39forum kriminalprävention 2 2016 VERBUNDPROJEKT TARGET Amokläufe von Erwachsenen Bedrohungsmanagement als ein vielversprechender Ansatz der Prävention Jens Hoffmann Mirko Allwinn Im Rahmen des TARGET Forschungsverbundes wurden eine Teilmenge von 33 Amokläufen analysiert die Personen betrifft die bei der Tatausführung älter als 24 Jahre waren Amok wurde hierbei definiert als versuchte oder durchge führte Mehrfachtötung im öffentlichen Raum innerhalb eines Tatereignisses Die Auswertung des umfangreichen Aktenmaterials für den Zeitraum zwi schen 1999 bis 2012 ergibt dass die meisten der späteren Amokläufer an mehreren Institutionen und Zeitpunkten vorher auffälliges Verhalten gezeigt hatten Diese Erkenntnis lässt sich nutzen um mithilfe von regionalem Bedrohungsmanagement die Strukturen risikobehafteten Verhaltens zu erkennen einzuschätzen und zu entschärfen Amok ist ein Begriff der noch im mer von vielen Menschen mit einem spontanen und quasi explosiven Ge waltausbruch verbunden wird Tat sächlich ist meistens genau das Gegenteil der Fall So konnten bei spielsweise Forschungsgruppen aus dem TARGET Verbund schon in frühe ren Arbeiten zeigen dass schwere zielgerichtete Gewalttaten an Schulen auch als Schulamok bezeichnet na hezu immer eine längere Vorgeschich te von charakteristischen Auffälligkei ten vorausgeht Überblick bei Hoffmann Roshdi 2015 Auf diesen Erkenntnissen aufbauend wurden mit KomPass Nagel et al 2014 und mit NETWASS Scheithauer Leuschner 2014 zwei empirisch validierte Prä ventionsprogramme für schulische Krisenteams in Deutschland entwi ckelt Für das Phänomen des Erwach senenamoks existieren hierzulande bislang allerdings keine vergleichba ren Konzepte Um frühe Risikoindikatoren für Amokläufe bei Erwachsenen heraus zuarbeiten wurde deshalb in der Stu die auch nach sogenannten Warnver haltensweisen gesucht die häufig im Vorfeld von schweren Gewalttaten auftreten Meloy et al 2012 Hierbei geht es nicht um statische Risikofak toren die im Sinne einer Checkliste nur zusammengezählt werden son dern um dynamische Handlungsmus ter die einen Anstieg einer möglichen Gefahr anzeigen Es kann also nicht die Absicht sein jemanden als potenziel len Amokläufer identifizieren zu wol len Bei der statistischen Seltenheit dieser Form von Mehrfachtötungen geht es deshalb nicht um eine Vorher sage dieser Taten Vielmehr besteht das Ziel darin solche Personen deren bedrohliches Verhalten Anlass zur Sor ge gibt zu erkennen diese anhand ih res erkennbaren Warnverhaltens ein zuschätzen um dann gegebenenfalls ein Fallmanagement einzuleiten Erwachsene Amokläufer Gibt es ein einheitliches Profil In der absoluten Mehrzahl der 33 Fälle waren die analysierten Amokläu fer männlichen Geschlechts die ihre Taten alleine durchführten Es wur den Personen angegriffen die den Tätern jeweils sowohl zum Teil unbe kannt als auch zum Teil bekannt oder sogar mit ihnen verwandt gewesen sind Die Mehrzahl der Täter war in der Anwendung von Schusswaffen geübt Etwa die Hälfte versuchte sich nach der Tat zu suizidieren wobei dies nicht immer gelang Viele Amok täter waren erwerbslos In ihrer Kind heit und Jugend erlebten etwa die Hälfte von ihnen schwierige Familien verhältnisse oder traumatische Erfah rungen wie beispielsweise den Tod eines Elternteils Etwa die Hälfte von ihnen war vor der Tat bereits einmal in psychotherapeutischer oder psy chiatrischer Betreuung oder Behand lung Wie es auch bereits in einer an deren Studie zu deutschen Amokläu fen festgestellt wurde erscheint es sinnvoll zwischen verschiedenen Tä terprofilen zu unterscheiden Peter Bogerts 2012 So bestanden in unse rer Untersuchung deutliche Unter schiede zwischen Tätern die an einer psychotischen Erkrankung litten wie etwa einem paranoiden Wahn oder einer Schizophrenie und deren Reali tätsbezug deshalb stark gestört war und solchen Tätern bei denen das nicht der Fall war Psychotische Amokläufer Etwa ein Drittel der Amokläufer ließ sich der psychotischen Gruppe zurechnen Diese Täter waren nahe zu immer ledig Sie planten selten im Vorfeld ihre Amoktaten sondern agierten meist spontan Psychoti sche Täter setzten häufig Hieb und Stichwaffen ein und in etwa einem Drittel der Fälle auch Schusswaffen Häufig attackierten sie ihnen unbe kannte Personen Etwa zwei Drittel von ihnen litt an einem paranoiden Wahn Hier ein Fallbeispiel eines psychoti schen Amokläufers Im Jahr 2012 töte te ein 78 Jahre alter Mann zwei Ärzte in deren Gemeinschaftspraxis fuhr anschließend zu seinem Haus und schoss auf die eintreffende Polizei Schließlich beging er Suizid Er war seit vielen Jahren arbeitslos Zu sei nen Kindern hatte er keinen Kontakt Der Täter litt an Kehlkopfkrebs sowie an weiteren gesundheitlichen Be schwerden In der Praxis dem späte ren Tatort war er seit einigen Jahren Patient und war dort als eigenwillig und schwer zugänglich bekannt Seit mehreren Jahren konsumierte er re gelmäßig Alkohol und seit etwa ei nem Jahr fiel es Bekannten auf dass er sich zunehmend verfolgt und be droht fühlte und seine Hygiene ver nachlässigte Zur Tatzeit hatte er die Wahrnehmung von seinen Nachbarn mit ihn gesundheitlich schädigenden Strahlen beschossen zu werden Die Ärzte hätten ein Komplott gegen ihn geschmiedet und behandelten ihn falsch Nachts schlich der Täter um die Häuser und schaute durch Fens

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