31forum kriminalprävention 2 2016 VERBUNDPROJEKT TARGET eine Beschäftigung mit Ideologien zu konstatieren die Analysen lassen aber den vorläufigen Schluss zu dass sie nicht die Gewaltbereitschaft an sich be einflussen sondern allenfalls die Ver haltensmuster und Strategien der Gewaltanwendung richten und spezifi zieren Triebfeder für die Antizipa tion und letztendlich die Durchführung der Tat ist nicht die Identifikation mit den Biografien anderer Täter oder ihrer Weltanschauung als vielmehr ein über dauerndes Bedürfnis nach Kontrolle und Dominanz in Kombi nation mit subjek tiv erlebten Miss achtungs erfah run gen Ohn machts gefühlen und suizidalen Tendenzen Während die Tötungsbereit schaft in dieser Gruppe hoch ist gibt es kaum Hinweise auf besondere Bedürf nisse nach Selbstdarstellung und Kom munikation mit der Außenwelt Es gibt in diesen Fällen kaum flankierende Vi deos Tagebuchinhalte oder Inszenie rungstechniken Die Taten werden eher pragmatisch effizient durchgeführt 6 Akte persönlicher Rache ohne Bezug auf ein Kollektiv Bei der letzten Gruppe die sich aus den Analysen identifizieren lässt han delt es sich um Fälle bei denen keine symbolische sondern eine hoch selektive Auswahl der Opfer zu kon statieren ist Hier sind persönliche Rache akte gegen Personen aus dem schulischen und oder beruflichen Umfeld verortet Die Beschäftigung mit Ideologien spielt in diesen Fällen keine Rolle Vielmehr ergibt sich die Dynamik aus devianten Verhaltensdis positionen Prozessen biografischer Schließung Beziehungsabbrüchen Gelegenheitsstrukturen und Hinweis reizen wie etwa Waffensammlungen im elterlichen Haus Biografische Brü che in Form von Schulverweisen sind über alle Fälle hinweg vorhanden Fazit und Ausblick Radikalisierung kann nicht durch singuläre oder spezifische Faktoren wie Persönlichkeitsfaktoren oder sta tische Umwelteinflüsse erklärt wer den Radikalisierung ist ein Prozess In dem Prozess wirken unterschiedliche Faktoren die in jeweils spezifischer Art und Weise zu einem Zeitpunkt so interagieren dass die Veränderung der Identität erleichtert wird Ob und welche ideologischen Elemente ange eignet werden hängt im Einzelfall ins besondere von sozialen Motiven ab die erst durch die Ideologie Bot schaft und später durch die Handlun gen am Ende Terrorakt befriedigt werden Zugehörigkeiten Sinnge bung Kontrolle und Einfluss Selbst wert und Anerkennung sowie Vertrau en sind die zentralen sozialen Motive die die Mechanismen prägen und trennen Fiske 2004 Diese können nur kollektiv d h durch Gruppenbindun gen oder die Identifikation mit kollek tiven Ideologien befriedigt werden Individuelle Präferenzen und Gelegen heitsstrukturen verstärken oder min dern dabei den Prozess Jegliche Versuche universell gültige Radikalisierungspräventionen zu entwi ckeln sind nicht vielversprechend Von unüberwindlicher Abneigung erfüllte Weichenstellungen positive wie negati ve Rückkopplungsprozesse bspw sozi ale Bespiegelung das Gefühl von Hand lungsmacht etc Opportunitätskosten und biografische Brüche werden im Einzelfall zu Kristallisationspunkten für dominante Handlungsmuster und Pfa de die wiederum mit dem Blick auf so ziale Motive und Wahrnehmungen wie Praktiken ihrer Befriedigung sichtbar werden Je mehr diese subjektiv an Be deutung für die persönliche Funktions tüchtigkeit eines Menschen gewinnen desto schwieriger wird es Radikalisie rungsprozesse zu unterbrechen Das heißt zugleich Je früher Inter vention einsetzt desto erfolgreicher wird sie gelingen Mit dem Blick auf jun ge Menschen deren zentrale Entwick lungsaufgabe die Entwicklung einer Persönlichkeit und Identität ist wäre es entscheidend ihre Sozialisa tions instanzen und agenten innen für den Umgang mit ideologischen Botschaf ten und extremistischen Gruppen zu schulen ohne sie zu stigmatisieren Konflikte müssen frühzeitig erkannt Mechanismen identifiziert und Prozes sen sozialer Entfremdung entgegenge treten werden Es braucht für die Prä vention von und Interven tion bei Radikalisierungsprozessen verlässliche Programme die auf multiprofessionel len Netzwerken fußen und die immer wieder die Möglichkeit haben sich wis senschaftlich befragen und begründen zu lassen An dieser Stelle kommt der Wissenschaft eine zentrale Bedeutung zu Die Identifikation von Radikalisie rungsmechanismen ist relevant für die Ursachenanalyse und zugleich für die Intervention Intervention kann die di versen Mechanismen erreichen um De radikalisierungsmaßnahmen auf den Einzelfall abzustimmen Das bedeutete aber gleichsam dass sie diese in der Biografie von Tätern innen identifizie ren muss Hierzu raten wir auch ein systematisches wie empirisch zuverläs siges Indikatorsystem zu entwickeln welches zur anlassbezogenen Risiko und Bedrohungsanalyse herangezogen werden kann Dazu gibt es erste viel versprechende Entwicklungen im Aus land vgl Monahan 2012 Pressman Flockton 2014 Meloy et al 2015 die auch in Deutschland implementiert werden könnten Prof Dr Andreas Zick leitet das Institut für interdisziplinäre Konflikt und Gewaltforschung IKG an der Universität Bielefeld Dr Nils Böckler Viktoria Roth Lina Stetten sind dort wissen schaftliche Mitarbeiter innen Kontakt sekretariat ikg uni bielefeld de Literatur Borum R 2011 Radicalization into violent extremism II A review of conceptual models and empirical re search Journal of Strategic Security 4 4 37 Böckler N Seeger T 2010 Schulamokläufer eine Analyse medialer Täter Eigendarstellungen und deren Aneignung durch jugendliche Rezipienten Weinheim Juventa Corbin J M Strauss A 1990 Grounded theory re search Procedures canons and evaluative criteria Qualitative sociology 13 1 3 21 Fiske S T 2004 Social beings A core motives ap proach to social psychology NY Wiley Fredholm M Ed 2016 Understanding Lone Actor Terrorism Past Experience Future Outlook and Res ponse Strategies Routledge Gill P Horgan J Deckert P 2014 Bombing Alone Tracing the Motivations and Antecedent Behaviors of Lone Actor Terrorists Journal of forensic sciences 59 2 425 435 Kelle U Kluge S 2010 Vom Einzelfall zum Typus Fallvergleich und Fallkontrastierung in der qualitati ven Sozialforschung 2 Aufl Springer Wiesbaden Lankford A 2013 A comparative analysis of suicide terrorists and rampage workplace and school shoo ters in the United States from 1990 to 2010 Homicide Studies 17 3 255 274 Larkin R W 2009 The Columbine legacy rampage shootings as political acts American Behavioral Scien tist 52 9 1309 1326 Malkki L 2014 Political elements in post Columbine school shootings in Europe and North America Terro rism and political violence 26 1 185 210 McCauley C Moskalenko S 2008 Mechanisms of political radicalization Pathways toward terrorism Terrorism and political violence 20 3 415 433 Meloy J R Roshdi K Glaz Ocik J Hoffmann J 2015 Investigating the individual terrorist in Europe Journal of Threat Assessment and Management 2 3 4 140 Monahan J 2012 The individual risk assessment of terrorism Psychology Public Policy and Law 18 2 167 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