29forum kriminalprävention 2 2016 VERBUNDPROJEKT TARGET Auf dieser Grundlage konnten sechs unterschiedliche Mechanismen identi fiziert werden welche die Radikalisie rungsprozesse von Einzel oder Grup pentätern vorantreiben 1 Selbstpräsentation und soziale Bespiegelung Die Täter bei denen in erster Linie der Mechanismus der Selbstpräsentati on und bespiegelung die Radikalisie rung zur Gewalt vorantreibt sind schon früh auf soziale Außenwirkung Impres sion Management fokussiert Sie wol len sich in sozialen Gemeinschaften be weisen und meinungsführend sein Kontrolle und Einfluss sind wesentliche soziale Motive Der radikale Kontext wird für sie attraktiv da ihnen ihrer Wahrnehmung zufolge konventionelle Sozialisationskontexte kaum mehr die Möglichkeit bieten emotionale soziale oder materielle Anerkennung zu erfah ren Die demonstrative wie letztendlich ultimative und irreversible Identifikati on mit der extremistischen Ideologie wird für sie zum Mittel des Selbstaus drucks und strukturiert ihre Interaktio nen Dieser in Gruppen äußerst domi nante Typus fungiert für andere Mitglieder der terroristischen Gruppe auch als Identifikationsfigur da er für die Sache vermeintlich bedingungslos einsteht und sich nach außen ent schlossen und selbstbewusst gibt Das dominante Sozialverhalten kann in der Persönlichkeitsstruktur angelegt sein oder erst durch die Hinwendung zu ei ner Ideologie evoziert werden die ih nen in sozialen Situationen sukzessive mehr Sicherheit verleiht Gleichzeitig konsolidiert die positive soziale Bespie gelung innerhalb des radikalen Kon texts den Radikalisierungsweg dieser Personen Der Typus ist für das Voran treiben des gewalttätigen Vorhabens richtungsweisend und nimmt entschei denden Einfluss auf den Radikalisie rungsprozess anderer Er sieht Gewalt taten als effektive Option sich im extremistischen Kontext Anerkennung zu verschaffen 2 Soziale Abhängigkeit und Vertrauen Die Bindung zum Extremismus er gibt sich bei diesem Typus in erster Li nie über soziale Beziehungen und we niger aus dem Glauben an die Ideologie selbst Das zentrale Motiv ist die Zuge hörigkeit zur Gruppe bzw deren Ideo logie Der abhängige Typus ist im Grup penkontext eher als wenig ideologisiert zu charakterisieren Er sucht in sozialen Zusammenhängen nach Personen die ihm Orientierungs und Verhaltenssi cherheit geben und zeigt sich dadurch als leicht beeinflussbar Die Planung der Gewalttat erfolgt eher aus einer sozia len Abhängigkeit bzw einem besonde ren Verpflichtungsgefühl anderen Personen gegenüber als aus intrin sisch ideologischer Überzeugung Die Fälle die diese Gruppe repräsentieren hatten enge Vertrauenspersonen die für sie zur Autoritätsperson in Sachen Ideologie und Lebensfragen wurden In dem Maße in denen sie sich aus den Netzwerken außerhalb des radikalen Verbundes herauslösen begeben sie sich in Abhängigkeit zu ihren Mento ren Die Radikalisierungsdynamik die letztendlich immer wieder mit Gewalt taten gegen Menschen und Sachen ein hergeht verfestigt sich als Resultat der Begeisterung für neue soziale und sub jektiv als bedeutsam erlebte Erfahrun gen in den radikalen Verbünden Indok trination sowie ein Gefühl zunehmender Verpflichtung den Vertrauenspersonen gegenüber 3 Sinnstiftung und voranschreitende Selbstverpflichtung Während in extremistischen Zusam menschlüssen Typ 1 und 2 in der Regel aufeinander angewiesen sind und sich gegenseitig im Zuge ihrer Radikalisie rung bestärken neigt Typ 3 am ehesten dazu Taten auch alleine zu vollziehen Die Tat wird vom Motiv Wahrheit im Sinne eines Weltverständnisses zu do kumentieren getragen Er ist nicht auf die Einbindung in die Gruppe angewie sen Für ihn wird die Ideologie in einem stärkeren Maße zu einem Definitions kriterium einer ultimativen Identität als dies bei den anderen Typen der Fall ist Typ 3 zeigt sich im Sample sowohl un ter den Gruppentätern beschreibt am Ehesten aber auch den Radikalisie rungsprozess des einzigen politisch ideologisch motivierten Einzeltäters im Sample der ein expressives Tö tungsdelikt vollendet hat Im Vorfeld der Radikalisierung lassen sich bei die sem Typus Krisen identifizieren die subjektiv als erheblich belastend erlebt werden und mit dysfunktionalen Be wältigungsmustern korrespondieren Mit der Hinwendung zur Ideologie ist die Suche nach etwas Sinnhaftem ver bunden Zunehmend interpretieren sie das eigene Leben im Lichte der ideolo gischen Deutungsmuster Die Radika lisierung wird sukzessive durch die zunehmende Selbstverpflichtung ge genüber der auf Gewalt drängenden Ideologie und des dahinterstehenden Kollektivs vorangetrieben 4 Verbundenheit aufgrund geteilter Erfahrungen Identifikation mit Attentätern Innerhalb dieser Gruppe war eine in tensive Auseinandersetzung der Ju gendlichen mit vorherigen Attentätern und ihren Selbstdarstellungen zu kon statieren Sie dienen als Vorbilder zur Befriedigung des sozialen Motivs Selbstwert zu erlangen Hierbei han delt es sich um einen Mechanismus der ausschließlich im Sample der Schulattentäter innen zu identifizie ren war In der Vorfeldentwicklung zur Tat lassen sich die Phasen eines Ra dikalisierungsprozesses prototypisch nachzeichnen Erst nach einer länge ren Aneignungsphase von Narrativen vorheriger School Shooter zeigten sich bei den Jugendlichen sukzessive Hin weise auf Veränderungen im Verhalten und Erleben in Richtung eigener Ge waltaffinität In Auseinandersetzung mit dem Thema änderten die Jugendli chen sukzessive ihre Wahrnehmungs und Deutungsmuster in Bezug auf das Selbst die Welt und die eigenen Erfah rungen in sozialen Kontexten Je mehr die Jugendlichen eigene Erfahrungen und Empfindungen in den Biografien und Selbstdarstellungen von anderen Attentätern wiedererkannten desto stärker wurde eine Gewalttat für sie zur Option eigenen Handelns Es ist auffällig dass die Attentäter die dieser Gruppe zugeordnet wurden selbst zahlreiche Eigendarstellungen in Be zug auf das School Shooting Skript produzierten In diesen tritt eine Um definition des Selbst vom Opfer zum moralisch höherwertigen Rächer deut lich zutage Im Gegensatz zu den ande ren Gruppen setzten sie sich am Tattag in einem besonderen Maße durch Bewaffnung und Tatkleidung in Szene während die Tötungshandlungen selbst eher wenig konsequent durch geführt wurden 5 Kanalisierung individueller Gewalt und Dominanzbestrebungen Bei dieser Gruppe lagen bereits vor der Auseinandersetzung mit dem Skript der expressiven Gewalttat Hinweise auf eine deutliche Gewalt affinität vor die sich schon früh in der Biografie nieder schlug Ausgeprägte Gewaltphantasien und oder physische Gewalt prägen die Biografie ebenso wie Missachtungser lebnisse Zwar ist auch in diesen Fällen

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