ingroup und Outgroup markieren und differenzieren sollen werden zu ei nem neuen Bezugspunkt für die Kon zeptualisierung des Selbst Wir spre chen hier auch von ultimativen Identitäten um kenntlich zu machen dass spätestens am Ende des Radikali sierungsprozesses das Selbst für die Gruppe geopfert wird und dies unab hängig vom Motiv damit eine Out group abzugrenzen vgl Zick Böckler 2015 Bei extremistischen Atten tätern innen ist dies offenkundig aber auch im Rahmen der Forschung zu School Shootings wird auf die Rolle ideologischer Elemente hingewiesen vgl Larkin 2009 Böckler Seeger 2010 Malkki 2014 Botschaften wie soziale Identifikation spielen auch hier eine zentrale Rolle und auch hier ist die Entwicklung ultimativer Identitäten zu beobachten die fundamental sind Innerhalb ideologischer analoger wie digitaler realer oder virtueller Kontexte können persönliche Bedürf nisse nach Zugehörigkeit befriedigt werden während das radikale Milieu zugleich diverse Mittel der Selbstdar stellung offeriert Auf der individuel len Ebene gehen diese Prozesse der Aneignung mit einem Wandel von Deutungs Emotions und Verhaltens mustern entsprechend der extremis tischen Weltanschauung einher vgl Wilner Dubouloz 2010 Den ideologi schen Narrativen sind Neutralisie rungsmechanismen vgl Sykez Mat za 1957 immanent die den Abbau von Hemmschwellen zur Gewalt und eine Ultimative Identitäten und expressive Gewalt Radikalisierungsmechanismen im Zuge von extremistischen Mehrfachtötungen und Attentaten an Schulen in Deutschland Andreas Zick Nils Böckler Viktoria Roth Lina Stetten Wie radikalisieren sich Personen so sehr dass sie am Ende eines Prozesses bereit sind andere Menschen aus ideologischen Gründen zu töten Welche Bedeutung kommt Ideologien im Sinne von Botschaften die der Tat und ihrer Ankündigung zugrunde gelegt werden zu Welche Bedeutung haben Perso nen und Umweltfaktoren Das sind aktuell herausfordernde Fragen für Prävention und Intervention im Bereich Extremismus mit denen sich der folgende Beitrag beschäftigt

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