32 forum kriminalprävention 2 2016 VERBUNDPROJEKT TARGET Bisherige Forschung Bekannt ist bisher dass bei den meisten Jugendlichen die Tötungs delikte begehen eine Vielzahl von Risikofaktoren und ungünstigen Sozialisa tionsbedingungen vorliegt Hierzu gehören etwa Gewalterfah rungen in der Familie bzw gewalttä tige Erziehung durch die Eltern frü hes anti soziales und aggressives Verhalten schulisches und berufli ches Leistungsversagen zudem so zioökonomische Faktoren wie das Aufwachsen in sozial benachteiligten Vierteln vgl etwa Farrington Loeber Berg 2012 Heide 2003 Loeber et al 2005 Remschmidt 2012 Sie sind damit Jugendlichen ähnlich die in an derer Weise durch Straftaten und ins besondere durch Gewaltdelikte auf fällig werden vgl etwa DeLisi Piquero Cardwell 2014 Hingegen lassen sich kaum biografische Risiko faktoren identifizieren die spezifisch für Tötungsdelikte sind Hier kommt situativen Merkmalen wie Zugang zu Waffen und Missbrauch von Suchtmit teln im unmittelbaren Tatkontext Be deutung zu vgl DiCataldo Everett 2008 Thomas Görgen Benjamin Kraus Anabel Taefi Jens Struck Im Rahmen des Verbundprojekts Tat und Fallanalysen hochexpressiver zielgerichteter Gewalt TARGET werden neben Amoktaten School Shootings und terroristischen Gewalttaten auch multiple Tötungsdelikte in den Blick genommen die nicht diesen im Fokus des Projekts stehenden Fallgruppen zuzuordnen sind mit ihnen aber gemeinsam haben dass es sich um vorsätz liche Taten handelt die darauf abzielen in einem unmittelbaren Handlungs zusammenhang mehr als eine Person zu töten Bei allen genannten Gewalt formen handelt es sich zudem um seltene Ereignisse und um Taten die vorwiegend von jüngeren männlichen Tätern begangen werden Während School Shootings und terroristische Gewalttaten in hohem Maße öffentliche Aufmerksamkeit erfahren und Gegenstand wissenschaftlicher Studien sind werden andere multiple Tötungsdelikte nur wenig beachtet Die aktuelle Studie schließt hier eine Lücke und nimmt dabei nicht nur Täter im Jugendalter sondern auch junge Erwachsene bis 25 Jahre in den Blick eine Lebensphase die in der Forschung häufig als emerging adulthood Arnett 2000 Postadoleszenz vgl etwa Heinz 2007 bisweilen auch einfach als späte Jugendphase Hurrelmann 2010 bezeichnet wird Fallanalyse staatsanwaltschaftli cher Verfahrensakten zu Fällen von Mehrfachtötungen durch junge Täter Die Studie basiert auf einer Analyse justizieller Akten In die Stichprobe aufgenommen wurden dementspre chend Fälle in denen ein maximal 25 jähriger Täter bzw Täterin ein vor sätzliches Tötungsdelikt begangen hatte das sich gegen mindestens zwei Personen richtete dabei gegenüber mindestens einer Person vollendet worden war richterlich als Mord oder Totschlag subsumiert wurde und zu gleich phänomenologisch nicht den Kategorien der Amoktaten und terro ristisch motivierten Tötungsdelikte zuzurechnen war Ein von einem straf unmündigen Kind begangenes zweifa ches Tötungsdelikt sowie fünf Fälle in denen die Täter sich während oder nach der Tat selbst getötet hatten zählen ebenfalls zum Untersuchungs material wenngleich es hier aus naheliegenden Gründen zu keiner strafrechtlichen Verurteilung kam Aufgenommen wurden Taten die in Deutschland in den Jahren 2000 bis 2013 begangen worden waren Einzel ne Fälle in denen junge i e bis ein schließlich 25 Jahre und ältere Täter gemeinschaftlich handelten wurden berücksichtigt sofern junge Täter ei nen unmittelbaren aktiven Beitrag zu den Tötungshandlungen leisteten Se rientötungen bei denen zwischen den einzelnen Taten ein gewisser zeit licher Abstand und ein damit in Zu sammenhang stehendes Erregungs tal liegen sind hingegen nicht Gegenstand der Studie Da behördliche Statistiken weder die Zahl multipler Tötungsdelikte durch junge Täter bestimmen lassen noch gar die Identifikation konkreter Fälle ermöglichen wurden einschlägi ge Taten über Recherchen in der Medi enberichterstattung Internet und Mediendatenbanken sowie über Ab fragen in polizeilichen Vorgangsbe arbeitungssystemen bei fünf Landes kriminalämtern Bayern Berlin Brandenburg Niedersachsen Nord rhein Westfalen ausfindig gemacht Insgesamt konnten für den Untersu chungszeitraum 44 einschlägige Fälle identifiziert und die zugehörigen staatsanwaltschaftlichen Verfahrens akten als Untersuchungsmaterial be schafft werden Als Basis für die Auswertung der Fälle wurde ein im Forschungsver bund entwickeltes Codebuch einge setzt darüber hinaus wurden auf der Grundlage des vorhandenen Aktenma terials Fallzusammenfassungen er stellt welche im Sinne einer dichten Fallbeschreibung zentrale Informa tionen zum Tatgeschehen und zur Tat vorgeschichte zu Täterbiografie und Täterpersönlichkeit sowie zur institu tionellen Bearbeitung des Falles durch Polizei und Justiz erfassen Charakteristika von Taten Tätern und Opfern Untersucht wurden 44 Fälle von jungen Menschen begangener Mehr fachtötungen im Weiteren abgekürzt mit JMFT durch die insgesamt 91 Op fer 2 1 pro Tat getötet und 46 weitere Jenseits von Amok und Terror Multiple Tötungsdelikte junger Täter

Vorschau DFK forum kp 02-2016 Seite 34
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